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Botschaft
des
Bundesrates an die Bundesversammlung, zu ein Gesetzesentwurf enthaltend das Schweizerische Zivilgesetzbuch.
(Vom 28. Mai 1904.)
Tit.
Durch die Verfassungsrevision vom 13. November 1898 ist dem Bunde das Recht zur Gesetzgebung auf dem Gebiete des gesamten Zivilrechtes übertragen worden (Bundesverfassung, Art. 64 in neuer Redaktion).
Gestützt auf diese Verfassungsbestimmung beehren wir uns, Ihnen den Entwurf eines Schweizerischen Zivilgesetzbuches zur Prüfung vorzulegen und zur Annahme zu empfehlen, und zwar in deutschem und französischem Text.
Aus welchen Gründen die Vereinheitlichung des Zivilrechtes für die Schweiz zum Bedürfnis geworden ist, haben wir in unserer Botschaft vom 28. November 1896 einläßlich dargelegt, und über die Vorarbeiten zu dem vorliegenden Entwurf gibt der Anhang zu dem Departementalentwurfe vom 15. November 1900 ausführlichen Aufschluß. Beide Aktenstücke befinden sich in Ihren Händen, so daß wir die darin enthaltenen Ausführungen hier nicht zu wiederholen haben.
Wir beschränken uns mithin darauf, einleitungsweise dasjenige anzuführen, was seit der Ausgabe des Entwurfes von 1900 mit bezug auf die Ausarbeitung der gegenwärtigen Vorlage geschehen ist.
1904 — 66.






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Bei der Veröffentlichung des Departementalentwurfes wurde darauf hingewiesen, daß dieser von einer größeren Kommission durchberaten werden solle, in der alle wichtigeren Interessen des Landes vertreten seien, und zugleich ist jedermann eingeladen worden, Wünsche, Anregungen oder Anträge zur Verbesserung oder Ergänzung des Entwurfes einzureichen. Die Kommission wurde vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement im Mai 1901 bestellt und hat alsdann den Entwurf in vier Sitzungen durchberaten, vom 7. bis 30. Oktober in Luzern (Personen und Familienrecht), vom 3 bis 22. März in Neuenburg (Vormundschaftsrecht und Erbrecht), vom 3. bis 15. November 1902 in Zürich (erster Teil des Sachenrechts), und vom 15. April bis 2. Mai 1903 in Genf (zweiter Teil des Sachenrechts).
Bei der Zusammensetzung dieser Kommission waren 31 Mitglieder zur Beratung des ganzen Entwurfes und je drei Spezialexperten zur Beratung des Personen- und Familienrechts, des Erbrechts und des Sachenrechts berufen worden. In der Folge traten dann aber Verschiebungen ein, indem etliche Mitglieder, die an der ganzen Beratung teilnehmen sollten, durch Krankheit und andere Abhaltungen verhindert wurden, in allen vier Sitzungen zu erscheinen, umgekehrt aber einige der Spezialexperten eingeladen wurden, sich an den Verhandlungen über andere als die ihnen zunächst zugewiesenen Abschnitte zu beteiligen.
In die Kommission berufen waren die Herren :
Bertoni, alt Kantonsrichter, Lugano,
Burckhardt, C. Chr., Professor, Basel,
Boos-Jegher, Sekretär des schweizerischen Gewerbevereins, Zürich,
Brosi, Nationalrat, Solothurn,
Bühlmann, Nationalrat, Großhöchstetten,
Decoppet, Staatsrat, Nationalrat, Lausanne,

Duttweiler, Direktor der Kantonalbank, Zürich,
Fehr, Obergerichtspräsident, Nationalrat, Frauenfeld,
de Felice, Professor, Lausanne,
Frey, A., Vizepräsident des schweizerischen Handels- und Industrievereins, Nationalrat, Zürich,
Gampert, Notar, Genf,

Glaser, Direktor der Irrenanstalt, Münsingen,
Gmür, Professor, Bern,

Gobat, Regierungsrat, Nationalrat, Bern,
Gottofrey, Obergerichtspräsident, Nationalrat, Freiburg,
Hoffmann, Ständerat, St. Gallen,

Honegger, 0., Oberrichter, Zürich,



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Isler, Ständerat, Aarau,
Köchlin, Nationalrat, Basel,
Lang, Oberrichter, Präsident des schweizerischen Arbeiterbundes, Zürich,
Laur, Sekretär des schweizerischen Bauernverbandes, Brugg,
Lienhard, Bundesrichter, Lausanne,
Loretan, Gerichtspräsident, Nationalrat, Leuk,
Martin, Professor, Genf,
Mentha, Professor, Neuenburg,
Meili, Professor, Zürich,
Paschoud, Direktor des Crédit foncier vaudois, Lausanne,
Planta, Nationalrat, Reichenau,
Reichel, Abteilungschef für Gesetzgebung und Rechtspflege im eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, Bern,
Rossel, Professor, Nationalrat, Bern,
Rott, Bundesrichter, Lausanne,
Scherrer-Füllemann, Nationalrat, St. Gallen,
Schmid, National rat, Altdorf,
Schneider, Professor, Zürich,
Schuler, Sekretär des schweizerischen Handels- und Industrievereins, Zürich,
Siegmund, Grundbuchverwalter, Basel,
Sigrist, Präsident des luzernischen Bauernbundes, Meggen,
Weber, L., alt Bundesrichter, Bern,
Wieland, Professor, Basel,
Winkler, Bundesgerichtspräsident, Lausanne,
Wirz, Ständerat, Sarnen.
Von diesen Mitgliedern beteiligten sich an den Beratungen in Neuenburg Herr Sigrist, in Luzern und Neuenburg die Herren Fehr, Glaser, Rott und Schneider, in Luzern und Zürich Herr Frey, der dann aber in Genf durch Herrn Schuler vertreten wurde, in Luzern, Neuenburg und Genf die Herren C. Chr. Burckhardt und L. Weber, in Luzern, Neuenburg und Zürich Herr Lienhard, in Neuenburg, Zürich und Genf die Herren de Felice, Gampert und Honegger, in Zürich und Genf die Herren Duttweiler, Paschoud und Siegmund, und Herr Köchlin war überhaupt verhindert, an den Beratungen teilzunehmen. Alle andern Mitglieder waren in den vier Sessionen anwesend.
Den Vorsitz führte in Luzern Herr Bundesrat Comtesse und in den spätern Sitzungen Herr Bundesrat Brenner, der auch an den Beratungen in Luzern als Vizepräsident teilnahm. Referent war der Redaktor des Entwurfes, Herr E. Huber, Professor, Bern.



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Das Sekretariat war bestellt aus den Herren:
Burckhardt, W., Professor, Lausanne,
Hitzig, Professor, Zürich,

Oser, Professor, Freiburg,

Zeerleder, Fürsprech, Bern.
Von der Aufforderung des Justiz- und Polizeidepartements, Anregungen und Anträge einzureichen, wurde in großem Umfange Gebrauch gemacht. Das Sekretariat hat diese Eingaben zusammengestellt und eine Übersicht aller Anträge, artikelweise geordnet, der Kommission unterbreitet.
Ferner lagen der Kommission die Erläuterungen zum Entwurfe vor, die der Redaktor ausgearbeitet und in drei Heften, 1901 und 1902, veröffentlicht hat. Sie sind auch den Mitgliedern der eidgenössischen Räte zugestellt worden.
Nach Abschluß der Beratungen der Zivilrechtskommission hat das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement eine Redaktionskommission bestellt, bestehend aus dem Vorsitzenden, Herrn Bundesrat Brenner, dem Redaktor des Entwurfes, Herrn Prof. Huber, den Herren Ständerat Isler , Prof. Reichel und Prof. Hitzig, und ferner aus den drei Übersetzern des Entwurfes, den Herren Regierungsrat Gobat, Prof. Mentha und Prof. Rossel. Mit ihrer Arbeit kam diese Kommission zu Ende im Oktober 1903.
Die Protokolle der vier Tagungen, die für jede Sitzung jeweils am darauffolgenden Tag den Mitgliedern in einer ersten Ausfertigung zugestellt werden konnten, wurden unter Benützung der eingegangenen Berichtigungen vom Sekretariat durchgesehen, und sind in dieser Gestalt in beschränkter Zahl autographisch vervielfältigt worden. Die vier Bände stehen den Kommissionen der eidgenössischen Räte zur Verfügung.
Ausgeschlossen wurden von diesen Beratungen die Einleitungsbestimmungen und die Vorschriften, die der Entwurf über das internationale Privatrecht enthalten hat, ebenso der Schlußtitel betreffend die Einführungsbestimmungen und die zur Anpassung des Obligationenrechtes und des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes in Aussicht genommenen Bestimmungen. Die Einleitung ist erst nachträglich durch eine Kommission, bestehend aus dem Vorsitzenden, Herr Bundesrat Brenner, und den Herren Huber, Isler, Reichel und Rossel, durchberaten und festgestellt worden.
Der Schlußtitel (Einführungsgesetz mit den drei Abschnitten: Verhältnis des schweizerischen Rechts zum ausländischen, des Bundeszivilrechts zum kantonalen Recht und Übergangsbestimmungen,



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mit Einschluß der notwendigen Abänderungen des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs) sowie ein Entwurf betreffend Einfügung des Obligationenrechts in das Zivilgesetzbuch liegen in einer vom Redaktor des Entwurfes eingereichten Vorlage beim Justiz- und Polizeidepartement. Für die Durchberatung dieser Abschnitte ist eine kleinere Kommission, die noch zu ergänzen sein wird, bereits im Mai 1901 ernannt worden. Sie wird voraussichtlich noch im Laufe dieses Jahres einberufen werden. Alsdann gedenken wir, diese Abschnitte, samt einer besondern Botschaft, mit Beförderung ebenfalls der hohen Bundesversammlung vorzulegen.
Der Ihnen zugehende Entwurf enthält nach dem Gesagten diejenigen Teile des Zivilrechtes, die erst vereinheitlicht werden sollen, mithin Abschnitte, denen für die Bundesgesetzgebung eine ganz besondere Wichtigkeit zukommt. Die noch ausstehenden Abschnitte werden ohnedies erst den Schluß der Beratungen bilden und bieten nur eine Anpassung und Ergänzung des bereits einheitlich gestalteten Rechtes. Ob und in welchem Umfange bei diesem Anlasse eine Revision des Obligationenrechtes vorgenommen werden soll, müssen wir spätern Entscheidungen vorbehalten.
Die Vorlage unterbreiten wir Ihnen als ein Ganzes, wie es bishin durch die Beratungen gegangen ist. Der Frage, ob, nach dem Vorbilde einiger Kantone und des Deutschen Reiches, schließlich das Ganze in einem einzigen Gesetze von der Bundesversammlung angenommen werden solle, oder ob umgekehrt, nach dem Beispiel anderer Kantone und Staaten, die einzelnen Teile des Entwurfes sukzessive einzuführen seien, wollen wir damit nicht vorgreifen. Wir denken, daß auch die hohe Bundesversammlung am richtigsten zunächst den Entwurf als Ganzes ihren Beratungen unterstellen und die Frage der Teilung am Schlusse in Erwägung ziehen wird. Denn erst der Erfolg der Beratungen wird es ermöglichen, mit Kenntnis aller in Betracht fallenden Umstände zu entscheiden, welcher der beiden Wege sich zu Nutz und Frommen des Landes am ehesten empfehlen wird.
I. Der Entwurf im allgemeinen.
1. Das Verhältnis zum bisherigen Recht.
Als nach der Verwerfung des Verfassungsprojektes von 1872 die Kompetenz des Bundes im Gebiete des Zivilrechtes auf das Obligationenrecht und den Mobiliarverkehr beschränkt wurde, ist dieses Vorgehen namentlich mit dem Hinweise darauf begründet



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worden, daß für das Verkehrsleben die Vereinheitlichung des Obligationenrechtes besonders dringlich sei. Dieses Argument traf jedoch schon damals nur teilweise zu. Denn einerseits war das Verkehrsbedürfnis in einzelnen Fragen des Obligationenrechtes nicht besonders dringlich — man denke zum Beispiel an die Miete und Pacht von Immobilien — und anderseits waren mit jener Abgrenzung eminent dringliche Materien von der Vereinheitlichung ausgeschlossen, wie namentlich das Hypothekarrecht. Dagegen läßt sich ein anderer Umstand anführen, der die damalige Einschränkung der Kompetenz vollständig erklärlich macht, daß nämlich in den damit dem Bunde zugewiesenen Gesetzgebungsgebieten tatsächlich nur eine kleinere Zahl von Kantonen bereits Gesetze besaßen, nämlich nur diejenigen, die kodifiziertes Recht hatten, und auch von diesen nicht alle (nämlich nicht Nidwalden, Zug, Glarus und Thurgau). Das Obligationenrecht stieß demnach nur in einem geringen Umfange auf bereits festbegründetes kantonales Recht und mußte mithin in seiner Durchführung von dieser Seite mit nur geringem Widerstande rechnen. Auch läßt sich sagen, daß die Verschiedenheit des Rechtes in den Kantonen mit kodifiziertem Obligationenrecht nicht sehr tief ging, und daß namentlich in den handelsrechtlichen Materien, soweit es hierin ein kantonales Recht überhaupt gegeben hat, die verschiedenen Rechte mehr in der doktrinellen Ausgestaltung als in der praktischen Ordnung der Institute auseinanderliefen.
Ganz anders liegen nun die Dinge bei den Materien, die in der gegenwärtigen Vorlage geordnet sind. Hier betritt die Bundesgesetzgebung ein Feld, das größtenteils in den Kantonen durch ausführliche Gesetze geregelt ist. Kein einziger Kanton entbehrt eines Hypothekargesetzes, keiner einer Vormundschaftsordnung oder eines Erbrechtes, und zwar betrifft die kantonale Gesetzgebung selbstverständlich stets gerade die wichtigsten Fragen aus diesen Materien. Wenn trotzdem am 13. November 1898 die Vereinheitlichung des gesamten Zivilrechtes in der Volksabstimmung mit 264,914 gegen 101,762 Stimmen und von 15 ganzen und 3 halben gegen 4 ganze und 3 halbe Stände im Grundsatze gutgeheißen worden ist, so deutet dieses Ergebnis unzweifelhaft darauf hin, daß ein engerer Zusammenschluß der verschiedenen Landesteile auf dem Boden der Rechtseinheit in weiten Kreisen aus politischen Gründen für wünschenswert erachtet wird, zugleich aber auch, daß die Verkehrsbedürfnisse in stets sich verstärkendem Maße der Beseitigung der kantonalen Rechtsverschiedenheit das Wort sprechen. Man kann sich von dem Gewichte dieser letztern Erwägung ein Bild machen, wenn man sich vergegenwärtigt, wie viele Einwohner der Schweiz nach den Ergebnissen der letzten Volkszählung Bürger



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ihres Wohnkantons sind und wie viele Nichtbürger (Bürger anderer Kantone oder Ausländer). Es waren zu Ende 1900 im ganzen 2,322,106 Bürger und 993,337 Nichtbürger in den Kantonen wohnhaft. In der Mehrzahl der Kantone finden wir dasselbe Verhältnis (rund 70:30), in einigen nähert es sich dem Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel. In St. Gallen sind es 163,754 zu 86,531, in Zürich 261,359 zu 169,677, in Solothurn 65,652 zu 35,110, im Thurgau 71,872 zu 41,349, in Waadt 190,996 zu 90,389, in Schaffhausen 26,877 zu 14,637,in Zug sogar 13,817 zu 11,276, und in drei Kantonen sind die Nichtkantonsbürger in der Mehrheit, nämlich in Neuenburg mit 56,800 Bürgern zu 69,479 Nichtbürgern, in Genf mit 43,550 zu 89,059 und in Baselstadt mit 28,999 zu 82,228. Diesen Zahlen wird man entnehmen, daß das kantonal verschiedene Recht in bedeutendem Umfange nicht mehr auf eigene Angehörige des Kantons zur Anwendung kommt, daß also ein großer Teil der Bevölkerung an dem Bestande eines eigenen kantonalen Rechtes ein geringes ethisches und, namentlich seitdem die Rechtsanwendung der Hauptsache nach nicht mehr nach der Heimatangehörigkeit, sondern nach dem Wohnsitz stattfindet, kein erhebliches praktisches Interesse mehr besitzt. Zudem darf nicht übersehen werden, daß der Wechsel des Wohnsitzes von einem Kanton zum andern anerkanntermaßen viel häufiger als früher stattfindet.
Nun hat aber jener ausgedehnte und befestigte Bestand an kantonalen Rechten auf den zu vereinheitlichenden Gebieten des Zivilrechtes dem Bunde bei der Vorbereitung und Durchführung der Rechtseinheit doch eine doppelte Pflicht auferlegt. Es ging nicht an, diese Vereinheitlichung an die Hand zu nehmen, ohne sich vorgängig eine hinreichende Kenntnis der durch das einheitliche Recht zu ersetzenden kantonalen Rechte verschafft zu haben. Dieser Erwägung entsprang die Anregung des damaligen Vorstehers des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Bundesrat Ruchonnet, vorerst eine vergleichende Zusammenstellung der kantonalen Privatrechte auszuarbeiten, bevor in der Vereinheitlichung des Zivilrechtes über das Obligationenrecht hinausgegangen werde. Und sodann war nicht zu verkennen, daß in diesen kantonalen Rechten ein ganz gewaltiger Schatz von Erfahrung und politischer Klugheit sich seit Generationen angesammelt hat, der nicht unverwertet bleiben durfte. Unsere Kantone haben im Laufe einiger Jahrhunderte bei aller ihrer Verschiedenheit ein Recht geschaffen, das, aus den praktischen Bedürfnissen hervorgegangen, den doppelten Vorzug besaß, das überlieferte einheimische Recht vor der unbegründeten Nachahmung fremder Vorbilder zu bewahren und der Eigenart des Volkes getreu zu bleiben. Dem gegenüber war es für



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die Bundesgesetzgebung eine der obersten Pflichten, bei ihrer Arbeit die kantonalen Rechte so viel als nur möglich zu benützen, die Vereinheitlichung aus den kantonalen Überlieferungen selbst herauswachsen zu lassen, sie als eine ununterbrochene Fortsetzung der bisherigen Rechtsentwicklung auszugestalten, und dadurch auch den alten Zusammenhang zwischen dem Volke und seinem Recht, auf den die Schweizer von jeher stolz gewesen sind, unter allen Umständen festzuhalten.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich uns auch die richtige Auffassung von dem Verhältnis des zu schaffenden Bundesrechtes zum ausländischen Rechte. Eine Anlehnung an solches, wie sie mit Recht in so weitgehendem Umfange beim Obligationenrecht in bezug auf die handelsrechtlichen Partien und namentlich das Wechselrecht gegenüber dem deutschen Handelsgesetzbuch und der deutschen Wechselordnung stattgefunden hat, war von vornherein ausgeschlossen, so verlockend dies gerade im Verhältnis zu dem Bürgerlichen Gesetzbuch, das mit dem Jahre 1900 für das Deutsche Reich in Kraft getreten ist, gewesen wäre. Gleichwohl mußte selbstverständlich in gewissen modernen Postulaten und Anschauungen zwischen zwei zeitlich sich so nahe liegenden gesetzgeberischen Arbeiten über den gleichen Gegenstand eine gewisse Übereinstimmung zutage treten, wie denn auch in Frankreich zurzeit in großem Umfange, namentlich in den Arbeiten der vor einigen Jahren in Paris gegründeten Société d'études législatives, die gleichen Probleme aufgetaucht sind und warme Befürwortung erfahren haben. Man vergegenwärtige sich nur die Einführung des Grundbuches, die Ausgestaltung der Rechte an eigener Sache, die Anerkennung einer weitgehenden Freiheit des Ehevertrages und der letztwilligen Verfügungen. Selbstverständlich hat daneben der Entwurf eine Anzahl von Institutionen des französischen Rechtes, die bereits in dem einen oder andern westschweizerischen Kantone Aufnahme gefunden und sich bewährt hatten, nachgeahmt, sowie auch dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuche mehrere empfehlenswerte Einrichtungen entnommen worden sind. Wir erinnern in ersterer Hinsicht nur an die déclaration d'absence, die purgation, die Aufstellung fakultativer Güterstände, und im Verhältnis zum deutschen B.-G.-B. an das Ehegutsregister. Anderes betrifft die dem heutigen Stande der Wissenschaft entsprechende konstruktive Gestaltung der Rechtsinstitute, wie beispielsweise in betreff des Gesamteigentums und der selbständigen Hypothek. In diesen Beziehungen war der Entwurf dann aber oft in der Lage, an alte schweizerische Überlieferungen anknüpfen zu können, die es ermöglichten, Neuerungen eine Gestalt zu geben, in der sie den modernen Bedürfnissen und Anschauungen durchaus entsprechen



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und doch dem bisherigen Rechte treu bleiben, mithin nicht als neu gepflanzter Bestand erscheinen, sondern als tief gewurzelte Eigenart. Wir denken dabei namentlich an das eheliche Güterrecht, das gesetzliche Erbrecht und das Grundpfand.
2. System und Inhalt des Entwurfes.
Der Entwurf hat sich in seinem System an die Einteilung angeschlossen, die in den neuern kantonalen Kodifikationen beobachtet worden ist, wie namentlich in dem privatrechtlichen Gesetzbuch für den Kanton Zürich und in seinen Nachahmungen, sowie im aargauischen bürgerlichen Gesetzbuch. Daraus ergab sich namentlich, daß von der Bildung eines allgemeinen Teiles abgesehen worden ist. Aus dem Fehlen eines solchen bei sämtlichen bisherigen schweizerischen Kodifikationen hat sich in der langen Praxis dieser Gesetzbücher kein Übelstand ergeben. Auch wird es nur bei diesem Vorgehen möglich sein, das Obligationenrecht, das seinen eigenen allgemeinen Teil besitzt, dem Zivilgesetzbuch ohne eingreifende systematische Änderungen anzuschließen. Daß dabei die allgemeinen Vorschriften in einem gewissen Umfange, auch wenn sie dem Obligationenrecht einverleibt bleiben, für die übrigen Teile des Zivilgesetzbuches ebenfalls Anwendung finden müssen, ist freilich nicht zu bezweifeln. Allein deshalb bleibt eben ihr hauptsächliches Anwendungsgebiet doch das Obligationenrecht, und es ist dem gegenüber ein wesentlich doktrinelles Postulat, wenn gefordert wird, sie sollen geradezu für das ganze Gesetzgebungswerk in einem eigenen allgemeinen Teil zusammengestellt werden. Man vergegenwärtige sich nur die Ordnung der Rechtsverhältnisse im allgemeinen. Was würde es abtragen, beispielsweise die Lehre vom Irrtum aus dem allgemeinen Teil des Obligationenrechts, wo stets ihre hauptsächliche Anwendung gefunden werden wird, in einen allgemeinen Teil des ganzen Gesetzbuches zu versetzen? Um es außer Zweifel zu stellen, daß diese Vorschriften doch auch in anderen Teilen des Zivilrechtes ihre entsprechende Anwendung erfahren sollen, konnte es für genügend erachtet werden, in die Einleitung eine Bestimmung in diesem Sinne aufzunehmen (Art. 9). Bei der Beurteilung des Inhalts und Umfangs des Zivilgesetzbuches darf nicht übersehen werden, daß das größere Geltungsgebiet des einheitlichen Rechtes einer Kodifikation ganz andere Pflichten auferlegt hat, als dies bei den bisherigen kantonalen Gesetzbüchern der Fall war. Wenn ein Institut, aus manchmal recht zufälligen Ursachen, in einem Gebiete sich eingelebt und bewährt hatte, so war es geboten, sobald nicht dringende Gründe dies widerrieten, ihm seinen Platz auch im einheitlichen Rechte



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einzuräumen. Man darf dabei annehmen, daß jedenfalls die Kantone, die es bishin besessen haben, fortfahren werden, sich seiner zu bedienen, und überdies ist ja nicht ausgeschlossen, daß auch andere Gebiete aus den gleichen Gründen, die es anderswo beliebt gemacht haben, allmählich seine Vorteile erkennen und es gerne bei sich in Anwendung setzen werden. Wir denken zum Beispiel an die Familienvormundschaft, an die Gült, an den Erbvertrag. In andern Fällen wurde die Aufnahme einer Einrichtung durch die Überlegung veranlaßt, daß einzelne Kantone in gewissen Verhältnissen niemals von sich aus zu einer Ordnung gelangen würden, da sie hierfür nicht gerade ein dringendes Bedürfnis haben, während doch auch bei ihnen gelegentlich dieser Mangel schmerzlich empfunden wird, wie beispielsweise hinsichtlich der Gemeinderschaften, der Grundlasten, des Quellenrechtes, des Bergrechtes. Aus solchen Gründen konnte es nicht vermieden werden, daß der Entwurf einen Umfang erhielt (mit seinen 1015 Artikeln), der denjenigen der bisherigen kantonalen Kodifikationen erheblich übersteigt. Dennoch mußte man versuchen, dem Gesetze die Kürze zu verleihen, auf die ein volkstümliches Recht niemals verzichten darf, und es ist dies in erheblichem Grade namentlich dadurch gelungen, daß in allen Teilen auf eine möglichst durchsichtige, systematische Ausgestaltung großes Gewicht gelegt worden ist. So überschreitet denn auch die Vorlage im Erbrecht, Grundpfandrecht oder Vormundschaftsrecht den Umfang, den diese Abschnitte in den bisherigen kantonalen Gesetzbüchern aufweisen, nicht wesentlich, ja erreicht ihn zum Teil gar nicht, obgleich der Entwurf inhaltlich von diesen Instituten in mancher Hinsicht viel einläßlicher und vollständiger handelt, als dies in den kantonalen Kodifikationen und Spezialgesetzen der Fall ist.
Eine Kodifikation des Zivilrechts hat grundsätzlich alles Privatrecht in sich aufzunehmen. Allein von diesem Grundsatze sind notwendigerweise stets Ausnahmen gemacht worden. Auch der Entwurf weist solche von erheblichem Umfange auf. Sie betreffen in erster Linie die bereits in Geltung stehenden Spezialgesetze auf dem Gebiete des Bundeszivilrechts. Von diesen sind dem Entwurfe nur das Gesetz betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit und das Gesetz betreffend die Beurkundung des Zivilstands und die Ehe (soweit dessen Inhalt nicht den später zu erlassenden Verordnungen zugewiesen worden ist) einverleibt worden. Alle anderen, also namentlich die Gesetze betreffend das geistige Eigentum, den Markenschutz und das Patentwesen, sowie die Regelung des privaten Versicherungsvertrages blieben aus denselben Gründen vom Entwurfe ausgeschlossen, aus denen man sie schon seinerzeit nicht in das Obligationenrecht aufgenommen



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hat: ihre Materie erscheint noch nicht so abgeklärt, daß nicht auf eine häufigere Revision gerechnet werden müßte, und diese vollzieht sich leichter, wenn es sich um Spezialgesetze handelt, als um Bestandteile einer umfassenden Kodifikation. Auch erheischen ihre Materien eine technisch andere Behandlung durch die Gesetzgebung als die Institute des längst abgeklärten bürgerlichen Rechtes überhaupt. Sie sind von der Regelung des allgemeinen Zivilrechtes weit weniger abhängig, stehen mit ihm in viel loserem Zusammenhang, als dies von dem in den Entwurf aufgenommenen Handlungsfähigkeitsgesetz und Eherecht zu sagen ist. Über die Anschließung des Obligationenrechtes haben wir schon oben unseren Vorbehalt angefügt und damit auch die Frage der Regelung der Gewährleistung im Viehhandel durch ein Spezialgesetz oder durch die Ergänzung des Obligationenrechtes einer späteren Beantwortung zugewiesen.
Sodann sind in erheblichem Umfange zivilrechtliche Materien in der Art von dem Entwurfe ausgeschlossen geblieben, daß man sie dem kantonalen Rechte zugewiesen hat. Solche Vorbehalte erklären sich aus verschiedenen Erwägungen. In den einen Fällen war es der Zusammenhang mit dem öffentlichen Rechte, der zur Ausschließung geführt hat. In den andern aber empfahl sich diese für gewisse Institute wegen ihrer vorwiegend lokalen Bedeutung und ihrer Verbindung mit vereinzelter Übung, sowie überhaupt wegen des Umstandes, daß an einer einheitlichen Regelung ein zu geringes Interesse vorhanden ist. In ersterer Hinsicht mag an die Bestimmungen betreffend die Allmendgenossenschaften und öffentlichrechtlichen Korporationen (Art. 76), in letzterer an das Nachbarrecht (Art. 668 ff.) erinnert werden. Eine Übersicht der Vorbehalte des kantonalen Rechtes für das Sachenrecht findet sich in den Erläuterungen zum Entwurfe von 1900, Gesamtausgabe S. 455 f.
Endlich ist der Entwurf auch noch in der Richtung von dem angeführten Grundsatze abgewichen, daß er umgekehrt Materien aufgenommen hat, die nicht ausschließlich dem Privatrechte angehören. Eine absolute Ausschließung des öffentlichen Rechtes von der zivilrechtlichen Kodifikation war jederzeit undurchführbar. Die Rechtsmaterien hängen unter sich und in ihrem wissenschaftlich oder gesetzgeberisch überlieferten Bestande durchaus bald mit dem einen und bald mit dem anderen Gebiete zusammen, so daß ein Institut vorwiegend bald dem öffentlichen, bald umgekehrt dem privaten Rechte angehört, ohne von dem andern ganz frei zu sein. Man darf es demgemäß durchaus für geboten erachten, ein Institut, auch wenn es ganz



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erheblich vom öffentlichen Recht mit bestimmt wird, dem privaten Rechte zuzuweisen, sobald es seiner Natur nach wesentlich den privaten Interessen dient. So ist dies beispielsweise hinsichtlich des Vormundschaftsrechtes, der Ehescheidung, der elterlichen Gewalt, des Grundbuchrechtes der Fall. Unter diesem Gesichtspunkte haben wir denn auch kein Bedenken getragen, das Bergrecht und das Wasserrecht in den Entwurf aufzunehmen. Freilich ist bei diesen beiden Instituten augenscheinlich die Voraussetzung der Entstehung des privaten Rechtes eine öffentlichrechtliche. Allein nichtsdestoweniger nimmt die verliehene Berechtigung den Charakter eines Privatrechtes an. Kommt nun dazu, daß der einheitlichen Regelung dieser Materien in ihrem privatrechtlichen Bestande ein gewaltiges praktisches Bedürfnis das Wort redet und daß ihre Ausgestaltung im modernen Rechte einen innigen Zusammenhang mit dem Sachenrecht überhaupt aufweist, der namentlich für das Grundbuchrecht von Bedeutung ist, so wird man es nicht unstatthaft und auch nicht unangemessen finden, daß der Entwurf diese Materien mit behandelt hat.
Dabei war dann aber wieder durchwegs eine wichtige Schranke wohl zu beachten. Der Entwurf konnte nirgends in die Organisation der Behörden eingreifen. Er mußte diese im Vormundschaftsrecht, im Gerichtswesen, im Wasserrecht u. s. w. überall den Kantonen überlassen. Nur ausnahmsweise durfte er mit der Vorschrift, gewisse Organe erst zu schaffen, hiervon abweichen, wo solches zur Durchführung der privatrechtlichen Einrichtung absolut notwendig war, wie es seinerzeit schon mit der Schaffung der Zivilstandsbeamtungen und der Handelsregisterbureaux geschehen ist und nun auch mit Hinsicht auf die Grundbuchämter vorgeschlagen wird. Ja man konnte es nicht unterlassen, in gewisser Hinsicht noch einen Schritt weiter zu gehen. Wo nämlich zur Durchführung einer privatrechtlichen Einrichtung eine gewisse öffentlichrechtliche Hülfe oder Einschränkung einfach nicht entbehrt werden kann, da liegt es in der Befugnis des Zivilgesetzgebers, auch diese in den Kreis seiner Vorschriften hineinzuziehen. So geschah dies beispielsweise in dem Entwurfe mit Rücksicht auf die Durchführung der Scheidungsklage, der Nichtigkeitsklage, der Vaterschaftsklage und dann namentlich auch hinsichtlich der Verleihung von Wasserrechten in interkantonalen Verhältnissen. Der Bund erscheint hierzu kompetent einerseits auf der Grundlage seiner privatrechtlichen Gesetzgebungshoheit, anderseits aber auch auf Grund seiner Befugnis zur Ordnung der interkantonalen Verhältnisse unter Abgrenzung der wechselseitigen Hoheitsrechte zur Beförderung der gemeinsamen Wohlfahrt. Bei einigen Materien erscheint auch wohl eine straf-



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rechtliche Bestimmung im Gesetze, wie betreffend die den fehlbaren Beamten angedrohten disziplinarischen und anderen Strafen. Auch hier muß die praktische Erwägung entscheiden, inwieweit die Herstellung eines brauchbaren Gesetzes es verlange, daß in Verbindung mit der privatrechtlichen Regelung gleich auch die dem öffentlichen Rechte angehörenden Nebenpunkte mitbehandelt werden. Die materielle Zuständigkeit kann dem Bunde hier überall nicht bestritten werden, und weder dem kantonalen Rechte noch der Bundesgesetzgebung wäre gedient, wenn man rein formaler Bedenken wegen, weil nämlich eine vereinzelte Vorschrift streng genommen nicht dem Privatrechte angehöre, Zusammenhängendes auseinanderreissen und in ganz verschiedenen Gesetzen behandeln wollte.
3. Die Einleitung.
Den vier Teilen des Entwurfes, Personen-, Familien-, Erbrecht und Sachenrecht, die in Abteilungen, Titel und Abschnitte eingeteilt sind (wobei die Titel und ebenso die Artikel zur Erleichterung der Verweisungen fortlaufend gezählt werden), ist eine Einleitung vorangestellt, die aus 12 Artikeln besteht. Sie enthält einige allgemeine Regeln, die einerseits die Rechtsanwendung und das Verhältnis zwischen kantonalem und Bundesrecht, anderseits aber die Rechtsauslegung und den Beweis betreffen. Der Entwurf von 1900 enthielt nur fünf solche Bestimmungen, von denen eine, als dem interkantonalen Rechte angehörig, in den Schlußtitel verwiesen worden ist. Dafür sind acht neue hinzugekommen, deren Aufnahme sich im Verlauf der Beratungen der Zivilrechtskommission als wünschenswert herausgestellt hat.
Durch die ersten zwei Bestimmungen (Art. 1 und 2) soll über die Anwendung des Gesetzes und das Verfahren bei Lücken in der Gesetzgebung dem Rechtsuchenden und dem Richter eine Anleitung gegeben werden. Außerdem wird mit Hinsicht auf das Gewohnheitsrecht wenigstens der Satz ausgesprochen, daß solches als die gesetzlichen Vorschriften ergänzendes Bundesrecht Anerkennung finden kann, während über die Bildung einer das Gesetz aufhebenden Gewohnheit nichts gesagt wird. In dem gleichen Umfange muß dann, soweit kantonales Recht weiterhin in Geltung bleibt, auch kantonales Gewohnheitsrecht anerkannt werden (Art. 6).
Die drei folgenden Artikel beschäftigen sich mit dem Inhalte der Rechtsverhältnisse: In Art. 3 wird ein Chikaneverbot aufgestellt, das schon im Entwurf von 1900 enthalten war, dort aber speziell mit Hinsicht auf den Mißbrauch des Eigentumsrechtes (Art. 644),



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während die vorliegende Regel allgemein gefaßt ist. Die Bedürfnisse der Praxis sind geeignet, der allgemeineren Fassung das Wort zu sprechen. Die Bestimmung soll für die Fälle als eine Art von Notausgang dienen, wo durch die Betätigung eines behaupteten Rechtes offenbares Unrecht geschaffen und dem wirklichen Recht jeder Weg zur Anerkennung verschlossen würde. Art. 4 bestätigt in Abs. 1 eine Auslegung, die schon auf Grund des Obligationenrechts anerkannt worden ist, während in Abs. 2 die Regel angefügt wird, daß ein fahrlässiges Nichtwissen von Umständen, die den guten Glauben unmöglich bestehen lassen könnten, als Mangel des guten Glaubens aufzufassen ist. Von einer Definition des guten Glaubens wurde, da sie doch für die verschiedenen Fälle, wie bei der Ersitzung (Art. 655) im Gegensatz zum Besitzesschutz (Art. 972), verschieden gefaßt werden müßte, Umgang genommen. Art. 5 soll darauf hinweisen, daß die Anrufung des richterlichen Ermessens und ähnliches niemals eine Gutheißung richterlicher Willkür bedeuten darf. Erwogen wurde ob nicht in diesem Zusammenhange dem Bundesrat oder dem Bundesgericht, ähnlich wie es in mehreren Kantonen von seiten der obersten Behörden geübt wird, ausdrücklich und allgemein die Befugnis zum Erlasse von Weisungen und Verordnungen zur Erläuterung und Ergänzung des Gesetzes zuerkannt werden sollte. Solche Aufklärungen gestatten, das Gesetz von Einzelheiten zu entlasten, über deren Zweckmäßigkeit erst die Erfahrung entscheiden soll. Sie ermöglichen eine lebendige Anpassung an die Bedürfnisse und verleihen doch in den allermeisten Fällen den Verhältnissen eine Sicherheit, die ihnen gegenüber der nur langsam und unstetig sich bildenden Gerichtspraxis fehlen würde. Man kann dabei etwa an eine nähere Erklärung betreffend die Zugehör, die Nutznießung, Miete, Pacht und namentlich den Arbeitsvertrag denken. Schließlich wurde aber doch für die Einleitung von einer solchen Regel Umgang genommen, unter Vorbehalt der Prüfung der Frage, ob nicht unter die Einführungsvorschriften eine Bestimmung aufgenommen werden sollte, die ein solches allgemeines Verordnungs- oder Erläuterungsrecht den obersten Bundesorganen zuweisen würde.
Die Art. 6, 7 und 8 beschlagen das Verhältnis des Bundesrechtes zu den Kantonen. Die Bestimmung über den Sinn der Verweisungen auf das kantonale Recht und der Vorbehalt des öffentlichen kantonalen Rechts mit Einschluß der Außerverkehrssetzung von Sachen bedürfen keiner weiteren Rechtfertigung. Die Anerkennung des bisherigen oder künftig zu fixierenden kantonalen Rechtes als Ausdruck der Übung, unter Vorbehalt des



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Gegenbeweises, entspricht der bereits vorherrschenden Anschauung und kommt einem praktischen Bedürfnis entgegen.
Die in Art. 9 enthaltene Verweisung auf die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechtes haben wir bereits oben gerechtfertigt.
Wünschenswert erscheinen sodann einige Beweisregeln, die in Art. 10 und 11 eine Ordnung festsetzen, die von den bisherigen kantonalrechtlichen Vorschriften nicht abweicht. Notwendig war es, in Abs. 2 des Art. 11 ausdrücklich zu sagen, daß der Nachweis der Unrichtigkeit einer öffentlichen Urkunde an keine besondere Form gebunden sein dürfe. Der Entwurf überläßt es dem kantonalen Recht, festzusetzen, auf welche Weise eine öffentliche Beurkundung hergestellt werde. Um so eher muß dann aber auch eine Beschränkung des Beweises der Unrichtigkeit der Urkunde für unstatthaft erklärt werden. Es werden damit Vorschriften über die ausschließliche Anfechtung solcher Urkunden im Strafverfahren u. dgl. als unzulässig erklärt.
In Art. 12 wird die bisher von der Praxis anerkannte unbeschränkte Rechtskraft der absoluten Beweisregeln des französischen Prozeßrechts und seiner Nachahmungen im Interesse der Billigkeit eingeengt und deren Anwendung ausgeschlossen, sobald ein Rechtsverhältnis in einem Kanton nach Bundesrecht gültig begründet worden ist, vor dessen Gerichte es ohne solche Beweisformen geltend gemacht werden könnte, mit Ausnahme immerhin des Falles, wo alle Beteiligten in dem Kanton, der diese Beweisregeln aufstellt, ihren Gerichtsstand haben. Wird also ein Mobiliarkauf in einem Kanton der deutschen Schweiz mit bloßem Konsens gültig vereinbart, so soll er, ohne mit den besonderen Beweisregeln verknüpft werden zu dürfen, auch in Genf oder Waadt eingeklagt werden können, es wäre denn, daß die Kontrahenten ihren Gerichtsstand in Genf haben und nur zufällig oder vielleicht gerade mit der Absicht der Gesetzesumgehung in der Ostschweiz kontrahiert haben. Diese Einschränkung mildert augenscheinlich die Unbilligkeit, die sich im interkantonalen Verkehr aus der Anerkennung jener Prozeßvorschriften ergeben hat. Besser würde uns eine grundsätzliche Beseitigung dieser Vorschriften, die im Grunde doch das materielle Zivilrecht betreffen, gefallen. Sie könnte aber den westschweizerischen Kantonen nur zugemutet werden, wenn das Prinzip der Formlosigkeit der Verträge für Abschlüsse in höherem Wertbetrag, z. B. über 2000 Fr., preisgegeben und durch das Erfordernis der Schriftlichkeit als Gültigkeitsform ersetzt würde. Wir behalten uns vor, in dieser Richtung bei der Revision des Obligationenrechts einen



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Antrag zu stellen, wobei für den Verkehr unter Kaufleuten doch wohl die bisherige Formlosigkeit festgehalten werden mußte.
Es wurde im weiteren angeregt, in die Einleitung auch noch Bestimmungen aufzunehmen über die uneingeschränkte Vollziehbarkeit der bundesrechtlichen Zivilurteile, über die Selbsthülfe und über die Einführung einer allgemeinen Klagen- oder Anspruchsverjährung von 30 Jahren. Schließlich haben wir aber von allen diesen Vorschriften Abstand genommen. Die erste erschien uns zu enge mit dem Grundsatz des Art. 61 B. V. und mit der Prozeßgesetzgebung der Kantone verbunden, als daß ohne Verfassungsrevision diesfalls eine Neuerung in dem angeregten Sinne ratsam erschien, zumal dringende Übelstände mit dem gegenwärtigen Rechtsbestand in der Exekution nicht gerade verbunden sind. Eine Bestimmung über die Selbsthülfe ist bereits in einer der wichtigsten Beziehungen im Besitzesrecht aufgenommen (Abwehr verbotener Eigenmacht, Art. 964 bis 967) und wird im übrigen wohl richtiger im Obligationenrecht den Vorschriften über den Schadenersatz aus unerlaubten Handlungen (insbesondere betreffend Notwehr und Notstand) angefügt. Eine allgemeine Klagenverjährung endlich wäre bei der Ordnung der Verjährung aufzustellen. Wir behalten uns vor, bei der Revision des Obligationenrechts nach beiden Richtungen weitere Vorschläge zu machen.
Es kann nicht unsere Absicht sein, mit den folgenden Ausführungen die Vorlage eingehend zu motivieren. Die Erläuterungen zum Entwurfe von 1900 liegen in den Händen der Mitglieder der Bundesversammlung und bieten zur Aufklärung über die Grundsätze und in den meisten Fragen auch über die einzelnen Bestimmungen des Entwurfes eine Wegleitung, die für die gegenwärtige Vorlage so gut dienlich ist, wie für den Entwurf, zu dem sie geschrieben waren. Zur Erleichterung ihrer Benutzung fügen wir eine Zusammenstellung der sich entsprechenden Artikel beider Entwürfe bei (s. die erste Beilage zum Entwurfe), indes wir hier uns damit begnügen, eine Übersicht des Ganzen zu geben, und die ausführlichern Erwägungen auf diejenigen Fragen beschränken, die in der Kommission besonders umstritten waren oder von ihr abgeändert oder neu eingefügt worden sind.
II. Das Personenrecht.
Das Personenrecht enthält die Vorschriften über die Voraussetzungen, den Inhalt, den Beginn und das Ende der Persönlichkeit. In zwei Titeln handelt dieser Teil von den Einzelpersonen



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und den sogenannten juristischen Personen. Letztere sind entweder Personenverbindungen oder Anstalten. Die Personenverbindungen des Zivilrechtes sind: Private Körperschaften, Vereine, Genossenschaften, Aktiengesellschaften, welch beide letztgenannten schon jetzt durch das Bundesrecht geordnet sind. Anstalten des Zivilrechtes sind die Stiftungen. Unter den Einzelpersonen als Rechtssubjekten wird kein Unterschied gemacht. Jedermann ist rechtsfähig. Geburtsstände kennt unser Recht nicht, und die Bedeutung der Berufsstände für das Zivilrecht wird bei den einzelnen Instituten festgesetzt, durch besondere Vorschriften über die Rechtsstellung z. B. der Kaufleute, der Handwerker, der Arbeiter. In gleicher Weise sollen auch andere persönliche Eigenschaften auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit der Einzelperson im allgemeinen keinen Einfluß ausüben. Anträge, die für die Ehrlosigkeit einen gewissen Vorbehalt aufstellen wollten, sind abgelehnt worden (Art. 14 und 15 des Entwurfes von 1900).
1. Die Rechts- und Handlungsfähigkeit
Der Entwurf ordnet die Rechts- und Handlungsfähigkeit bei den Vorschriften über die Einzelpersonen (Art. 13 bis 20). Bei den juristischen Personen kann einfach hierauf verwiesen werden (Art. 61 ff.). Ohne Rechtsfähigkeit gibt es kein Rechtssubjekt, doch sind den juristischen Personen diejenigen Fähigkeiten naturgemäß verschlossen, die den physischen Menschen zur notwendigen Voraussetzung haben (Art. 62). Die Handlungsfähigkeit ist bei den Einzelpersonen mit dem Vorhandensein bestimmter persönlicher Eigenschaften und bei den juristischen Personen mit dem Besitz der nötigen Korporations- oder Stiftungsorgane verknüpft. Diese stellen die Handlungen der juristischen Personen her, wobei der Entwurf, in Übereinstimmung mit dem praktischen Bedürfnis und der mehr und mehr in der Doktrin und Rechtsprechung vorwaltenden Auffassung, die juristischen Personen zivilrechtlich auch als deliktsfähig anerkennt, d. h. sie werden durch unerlaubte Handlungen ihrer Organe vermögensrechtlich verpflichtet (Art. 66).
2. Die Einzelpersonen.
Die Voraussetzungen der Handlungsfähigkeit der Einzelpersonen sind teils formalen Charakters (Mündigkeitsalter) und teils materiellen (Urteilsfähigkeit). Bei der Festsetzung der Mündigkeit hat der Entwurf die Grundsätze des geltenden Bundesrechtes über die Handlungsfähigkeit aufgenommen (Alter, Verheiratung, Mündig-




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erklärung oder Jahrgebung, Art. 16). Die materielle Voraussetzung ist in eine Formulierung gebracht worden, die dem heutigen Stande der Psychiatrie entspricht, wobei als technischer Ausdruck, wie bereits im Entwurfe von 1896, die Bezeichnung „Urteilsfähigkeit" gebraucht wird (Art. 10). Der Entwurf unterscheidet hiernach die natürliche Handlungsfähigkeit der Urteilsfähigen und die gesetzliche der Mündigen, die nicht entmündigt sind. Die Stellung der urteilsfähigen Nichtmündigen und die der Mündigen, die nicht urteilsfähig sind, erfährt dabei eine Regelung, die vom geltenden Rechte inhaltlich nicht abweicht.
Der Schutz der Persönlichkeit findet einerseits im Grundsatz der Unveräußerlichkeit und Unverletzlichkeit und anderseits in den Vorschriften über Namensschutz und Namensänderungen Anerkennung (Art. 28 bis 31). Nach beiden Richtungen stellt der Entwurf Regeln auf, die dem modernen Rechtsleben durchaus nicht neu sind, mit denen aber, was in einer oft unsichern und tastenden Praxis anerkannt worden ist, grundsätzlich festgelegt werden soll. Die im geltenden Obligationenrecht vorgesehene Unverbindlichkeit lebenslänglicher Verpflichtungen und Rücktrittsbefugnis aus wichtigen Gründen ruhen auf dem Grundsatz dieser Unveräußerlichkeit, und die Klage aus Verletzung persönlicher Verhältnisse zieht aus dem Prinzip schon jetzt (0. R. Art. 55) die wichtigste Folgerung. Auch der Schutz der Firmen (0. R. Art. 865 ff.) beruht auf denselben Anschauungen. Die allgemeine Anerkennung der Grundlagen wird einer stetigen und ausreichenden Entwicklung die Bahn ebnen. Anerkannt wird zum Schutz der Persönlichkeit im allgemeinen und für den Namensschutz insbesondere gegenüber der geschehenen Verletzung ein Anspruch auf Schadenersatz und, wo die Art der Verletzung es rechtfertigt, auch auf Genugtuung. Zudem aber muß der Verletzte, selbst wenn kein Verschulden des Angreifers vorliegt, zum mindesten doch auf Unterlassung der Störung oder der Namensanmaßung klagen können.
In bezug auf den Beginn und das Ende der Persönlichkeit hat der Entwurf drei vom Recht der Kantone teilweise abweichende Regelungen vorgenommen: Einmal wurde für sogenannte Commorienten eine Vermutung des Überlebens der einen Person gegenüber andern abgelehnt (Art. 33). Sodann wurde die Möglichkeit aufgestellt, den Beweis des Todes einer Person, auch ohne daß die Leiche gesehen worden, anzuerkennen (Art. 35). Und endlich ist in betreff der Verschollenheit, in Anlehnung an das französische Recht, von einer förmlichen Todeserklärung Umgang genommen und gegenüber einer unbekannt abwesenden Person unter bestimmten Voraussetzungen nur eine Befreiung der Ansprecher



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vom Beweise ihres Todes aufgestellt worden (Art. 36 bis 39). Ihre Ergänzung erfahren diese Vorschriften durch Bestimmungen über die Eheschließung des Ehegatten einer verschollenen Person (Art. 110) und über deren Beerbung und Erbberechtigung (Art. 547 bis 551).
Der Abschnitt über die Beurkundung des Personenstandes schließt sich an das geltende Bundesgesetz vom 24. Dezember 1874 an, verweist aber dessen Einzelvorschriften in erheblichem Umfange in die ergänzenden Verordnungen.
3. Die juristischen Personen.
Der Entwurf stellt im Interesse der Verkehrssicherheit als allgemeines Erfordernis für die juristischen Personen zur Erlangung der Persönlichkeit die Eintragung in ein öffentliches Register (das Handelsregister) auf (Art. 61). Ausgenommen sind von dieser Vorschrift die öffentlichrechtlichen juristischen Personen, die das Recht der Persönlichkeit nach den Vorschriften des öffentlichen Rechtes erlangen (Art. 69), und die sogenannten Vereine mit idealem Zweck, die ohne weitere Form die Persönlichkeit mit ihrer korporativen Konstituierung erwerben (Art. 70). Der Eintragung bedürfen also: Die Körperschaften, die nicht zu den genannten Vereinen gehören, mithin alle Vereine mit wirtschaftlichem Zweck, sei es, daß sie direkt einen wirtschaftlichen Betrieb zum Zwecke haben oder einen solchen zur Erreichung eines andern Zweckes betätigen. Ferner die Aktiengesellschaften und die Genossenschaften des Obligationenrechtes, unter Vorbehalt der dem kantonalen Rechte zugewiesenen Allmend- und ähnlichen Genossenschaften, und alle Stiftungen. Vereine mit idealen Zwecken sollen sich zwar auch in das Handelsregister eintragen lassen können, allein nicht zur Erlangung der Persönlichkeit, sondern nur um sich den Beweis ihrer korporativen Existenz zu erleichtern (Art. 71). Diese Begünstigung der Vereine erschien als geboten und zulässig in Anbetracht der großen Bedeutung, die ihnen für das gesellschaftliche und politische Leben unseres Landes zukommt, während sie doch am Verkehr regelmäßig nicht so sehr beteiligt sind, aus ihrer Nichteintragung sich also erhebliche Gefahren für den Verkehr nicht gewärtigen lassen. Überdies stimmt diese Ordnung überein mit dem bereits geltenden Rechte der Ost- und Zentralschweiz.
Unter die allgemeinen Bestimmungen über die juristischen Personen haben wir neben einer Umschreibung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit einen Vorbehalt des kantonalen Rechtes be-



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treffend das Erfordernis staatlicher Bewilligung zum Erwerb von Liegenschaften für angemessen erachtet (Art. 63), andere Beschränkungen dagegen abgelehnt. Beschränkungen dieser Art finden sich in einer Anzahl kantonaler Rechte und entspringen der Besorgnis, daß bei völlig freier Möglichkeit der Schenkungen und Vergabungen an die sogenannte Tote Hand (Stiftungen, Gemeinden, Klöster) eine volkswirtschaftlich bedauerliche Verminderung des im bürgerlichen Verkehr stehenden Vermögens eintreten könnte. Diese Gefahr kann für einzelne Landesgegenden sehr wohl bestehen, und deshalb soll den kantonalen Behörden nicht verwehrt werden, solche Zuwendungen zu kontrollieren und nötigenfalls zu verhindern. Zum mindesten erscheint in bezug auf den Erwerb von Liegenschaften ein solcher Vorbehalt als wohl begründet.
Die Vorschriften betreffend die Vermögensverwendung im Falle der Auflösung einer juristischen Person schließen sich an die geltende Bestimmung des Obligationenrechts (Art. 716) an, sollen aber nicht nur für Vereine, sondern für alle juristischen Personen, mit Ausnahme der Aktiengesellschaften und eingetragenen Genossenschaften, Geltung haben (Art. 67). Personenverbindungen und Anstalten zu unsittlichem oder widerrechtlichem Zweck erlangen überhaupt keine Persönlichkeit (Art. 61, Abs. 3), so daß diese Vorschriften betreffend die Vermögensverwendung auf sie nicht anwendbar sind, im Gegensatz zu dem Falle, wo eine juristische Person nach rechtskräftigem Entstehen wegen unsittlichem oder rechtswidrigem Zweck aufgehoben werden muß.
Für Vereine mit idealem Zweck, die keine hinreichende korporative Konstituierung besitzen, ist vorgesehen, daß sie als einfache Gesellschaften beurteilt werden sollen (Art. 72). Für die Vereine mit Persönlichkeit aber wird im Gesetz eine Organisation aufgestellt, die jedoch im allgemeinen eine abweichende Ordnung nicht ausschließt und nur in den bestimmt in diesem Sinne aufgestellten Vorschriften zwingenden Charakter hat (Art. 73). Die Organisationsbestimmungen schließen sich dabei der herrschenden Übung an. Einläßlicher sind die Rechte und Pflichten der Mitglieder behandelt, um eine Lücke auszufüllen, die im geltenden Rechte oft unangenehm empfunden worden ist (Art. 74 ff., 80 ff.). Es sei hier nur auf die Vorschriften über den Ein- und Austritt der Mitglieder, den Schutz des Vereinszweckes und der Mitgliedschaft hingewiesen. Namentlich ist betreffend die Ausschließung zwar eine freie Ordnung der Ausschließungsgründe durch die Statuten vorbehalten. Wer einem Vereine beitritt, unterwirft sich eben damit auch solchen Ausschließungsvorschriften. Wenn aber



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die Statuten darüber keine Bestimmung enthalten, so soll die Ausschließung nur aus wichtigem Grund und mit Vereinsbeschluß erfolgen können, und jeder Ausgeschlossene ist befugt, eine dieser Bestimmung entgegenstehende Ausschließung gerichtlich anzufechten (Art. 82).
Stiftungen können in den vom Gesetz vorgeschriebenen Formen zu beliebigen Zwecken errichtet werden (Art. 90). Auch Familienstiftungen erklärt der Entwurf allgemein als zulässig (Art. 345), wobei aber die Schranken der erbrechtlichen Verfügungsfreiheit beobachtet werden müssen.
Die Stiftungen, die in gesetzlicher Weise errichtet worden sind, stehen unter der Aufsicht der zuständigen öffentlichen Organe. Doch wird für Familienstiftungen die Funktion dieser Aufsicht auf die allgemeine Sorge für die Wahrung des Stiftungszweckes beschränkt, und Streitigkeiten aus Familienstiftungen sind dem zuständigen Richter zugewiesen (Art. 94 f.).
Einem oft empfundenen Bedürfnis trägt der Entwurf endlich damit Rechnung, daß er unter gewissen erschwerenden Voraussetzungen der Aufsichtsbehörde sowohl eine Änderung der Organisation (Art. 95) als eine Umgestaltung des Zweckes (Art. 96) gestattet, sobald dies als notwendig und im Sinne des Stifters selbst liegend betrachtet werden darf.
III. Das Familienrecht.
Das Familienrecht zerfällt, seinem Hauptinhalte entsprechend, in drei Abteilungen: Ehe, Verwandtschaft und Vormundschaft. Die meisten Titel zerfallen in mehrere Abschnitte. Einer nähern Erklärung und Begründung bedürfen aus diesem Teile namentlich folgende Fragen.
1. Die Eheschliessung.
Der Entwurf hat bei der Regelung des Verlöbnisses sich denjenigen kantonalen Rechten angeschlossen, die dieses als ein familienrechtliches Institut betrachten und dem Verlobten bei ungerechtfertigtem Bruche des Verlöbnisses einen Anspruch auf Schadenersatz und, wo die Umstände es rechtfertigen, auf Genugtuung zuerkennen (Art. 101 ff.).
In bezug auf die materiellen und formellen Erfordernisse der Eheschließung wurde mit wenig Abänderungen oder Ergänzungen das geltende Bundesrecht beibehalten. Hervorzuheben ist diesfalls:



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Das Ehefähigkeitsalter wurde für den Mann auf das zurückgelegte zwanzigste und für die Frau auf das zurückgelegte siebzehnte Altersjahr angesetzt (Art. 105), eine Neuerung, die den vorherrschenden wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung trägt und in sittlicher Beziehung nicht nur keinen durchschlagenden Bedenken begegnet, sondern umgekehrt als ein Mittel zur moralischen Kräftigung der Ehe und zur Steigerung der Verantwortlichkeit der Männer im Geschlechtsverkehr begrüßt werden muß. Kinder unter elterlicher Gewalt bedürfen zur Eheschließung nicht nur der Zustimmung des Vaters, sondern auch der Mutter (Art. 109, Abs. 1), und bevormundete Personen der Zustimmung des Vormundes (Art. 109, Abs. 2). Mit der letztern Vorschrift wird das Requisit des vormundschaftlichen Ehekonsenses, das schon jetzt für ehefähige Personen, die noch nicht mündig sind, besteht, zur Bewahrung der Eheschließung vor Mißbrauch verallgemeinert. Der Gefahr aber eines Mißbrauches der amtlichen Gewalt begegnet der Zusatz, daß gegen die Verweigerung der Zustimmung ein Rekurs an das Bundesgericht erhoben werden kann, das zu prüfen haben wird, ob die Vormundschaftsbehörde die Einwilligung aus Gründen, die das Wesen der Ehe betreffen, oder aus andern und deshalb unzulässigen, verweigert habe (Art. 109, Abs. 3).
Die Regelung des Eheschließungsaktes entspricht dem geltenden Bundesrecht. Anzuführen ist nur, daß bei dem Verbot der kirchlichen Trauungsfeierlichkeit vor der zivilstandsamtlichen Handlung ein Zusatz Aufnahme fand, der sagt, im übrigen bleibe die kirchliche Ehe als solche von den Bestimmungen dieses Gesetzes unberührt (Art. 126). Das Zivilrecht will damit die Auffassung ablehnen, als würde durch seine Vorschriften die kirchliche Trauungsfeierlichkeit verboten oder in ihrer religiösen Bedeutung für die Beteiligten herabgewürdigt. Wenn es die kirchliche Feier vor der Zivilstandstrauung verbietet, so greift es ja allerdings in den sonst festgehaltenen Grundsatz ein, daß die religiösen Handlungen, so lange sie nicht selbst das Recht verletzen, von dessen Vorschriften ebenso unabhängig sein sollen, wie diese von jenen. Dieser Eingriff ist gewiß der guten Ordnung halber und im Interesse der Beteiligten selber absolut notwendig, allein er enthält doch ein Gebot, das weiter geht, als gewöhnlich den kirchlichen Gebräuchen gegenüber gegangen wird, wie denn beispielsweise noch niemandem eingefallen ist, die Vornahme der Taufe vor der Anzeige der Geburt beim Zivilstandsamt zu untersagen. Es erscheint daher nicht unangemessen, durch die Anfügung der genannten Klausel die erwähnten Bedenken zu beseitigen.
Bei der Ordnung der Ungültigkeit geschlossener Ehen konnte ebenfalls das geltende Recht durchweg beibehalten werden. Einer



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Ergänzung bedurfte es nur hinsichtlich der Anfechtung bei Fehlern im Ehewillen (Irrtum, Betrug, Zwang). Es erwies sich in der Praxis als ungenügend, einfach auf die im Obligationenrecht gebrauchten Ausdrücke abzustellen, indem eine Erläuterung oder Ergänzung nach den Vorschriften des letztern in diesen Ehesachen nicht wohl angeht. Die sorgfältige Ordnung, die nun vorgeschlagen ist (Art. 131 bis 135), wird es ermöglichen, den nicht so seltenen Fällen gerecht zu werden, in denen man bisher wohl oder übel mit der Ehescheidung sich behelfen mußte, während doch offenbar die Ungültigerklärung der Ehe nicht nur dem Rechte besser entspricht, sondern auch für die Beteiligten eine angemessenere Lösung darstellt.
2. Die Ehescheidung.
Auch bei der Ordnung der Ehescheidung war der Entwurf in der Lage, sich an das bereits geltende Bundesrecht anschließen zu können.
Die speziellen Ehescheidungsgründe wurden mit einigen im wesentlichen nur redaktionellen Abänderungen und Ergänzungen beibehalten (Art. 144 bis 148). Der generelle Scheidungsgrund, der im geltenden Recht in zwei Formen aufgestellt ist (Art. 45 und 47 des Bundesgesetzes), wurde in einen Artikel (149) zusammengefasst, womit eine Reihe von Interpretationsschwierigkeiten beseitigt wird.
Ebenso entspricht die Regelung der Scheidungsklage und des Scheidungsurteils dem geltenden Rechte. Allein hier erwies es sich nun doch als notwendig, eine Modifikation weniger des geltenden Gesetzes als der auf diesem aufgebauten Praxis anzubringen. Bekanntlich gestattet der zitierte Art. 47 dem Richter, unter gewissen Voraussetzungen anstatt auf Aufhebung des Ehebandes auf zeitweilige Trennung der Ehegatten zu erkennen. Dies wurde in kantonalen Einführungsgesetzen, unter Bestätigung seitens des Bundesrates (Bundesbl. 1876, II, S. 81), und in der kantonalen Gerichtspraxis anfänglich so aufgefaßt, daß ein Ehegatte befugt sei, auf solche Trennung zu klagen, bis dann durch die Rechtssprechung des Bundesgerichts (insbesondere Bundesgerichtliche Entscheidungen III, S. 373) eine solche Klage auf Trennung als unzulässig bezeichnet worden ist. Mochte dies auch dem Wortlaute der Gesetzesbestimmung (namentlich im französischen Text) entsprechen, so schließt es doch einen Zwang für die Ehegatten in sich, der nicht gerechtfertigt ist. Es gibt Fälle, in denen die Ehegatten beidseitig an einer völligen Aufhebung des Ehebandes kein Interesse haben, ja wo sie umgekehrt, sei es wegen der Kinder



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oder aus religiösen Bedenken, nur getrennt sein wollen, und eine völlige Aufhebung der Ehe von sich weisen, um lieber die unerträglich gewordene Ehe weiter zu führen, als zur völligen Scheidung die Hand zu bieten. Weshalb soll das Gesetz sie nun zu der Alternative: Klage auf völlige Scheidung oder gar keine Scheidung, zwingen? Man kann dafür keinen rechten Grund finden, sobald zwei Kautelen angefügt werden. Einmal darf die richterliche Aufhebung des Ehebandes nur dann ausgeschlossen sein, wenn weder der klagende noch der beklagte Ehegatte diese verlangen, beide also mit der bloßen Trennung sich einverstanden erklären. Sodann ist, auch wenn der Richter nur auf Trennung erkennt, eine zeitliche Beschränkung für dieselbe durchaus beizubehalten. In solcher Gestalt führt der Entwurf eine Klage auf Trennung der Ehegatten neben der Klage auf Scheidung der Ehe neu ein (Art. 150), indem er zugleich die Trennung in dem Sinne auf das Maximum von drei Jahren begrenzt, daß nach deren Ablauf jeder Ehegatte, also auch der beklagte, die Scheidung verlangen kann, die alsdann vom Richter auf Grund des früheren Tatbestandes, wenn nicht inzwischen der Scheidungsgrund weggefallen ist, ausgesprochen werden muß. Wird auf Scheidung geklagt oder verlangt der beklagte Ehegatte bei Klage auf Trennung entweder deren Abweisung oder die Scheidung, so soll der Richter die Trennung nur dann verfügen dürfen, wenn einige Aussicht auf die Wiedervereinigung der Ehegatten vorhanden ist. Die Beschränkung des Trennungsurteils auf die Fälle des allgemeinen Scheidungsgrundes hat der Entwurf fallen lassen, weil tatsächlich das Vorhandensein eines speziellen Grundes meistens auch die Existenz des generellen in sich schließt, und weil, sobald eine Klage auf Trennung anerkannt wird und bei Einverständnis beider Ehegatten nur auf Trennung erkannt werden kann, die Einschränkung der Trennungsmöglichkeit auf den generellen Scheidungsgrund keinen rechten Sinn mehr hat (Art. 153 bis 155).
Neu sind im Scheidungsrecht des Entwurfes die Vorschriften über die Nebenfolgen der Scheidung, deren Ordnung das geltende Recht der kantonalen Kompetenz überlassen mußte. Sie betreffen: Die Entschädigung, der bei schwerer Verletzung der persönlichen Verhältnisse eine Genugtuungsleistung beigefügt werden kann, und unter Umständen eine Unterhaltsleistung, die der vermögliche Teil, auch wenn ihn keine Schuld trifft, dem dürftigen zu entrichten hat (Art. 158 bis 160). Sodann die güterrechtliche Auseinandersetzung, die bei allen Güterständen zum Auseinanderfallen des Frauen- und des Mannesgutes führt, unter Verantwortung des Mannes für das Frauengut und unter Teilung oder Zuweisung



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des Vorschlages nach Maßgabe des Güterstandes (Art. 161 und 162). Weiter die Ordnung der Elternrechte, die der Entwurf, weil keine der sonst etwa aufgestellten Vorschriften in allen Fällen Unbilligkeiten zu vermeiden vermag, in das Ermessen des Richters legt (Art. 163 und 164). Auf den Stand der Ehefrau übt die Scheidung keinen Einfluß aus. Für die Regel nimmt sie den Namen, den sie vor der Heirat getragen hat, wieder auf (Art. 156). Die dem schuldigen Ehegatten aufzuerlegende Wartefrist von höchstens zwei Jahren kann bei Ehebruch auf drei Jahre ausgedehnt werden (Art. 157), eine Bestimmung, die den Gründen, aus denen für diesen Scheidungsfall vielfach das gänzliche Verbot der Ehe mit dem Mitschuldigen befürwortet wird, eine in diesem Umfange wohlbegründete Rücksicht tragen will.
Endlich hat der Entwurf auch die Vorschriften über das Verfahren ergänzt, um eine möglichst gleichmäßige und gerechte Durchführung des materiellen Scheidungsrechtes herzustellen. Das geltende Bundesrecht kennt nur Vorschriften über die vorsorglichen Maßregeln und den Gerichtsstand. Beigefügt sind nun noch: Die Verpflichtung des Richters, sich durch eigene Prüfung von der Richtigkeit des von den Parteien angebrachten Tatbestandes zu überzeugen, die Ausschließung des Eides zur Erwahrung solcher Tatsachen, die Freiheit des Richters gegenüber Parteierklärungen irgendwelcher Art, die freie Beweiswürdigung und die Notwendigkeit der richterlichen Genehmigung für irgendwelche Abmachungen der Parteien über die Nebenfolgen (Art. 165).
3. Die Wirkungen der Ehe.
Der Entwurf handelt von den Wirkungen der Ehe im allgemeinen im fünften Titel, um im sechsten die Ordnung der verschiedenen Güterstände anzufügen. Der erstere enthält die Regeln, die unabhängig vom Güterstand oder unter allen Güterständen Geltung haben, und die Vorschriften über das Bestehen des einen oder andern Güterstandes.
Der Entwurf ordnet in erster Linie die Rechte und Pflichten der Ehegatten im allgemeinen, stellt ihre Vertretungsbefugnisse fest, soweit der Verkehr hieran ein Interesse hat, und räumt hierbei der Ehefrau zur Führung des Haushaltes eine weitreichende Selbständigkeit ein, die unsern Sitten durchaus entspricht und daher auch der Ehefrau nur in Ausnahmefällen entzogen werden kann (Art. 166 bis 173). Daran reihen sich Vorschriften über die selbständige Ausübung eines Berufes oder Gewerbes, die der Ehefrau gestattet sein soll, soweit es mit den Interessen der ehe-



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lichen Gemeinschaft verträglich ist (Art. 174 und 175), und über den Schutz der Gemeinschaft (Art. 177 bis 180). Was in letzterer Hinsicht vom Entwurfe vorgesehen wird, entspricht zum Teil schon bestehendem und allgemein anerkanntem Rechte, wie betreffend die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft im Falle der Gefährdung eines Ehegatten durch das Zusammenleben mit dem andern. Neue Maßregeln aber werden namentlich für städtische Verhältnisse als ein Bedürfnis empfunden. Der Entwurf sieht diesfalls insbesondere vor, daß, wenn der Ehemann die Sorge für Weib und Kind vernachlässigt, sein Schuldner, wie namentlich der Arbeitsherr, richterlich angewiesen werden kann, den Lohn der Ehefrau zu entrichten (Art. 179). Andere Maßregeln werden in das Ermessen des Richters gestellt (Art. 192). Wer richterliche Mißgriffe befürchtet, darf nicht übersehen, daß ein Eingreifen von Amtes wegen nicht vorgeschrieben wird. Es bedarf eines Begehrens des verletzten Ehegatten, namentlich der Ehefrau, um den Richter in Tätigkeit zu versetzen, und liegt ein solches vor, so geht es nicht an, eine amtliche Hülfe zu verweigern. Sie wird auch im geltenden Rechte gar nicht versagt, nur verlangt man gleich ein Vorgehen mit Scheidungsklage, mit Entziehung der elterlichen Gewalt, mit Bevormundung u. dgl. Und doch läßt es sich auch kaum bezweifeln, daß in gar vielen Fällen durch ein milderes Einschreiten dem gröbsten Unfug noch bei Zeiten gesteuert werden kann, und daß einem erfahrenen und wohlwollenden Richter damit in häufigen Fällen Gelegenheit gegeben sein wird, eine erträgliche Gemeinschaft unter den Ehegatten wieder herzustellen. Zum Schutze der Gemeinschaft dienen im weitern auch die Einschränkungen der Zwangsvollstreckung unter Ehegatten (Art. 181 bis 184).
Der Entwurf spricht sich in diesem Abschnitte darüber nicht aus, ob die Ehefrau handlungsfähig sei oder nicht. Allein dieses Schweigen enthält deutlich die Bestätigung ihrer Handlungsfähigkeit. Nach der Aufhebung der Geschlechtsvormundschaft über die unverheirateten Frauen geht es grundsätzlich nicht an, den Ehefrauen die Handlungsfähigkeit zu versagen. So hat der Entwurf denn auch keine Bedenken, der Ehefrau prinzipiell die Berufsfreiheit (Art. 174), die Prozeßfähigkeit (Art. 176) und das Recht der Vertragsschließung mit dem Ehemann einzuräumen, wobei die Eingehung von Rechtsgeschäften unter Ehegatten nur insofern beschränkt ist, als bei der Verfügung über das eingebrachte Frauengut oder das Gemeinschaftsgut zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung der Vormundschaftsbehörde verlangt wird und für die Wirksamkeit Dritten gegenüber die Eintragung in das Ehegutsregister vorgesehen ist (Art. 185), die in diesen Fällen mithin, anders als beim Ehe-



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vertrag, auch während der Ehe stattfinden darf. Nun ist aber die Ehefrau, wenngleich sie nicht unter die Vormundschaft des Ehemannes gestellt wird, eben doch nicht mehr "ledig". Sie ist gebunden an die Gemeinschaft und hat dieser ihre Kräfte und Mittel zu widmen. Der Ehemann trägt nach der bei uns allgemein verbreiteten Rechtsauffassung allerdings die Lasten der Ehe. Er kann aber von der Ehefrau verlangen, daß sie ihm Beistand leiste, daß sie den Interessen der Gemeinschaft nicht zuwider handle. Dies führt zur Einschränkung der Berufsbetreibung durch die Ehefrau (Art. 174) und ferner zu den güterrechtlichen Beschränkungen, die in allen Güterständen vorhanden sind, wenn auch nicht bei allen im selben Umfange. Die handlungsfähige Ehefrau ist also gebunden durch die Interessen der Gemeinschaft und durch den Güterstand. Man darf füglich sagen, daß auch die heute noch bestehende eheliche Vormundschaft der kantonalen Rechte eigentlich nur als das Mittel aufzufassen ist, das diese gleiche Gebundenheit herstellen soll. Das moderne Recht ist, nach der Aufhebung der Geschlechtsvormundschaft, nur veranlaßt, die beiden Arten der Gebundenheit (Vormundschaft und eheliches Güterrecht) besser als das frühere zu unterscheiden.
Den Güterstand sollen die Ehegatten frei wählen können (Art. 186), und zwar, wenn sie vor der Trauung einen Vertrag abschließen und in das Ehegutsregister eintragen lassen, mit Wirkung Dritten gegenüber, nachher nur in der Bedeutung einer innern Regelung, die einzig für die Ehegatten selbst und ihre Erben wirksam ist. In der Westschweiz und in beiden Basel ist diese Vertragsfreiheit schon längst anerkannt, während die Zentral- und Ostschweiz sich bishin dagegen ablehnend verhalten hat. Dennoch stehen wir nicht an, diese Institution für das einheitliche Recht in Vorschlag zu bringen. Wo der Vertrag nicht in die Rechtssitten übergegangen ist, wird man sich nach wie vor mit dem gesetzlichen Güterrecht behelfen. Ein Zwang, der Vertragsfreiheit sich zu bedienen, besteht ja nicht. Bei der sich mehrenden Vielgestaltigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse werden aber immer häufiger Fälle vorkommen, wo die Möglichkeit der Aufstellung eines Ehevertrages als große Wohltat empfunden wird. Die Interessen Dritter, also der Gläubiger der Ehegatten, wahrt die Vorschrift, daß der Vertrag ihnen gegenüber nur mit der Eintragung in das Ehegutsregister und der Veröffentlichung Wirkung erhält. Der Besorgnis aber, daß aus dieser Freiheit eine unentwirrbare Mannigfaltigkeit der Güterrechtsverhältnisse erwachsen könnte, begegnet der Entwurf dadurch, daß die hauptsächlichsten Güterrechtssysteme im Gesetze selber einläßlich geordnet werden und die Ehegatten ihrem Vertrag eines dieser Systeme zu Grunde legen müssen (Art. 186, Abs. 2).



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Man darf nun freilich niemals erwarten, daß sehr häufig solche Eheverträge vorkommen werden. Die weitaus größte Zahl der Ehen wird auch unter dem neuen Recht ohne Ehevertrag leben, wenigstens ohne einen solchen, der Dritten gegenüber wirksam wäre. Daraus ergibt sich die Wichtigkeit der Aufstellung des subsidiären oder, wie der Entwurf sagt, ordentlichen Güterstandes. Als solchen bringt der Entwurf die Güterverbindung in Vorschlag (Art. 187), d. h. das System, wonach der Ehemann die Verwaltung und Nutznießung des Frauengutes erhält, der Ehefrau aber für ihr Eigentum verantwortlich wird. Dieses System besteht für das beidseitig eingebrachte Gut bereits in 15 Kantonen oder Halbkantonen, während die Gütergemeinschaft nur im Thurgau, beiden Basel, in Genf und im Berner Jura, die Gütereinheit (mit Eigentum des Mannes am gesamten Gut) nur in Bern, alter Kantonsteil, und Aargau und, auf das Mobiliarvermögen beschränkt, in Waadt und Freiburg, die Gütertrennung aber einzig in Tessin Geltung hat. Abgesehen von dieser Anlehnung an die Überlieferung empfiehlt sich die Güterverbindung als ordentlicher Güterstand auch aus dem Grunde, weil sie die wirtschaftliche Einheit der Ehe unter der Leitung des Ehemannes, d. h. dasjenige, was für die große Mehrzahl unsres Volkes unumgängliches Bedürfnis ist, wahrt, ohne weiter als notwendig in die Rechte der Ehefrau einzugreifen. Überdies wird dieser Güterstand dadurch noch für die Ehefrau erträglicher gemacht, daß sie, wie in Art. 189 vorgesehen und schon in vielen kantonalen Rechten anerkannt, zu ihrer Sicherheit jederzeit eine Trennung herbeiführen kann, und daß ihr beim Tode des Ehemannes ein erheblicher Teil des Vorschlages zugewiesen ist (Art. 230).
Von Gesetzes wegen kann außerordentlicherweise auch ein anderer Güterstand, d. h. die Gütertrennung, eintreten, sei es direkt (bei Konkurs) oder auf Begehren eines Ehegatten oder eines ihrer Gläubiger unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen (Art. 189 ff.).
Eine Ausnahme vom ordentlichen Güterstand wird weiter auch durch die Vorschriften über das Sondergut herbeigeführt, als welches von Gesetzes wegen die Gegenstände, die einem Ehegatten ausschließlich zu persönlichem Gebrauche dienen, die Vermögenswerte der Frau, mit denen sie einen Beruf oder ein Gewerbe betreibt, und der Arbeitserwerb der Ehefrau anerkannt werden (Art. 198). Dieses gesetzliche Sondergut, wie dasjenige, was einem Ehegatten von Dritten als Sondergut zugewendet oder durch Ehevertrag als solches bezeichnet wird (Art. 197), steht unter den Regeln der Gütertrennung. Es kann damit also eine partielle Güter-



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trennung geschaffen werden, für die jedoch dieselben Kautelen gelten wie für den Ehevertrag überhaupt. Die Anerkennung des Arbeitserwerbes der Ehefrau als Sondergut kann sich natürlich nur auf den Erwerb beziehen, der von der Ehefrau in selbständiger Arbeit, wie im Beruf oder Gewerbe, gemacht wird, und nicht in ihrer Tätigkeit als Vertreterin der Gemeinschaft oder Gehülfin des Mannes in seinem Gewerbe. In letztern Fällen arbeitet sie überall eben für das eheliche Vermögen, und ihr Erwerb fällt, je nach dem Güterstand, der Gemeinschaft oder dem Manne zu. Wo dagegen die Ehefrau im eigenen Beruf oder als Arbeiterin im Tag- oder Wochenlohn oder als Angestellte in einem Geschäft oder Gewerbe tätig ist, da erheischt es die Billigkeit, daß ihr eine Sondergutsstellung gewährt werde. Indessen wird sie dadurch nicht von der Pflicht befreit, aus ihrem Erwerb an die Lasten der Ehe beizutragen.
In bezug auf die Vorschriften über den Ehevertrag und das Ehegutsregister können wir uns damit begnügen, darauf hinzuweisen, daß diese Regelung einerseits die Fürsorge für die Kontrahenten selbst vor unlautern Machenschaften und anderseits den Schutz gutgläubiger Dritter im Auge hat (Art. 201 ff., 205 ff.).
4. Die Güterstände.
Der Entwurf ordnet drei prinzipiell verschiedene Güterstände: Die Güterverbindung (Art. 209 ff.), die zur Geltung kommt, wenn kein Ehevertrag abgeschlossen ist, die Gütergemeinschaft (Art. 231 ff.) und die Gütertrennung (Art. 256 ff.). Doch sieht das Gesetz bei jedem wieder die Möglichkeit einer Modifikation vor. Bei der Gütertrennung kann der Ehemann aus dem Vermögen der Ehefrau eine Ehesteuer, d. h. eine Dos erhalten, die er in Verwaltung und Nutznießung nimmt (Art. 261). Bei der Gütergemeinschaft kann die Gemeinschaft auf einen Teil des Gutes, z. B. auf die Mobiliarwerte oder die Errungenschaft, beschränkt werden (Art. 252 ff.). In beiden Systemen muß aber eine solche Abrede, um Dritten gegenüber wirksam zu sein, vor dem Eheabschluß getroffen sein (Art. 186). Unter der Güterverbindung sodann kann vor Eingehung der Ehe oder bei jedem Anfall von Vermögen an die Frau aus Schenkung oder Erbgang in den Formen des Ehevertrages festgesetzt werden, daß das Vermögen der Frau in das Eigentum des Mannes übergehen solle, wogegen dieser für dessen Wert Schuldner der Frau wird (Art. 214). Diese Abrede vollzieht sich auf Grund einer Inventaraufnahme über das angefallene Frauengut (Art. 212) und kann nur während der ersten sechs Monate nach



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der Eheschließung oder dem Vermögensanfall getroffen werden. Auf solche Weise wird es den Ehegatten ermöglicht, die von ihnen gewünschte Vereinigung der Güter im Eigentum des Mannes ohne lästige Förmlichkeit durchzuführen, und die Gebiete, in denen diese Ordnung althergebrachtes gesetzliches Güterrecht ist, wie Bern, alter Kantonsteil, und Aargau, vermögen ihr bisheriges Recht als Vertragsrecht fortzusetzen.
Durch den Abschluß der Ehe erhält der Ehemann unter der Güterverbindung die Verwaltung und Nutznießung am Frauengut. Die hierin liegende Gefahr für das Frauengut wird dadurch gemildert, daß die Ehefrau jederzeit ohne Gefährdungsnachweis vom Ehemann Sicherstellung und, wenn diese nicht geleistet wird, die Gütertrennung verlangen kann (Art. 220, 189). Der Mann verfügt über die Vermögenswerte des Frauengutes nicht ohne weiteres. Grundsätzlich soll die Verfügung nur mit Zustimmung der Frau gültig sein, sobald dadurch über die ordentliche Verwaltung hinausgegangen wird. Allein aus Rücksicht auf den gutgläubigen Verkehr muß eine Ausnahme anerkannt werden. Jeder darf vermuten, daß die Ehefrau der Verfügung zustimme, wenn ihm nichts anderes bekannt oder der Vermögenswert der Frau nicht für jedermann erkennbar als ihr Gut bezeichnet ist (Art. 217). Damit werden die Liegenschaften der Frau, die im Grundbuch auf ihren Namen eingetragen sind, ebenso aber auch die auf sie lautenden Kapitalbriefe u. a. m., der einseitigen Verfügungsgewalt des Ehemannes entzogen. Freie Disposition kommt der Ehefrau zu im Umfange ihrer Vertretungsmacht und ihres Sondergutes, im übrigen ist ihr die Verfügung über das Mannesgut ganz entzogen und über ihr eigenes Gut nur mit Zustimmung des Mannes gestattet (Art. 218).
Unter der Gütergemeinschaft sind die beiden Ehegatten Eigentümer des Gesamtgutes (Art. 231), der Ehemann aber hat die Verfügung über das Ganze in gleicher Weise wie unter der Güterverbindung über das Frauengut (Art. 233). Der Frau steht die Verfügung in demselben Umfange zu, sobald sie zur Vertretung befugt ist (Art. 232, Abs. 3) oder mit Zustimmung des Ehemannes handelt (Art. 233).
Soll unter der Güterverbindung über das Frauengut oder unter der Gütergemeinschaft über das Gesamtgut zwischen den Ehegatten selbst verhandelt werden, so bedarf das Geschäft zur Gültigkeit der Genehmigung der Vormundschaftsbehörde, eine Maßregel, die namentlich zum Schutze der Ehefrau aufgestellt ist (Art. 185).
Unter der Gütertrennung hat jeder Ehegatte sein Vermögen in Eigentum, Verwaltung und Nutzung (Art. 257). Die Frau kann zwar dem Ehemann ihr Vermögen auch hier zur Verwaltung über-



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geben, allein geschieht dies, so bedeutet es einen einfachen obligationenrechtlichen Auftrag.
Große Aufmerksamkeit widmet der Entwurf der Haftungsfrage. Unter der Güterverbindung ist der Ehemann für seine vorehelichen und für alle ehelichen Schulden ausschließlich haftbar, auch wenn sie von der Ehefrau in ihrer Vertretungsbefugnis eingegangen sind (Art. 221, 222). Die Ehefrau aber haftet mit ihrem ganzen Vermögen außer für ihre vorehelichen Schulden auch für diejenigen, die sie während der Ehe mit Zustimmung des Ehemannes eingeht (unter Einschluß derer, die sie zu seinen Gunsten auf sich nimmt), ferner für ihre Deliktsschulden und Berufs- oder Gewerbeschulden und subsidiär für die Haushaltungsschulden (Art. 223). Für alle andern dagegen ist sie nur im Wertbetrage ihres Sondergutes haftbar, sowohl während als nach Auflösung der Ehe (Art. 224).
Unter der Gütergemeinschaft besteht die letztaufgeführte Ausnahme in gleicher Weise. Die andern Schulden von Mann und Frau aber werden Gemeinschaftspassiven, die zugleich persönliche Schulden des Ehemannes sind, während die Ehefrau bei der Auflösung der Ehe alle Gemeinschaftsschulden, die nicht, wie namentlich ihre vorehelichen Schulden, ihre persönlichen Passiven sind, durch Verzicht auf die Gemeinschaft von sich abwälzen kann (Art. 235 bis 239 und 242).
Unter der Gütertrennung bleibt die Haftung beider Ehegatten getrennt, wie ihre Vermögen, ein Grundsatz, dem nur die Ausnahme angefügt ist, daß die Ehefrau für Haushaltungsschulden, die prinzipiell durchaus Schulden des Ehemannes sind, im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Mannes, wie unter der Güterverbindung, haftbar gemacht werden kann (Art. 258).
Im Konkurse des Ehemannes ist der Ehefrau die Stellung angewiesen, die den verschiedenen Systemen entspricht. Die in Gütertrennung lebende Ehefrau tritt eventuell als Gläubigerin des Ehemannes auf, die in Gemeinschaft stehende erhält die Quote vom Aktivergebnis, also meistens nichts, unter der Güterverbindung aber wird die Ehefrau für ihre Frauengutsforderung bis zur Hälfte des Wertbetrages des gesamten Frauengutes privilegiert (Art. 226, 227), während sie noch vorhandenes Gut als Eigentümerin in dem Sinne an sich zieht, daß sie alles, was sie auf diese Weise oder durch Pfandsicherung zurückbekommt, sich an der privilegierten Hälfte muß anrechnen lassen. Das gleiche Privileg steht unter der Gütertrennung auch der Forderung aus der Ehesteuer zu (Art. 261).
Die größte Verschiedenheit der Systeme tritt bei der Auflösung der Ehe zu tage. Die Güterverbindung zerfällt in ihre



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Bestandteile, Mannesgut und Frauengut. Allein als Basis der Auseinandersetzung dient das Vermögen des Mannes, der während der Ehe die Güter zusammengehalten hat. Also wird aus seiner wirtschaftlichen Herrschaft heraus das Frauengut an die Witwe oder die Erben der Frau herausgegeben. Fehlt etwas daran, so ist es aus dem Mannesgut zu ersetzen. Immerhin läßt der Entwurf die Einrede zu, daß die Ehefrau den Rückschlag verursacht habe, wie zum Beispiel wenn wegen einer unerlaubten Handlung der Ehefrau Schadenersatz geleistet werden mußte. Ebenso wird für das ohne Schuld des Mannes verloren gegangene Gut kein Ersatz geleistet, wobei aber wieder der Ehemann oder sein Erbe beweispflichtig ist (Art. 228, 229, 216). Der Überschuß über das Frauengut und Mannesgut hinaus gehört grundsätzlich dem Manne. Allein man wird sich der Erwägung kaum verschließen, daß die Ehefrau mit ihrer persönlichen Arbeit oder mit dem Ertrage des Frauengutes eben doch wesentlich mitgeholfen haben kann an der Bildung dieses Vorschlages und sucht deshalb nach einem billigen Ausgleiche. Fünf kantonale Rechte finden diesen in der Aufnahme der Errungenschaftsgemeinschaft. Andere verweisen zur Ausgleichung auf das Erbrecht. Der Entwurf kennt zwar auch ein Erbrecht des überlebenden Ehegatten, das aber, weil es dem Manne wie der Frau gegeben ist, nicht die gewollte Wirkung herbeizuführen vermag. Deshalb verleiht er darüber hinaus der Ehefrau einen Anspruch am Vorschlag, wobei dann auch den Nachkommen der Mutter das gleiche Recht nicht wohl versagt werden kann. Die Frau soll also, wenn der Mann stirbt, die Nachkommen sollen, wenn die Mutter stirbt, einen Teil des Vorschlages zu Eigentum zu beanspruchen haben, der ihnen, nach Deckung des Mannes- und Frauengutes, zu verabfolgen ist und durch Art. 230 auf einen Dritteil angesetzt wird, in der Annahme, daß, wo diese Teilung den Verhältnissen nicht entspricht, die Beteiligten eine andere Zuwendung durch Ehevertrag oder Verfügung von Todes wegen anordnen werden.
Unter der Gütergemeinschaft erfolgt die Liquidation des Gesamtgutes nach Quoten, und zwar, wenn es nicht anders verabredet wird, nach Hälften. Der Mann bleibt für alle Passiven haftbar, wird also den Erben seiner Frau nur die Hälfte des Reinvermögens herausgeben. Die Frau kann, wenn der Mann stirbt, sich von aller Haftung aus der Gemeinschaft frei machen, indem sie auf jeden Aktivanteil an der Gemeinschaft verzichtet (Art. 242). Diese Teilung ist für den Fall des Todes des einen oder andern Ehegatten als Regel vorgesehen (Art. 241). Häufig würde aber in ihr eine Verletzung der Interessen aller Beteiligten liegen, die nur dadurch vermieden wird, daß man ihnen die Fortsetzung der Gütergemeinschaft gestattet. Diese soll gegenüber unmündigen



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Kindern dem überlebenden Elternteil ohne weiteres zustehen (Art. 244). Sie führt zu einer Verschiebung der Teilung, wobei zwar die Quoten für die künftige Teilung unverändert so bleiben, wie sie beim Tode des ersten Ehegatten hätten gebildet werden müssen, in die Teilung aber das Gemeinschaftsvermögen in der Gestalt fällt, die es bei der Auflösung der Gemeinschaft hat (Art. 251). Gute Dienste wird diese fortgesetzte Gütergemeinschaft bei Gewerbebetrieben leisten, die weder eines der Kinder noch der überlebende Ehegatte allein zu übernehmen vermag, während die Fortsetzung auf der bisherigen Grundlage der Liquidation vorgezogen werden muß.
Die Liquidation der Gütertrennung bietet keine Schwierigkeiten, indem die Güter ja niemals vermischt waren. Die Ehesteuer wird zurückgenommen, wie das Frauengut unter der Güterverbindung (Art. 261).
Gegenüber diesen drei Systemen sind, wie schon oben angedeutet, Bedenken geäußert worden, es möchte das Nebeneinanderbestehen so verschiedener Güterrechte zu einer schädlichen Verwirrung und namentlich zur Benachteiligung der Gläubiger der Ehegatten führen. Allein dem gegenüber ist darauf hinzuweisen, daß die Länder, die, wie Frankreich und Deutschland, diese Vielgestaltigkeit bereits seit langem besitzen, von einer solchen Verwirrung durchaus nichts verspüren. Die Verträge mit güterrechtlicher Wirkung gegenüber Dritten sind im ganzen nicht so häufig und gehen meistens auf die Auseinanderhaltung der Güter, also in Frankreich, gegenüber der communauté légale, auf séparation des biens oder régime sans communauté. Dies aber bedeutet eine Vereinfachung der Verhältnisse und nicht eine Vermehrung der Schwierigkeiten. Ist nun während der Ehe der Güterstand Dritten gegenüber durch Vertrag nicht abzuändern, so bleibt für jede Ehe, wenn überhaupt von den gesetzlichen Folgen abgegangen wird, nur ein Vertrag für die Gläubiger von Bedeutung, und diesem kann durch das Ehegutsregister eine hinreichende Publizität gegeben werden (Art. 205 ff., 194). Die meisten Verträge werden sich im übrigen auf die Verhältnisse unter den Ehegatten selbst beziehen und die Witwenversorgung oder das Verhältnis von Kindern verschiedener Ehen betreffen, Abreden, an denen die Gläubiger gar kein Interesse haben. Die Vigilanz, die man mit der Zulassung eines der Publizität unterstellten Ehevertrages den Gläubigern zumutet, ist also doch wohl ein geringeres Übel als der Zwang, der alle Ehegatten unter den gleichen Güterstand stellt. Frankreich hat diese Freiheit für den Vertrag vor Eingehung der Ehe sogar ohne jedes Publizitätsverfahren. Deutschland läßt auf Grund alter Ueber-



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lieferungen den Abschluß, mit Wirkung gegenüber Dritten, sogar während der Ehe zu, im bürgerlichen Gesetzbuch unter Anfügung einer Publizitätsvorschrift. Italien folgt Frankreich, und Österreich kennt ebenfalls einen Ehevertrag, vorwiegend in Gestalt der freien Dosbestellung. Da sollte man doch erwarten dürfen, daß auch unsere Verkehrswelt tolerant und vigilant genug wäre, um sich nicht weiter gegen die Wohltat zu sträuben, die für eine große Zahl von Ehen darin gefunden werden muß, daß sie sich das Güterrecht nach ihren Bedürfnissen zurecht legen können. Wir leben nicht mehr in jenen einförmigen Verhältnissen, wie sie noch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts und in den Tagen, da die bestehenden Güterrechte ausgebildet oder neu geordnet worden sind, vorhanden waren. Die Vielgestaltigkeit des wirtschaftlichen Lebens vermehrt sich mit jedem Jahrzehnt. Die starre Gebundenheit würde sicherlich in immer stärkerm Maße als Übelstand empfunden, und wir schaffen für unsere Zeit wie für die Zukunft das bessere Recht, wenn wir in dem vorgeschlagenen bescheidenen Maße dem freien Ehevertrag auf Grund der Güterstände, die in dem Entwurfe ihre Entwicklung erfahren haben, zur Anerkennung verhelfen.
5. Eheliches Eltern- und Kindesrecht.
Die Begründung des ehelichen Eltern- und Kindesverhältnisses durch die Geburt bedarf im wesentlichen nur in bezug auf die Anfechtung der Ehelichkeit der rechtlichen Ordnung. Nach den Vorschriften über die Führung der Zivilstandsregister werden schon jetzt alle in der Ehe gebornen Kinder, mit Einschluß der während dreihundert Tagen nach ihrer Auflösung gebornen, ohne weiteres als ehelich eingetragen, und es besteht kein Grund, von dieser praktisch bewährten Regel abzugehen. Dann aber ist es notwendig, dem Ehemann die Anfechtung hinsichtlich der nicht in der Ehe gezeugten oder der während der ersten hundertundachtzig Tage nach Eingehung der Ehe gebornen Kinder zu erleichtern. Während er im allgemeinen die Verleugnung nur damit begründen kann, daß er unmöglich der Vater des Kindes sein könne (Art. 264), bedarf es in bezug auf jene Kinder nur einer Ablehnung der Vaterschaft (Art. 265), der gegenüber der Ehefrau freilich der Nachweis nicht versagt werden kann, daß das Kind eben doch von dem spätern Ehemann gezeugt sei. In solcher Umgrenzung und mit der Befristung auf drei Monate, die mit der Kenntnis von der Geburt zu laufen beginnen, unter Zulassung einer spätern Klage aus wichtigen Gründen, ist zur Anfechtung regelmäßig nur der Ehemann berechtigt, jedenfalls niemand neben ihm. Allein in den



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Fällen, wo er nicht klagen kann, weil er handlungsunfähig oder unbekannten Aufenthalts ist, entsteht die Frage, ob nicht noch ein weiteres Anfechtungsrecht anzuerkennen sei, und zwar abgesehen von dem Fall, wo eine bereits vom Ehemann erhobene Klage sich auf seine Erben überträgt. Die Gründe zur Bejahung dieser Frage scheinen uns zu überwiegen, und so gibt der Entwurf die Anfechtung allen, die neben oder hinter dem Kinde erbberechtigt sein können, also auch dem Staate (Art. 266).
Neben der ehelichen Abstammung muß jedenfalls auch die Ehelicherklärung (Legitimation) als Entstehungsgrund des Kindesverhältnisses anerkannt werden, und zwar einmal auf Grund nachfolgender Ehe, wie schon jetzt nach Bundesrecht, dann aber auch mit behördlicher Erklärung, trotzdem diese zurzeit nur in wenigen Kantonen eingeführt ist. Sie soll da Platz greifen, wo die Eltern eines unehelichen Kindes sich wegen Todes oder Handlungsunfähigkeit des einen nicht heiraten können (Art. 270). Eine weitere Ausdehnung ist nicht geboten, weil in andern Fällen mit der Anerkennung des außerehelichen Kindes, wenn sie auch das Kind nicht zum ehelichen macht, genügend geholfen werden kann. Dagegen wird in der vorgeschlagenen Umschränkung das Institut einem wirklichen Bedürfnis entgegenkommen.
Auch die Kindesannahme wird man im einheitlichen Rechte nicht entbehren wollen, obgleich nicht erwartet werden darf, daß häufig von ihr Gebrauch gemacht werde. Die Voraussetzungen sind im Entwurfe (Art. 274 ff.) den geltenden Rechten nachgebildet. Die Form ist gegenüber diesen erleichtert (Art. 277). Die vorgeschriebene behördliche Genehmigung (Art. 277, Abs. 2) soll sich nicht auf die Prüfung der formalen Erfordernisse beschränken, sondern den gesamten Charakter des Falles in Betracht ziehen. Wo die Adoption dem Adoptivkinde zum Nachteil gereichen würde, ist die Einwilligung zu verweigern. Aufhebung des Verhältnisses ist vorgesehen auf Grund von Vereinbarung oder einseitig aus wichtigen Gründen (Art. 279).
Mit bezug auf die Wirkungen des Eltern- und Kindesverhältnisses unterscheidet der Entwurf (in drei Abschnitten): Die Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern, die in der Namens- und Bürgerrechtsgemeinschaft, sowie in der Unterhalts- und Unterstützungspflicht Ausdruck findet (Art. 280 bis 282) und von dem Alter des Kindes ganz unabhängig ist, sodann die elterliche Gewalt und die elterlichen Vermögensrechte.
Mit Hinsicht auf die elterliche Gewalt hat der Entwurf die in den geltenden Rechten vorwaltende, aus einer Vermengung



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von alten Überlieferungen mit römischrechtlichen Anschauungen hervorgegangene Unterscheidung von väterlicher Gewalt und väterlicher Vormundschaft fallen lassen. Er spricht nur von elterlicher Gewalt und umfaßt mit dieser auch die sogenannte Vormundschaft der Eltern. Die elterliche Gewalt steht dem Vater und der Mutter gemeinsam zu, in dem Sinne, daß sie der Vater in leitender Stellung ausübt, solange er nicht faktisch oder rechtlich daran gehindert ist (Art. 284). Tritt dieser Fall ein, so übt die Mutter von Gesetzes wegen die Gewalt aus. Zeitlich begrenzt sich diese Ausübung auf das Alter der Mündigkeit. Nur dann soll auch ein mündiges Kind unter elterlicher Gewalt gehalten werden können, wenn es trotz seiner Mündigkeit nach Vovmundschaftsrecht unter die Vormundschaft gehören würde (Art. 283). Der Inhalt der elterlichen Gewalt entspricht dem geltenden Recht (Art. 285 bis 293). Besondere Betonung erfährt die Pflicht der Eltern, indem gegenüber nachlässigen Eltern ein energisches Vorgehen der Behörden vorgesehen wird (Art. 294 f.). Mit dem Willen der Eltern, oder auch bei deren pflichtwidrigem Verhalten gegen ihren Willen, kann die Behörde das Kind in einer Anstalt oder einer geeigneten Familie versorgen. Auch andere Maßregeln, wie Unterbringung in eine Lehre oder Schule, sind zulässig. Das letzte Mittel aber besteht in der völligen Entziehung der Gewalt, die, außer bei schwerer Vernachlässigung der elterlichen Pflicht, auch bei Wiederverheiratung eines Vaters oder einer Mutter angeordnet werden kann (Art. 296, 298). Die Kompetenz der Aufsichtsbehörden bewegt sich hiernach allerdings in weiten Grenzen. Allein jede formalere Umschreibung würde nach anderer Richtung Übelstände mit sich bringen, denen ein freierer Spielraum für die amtlichen Maßregeln vorzuziehen ist. Gegen die Willkür der vormundschaftlichen Organe haben die Eltern eine Beschwerde an den Richter (Art. 297).
Elterliche Vermögensrechte sind die Verwaltung und die Nutzung des Kindesvermögens. Beides steht den Eltern für die Regel zu, und zwar sollen die Nutzungen dem Vermögen zufallen, aus dem der Unterhalt der Kinder bestritten wird, sei es Vatergut, Gemeinschaftsgut oder, nach dem Tode des Vaters, Muttergut (Art. 302 ff.). Frei von der elterlichen Nutzung ist das Kindesvermögen, das dem Kinde ausdrücklich oder übungsgemäß (Spargeld) in diesem Sinne zugewendet wird (Art. 304). Frei auch von der elterlichen Verwaltung ist der Erwerb des Kindes aus eigener Arbeit dann, wenn das Kind mit Zustimmung der Eltern außerhalb der häuslichen Gemeinschaft lebt (Art. 305). Die Frage ist nicht leicht zweckmäßiger zu ordnen. Man kann freilich auch an Fälle denken, wo durch eine solche Bestimmung die Kinder veranlaßt werden, aus der Gemeinschaft mit der Familie allzu früh auszu-



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scheiden. Allein wenn man bedenkt, daß von der Bestimmung nur Kinder unter elterlicher Gewalt betroffen werden, so darf man darauf vertrauen, daß die Eltern Autorität genug besitzen werden, um schlimmen Tendenzen in dieser Richtung zeitig entgegenzutreten. Auch schließen die angeführten Regeln selbstverständlich andere Vereinbarungen der Eltern mit den Kindern, wie Bezahlung eines Kostgeldes unter Überlassung alles übrigen an das Kind, nicht aus. Unter diese Abmachungen gehört der Fall, wo die Eltern dem Kinde von seinem Vermögen Beträge zum Betriebe eines selbständigen Berufes herausgeben, indem solches Gut unter Vorbehalt anderer Abrede ebenfalls in die freie Verwaltung und Nutzung des Kindes fällt, wie es denn auch für die in dieser Stellung begründeten Passiven persönlich verantwortlich ist (Art. 306, 291, 420).
Der Zusammenhang zwischen elterlicher Gewalt und elterlichen Vermögensrechten muß jedenfalls in der Art gewahrt werden, daß die behördlichen Maßregeln gegenüber dem Gewaltinhaber auch die Vermögensrechte beeinflussen. So kann den Eltern die Verwaltung über das Kindesvermögen oder auch die Nutzung entzogen oder über sie eine vormundschaftliche Kontrolle verhängt werden, indem ihre elterliche Gewalt beschränkt wird (Art. 307 f.). Im allgemeinen hören die elterlichen Vermögensrechte mit dem Aufhören der Gewalt von selbst auf. Nur wenn die elterliche Gewalt den Eltern ohne ihr Verschulden entzogen werden muß, rechtfertigt sich die Ausnahme, daß diesen die Nutzung verbleibt, soweit sie nicht von der vormundschaftlichen Verwaltung für den Unterhalt und die Erziehung der Kinder verwendet wird (Art. 308). Erbrechtliche Nutzungen (z. B. nach Art. 470) sind hiervon natürlich ausgenommen, sie bestehen ohne Rücksicht auf das Vorhandensein der elterlichen Gewalt.
Mit bezug auf die Haftung der Eltern für das Kindesgut, die Restitution und das Vorrecht der Ersatzforderungen im Konkurse der Eltern schließt sich der Entwurf dem geltenden Rechte an (Art. 309 ff.).
Will man die Stellung der Eltern zum Kindesvermögen nach dem Entwurf mit den geltenden kantonalen Rechten vergleichen, so darf die Ordnung in diesen Abschnitten nicht für sich allein ins Auge gefaßt werden. Die kantonalen Rechte gestalten manches güterrechtlich oder erbrechtlich, was nach dem Entwurfe rein elternrechtlich beurteilt werden muß. Gibt der Entwurf den Eltern größere Freiheit, als viele kantonale Rechte es im Elternrechte tun, so räumen diese dann den Eltern oder wenigstens dem Vater um so größere ehelichgüterrechtliche Befugnisse ein. Für den Hauptfall, wo Kinder Vermögen haben, nämlich nach dem Tode eines



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der Eltern, gehen die Kantone in größerer Zahl weiter in den Befugnissen des überlebenden Elternteiles als der Entwurf, der die elterlichen Vermögensrechte in allen Fällen als Begleiterscheinung der Unterhalts- und Erziehungspflicht der Eltern behandelt und das Kind vor einer eigennützigen Ausbeutung durch die Eltern soweit zu schützen sucht, als dies mit dem Grundsatz der Autorität der Eltern über die Kinder vereinbar ist.
6. Das aussereheliche Kindesverhältnis.
Es entspricht der großen Mehrzahl der kantonalen Rechte, wenn der Entwurf dem außerehelichen Kinde ohne weitere Formalitäten gegenüber der Mutter und der mütterlichen Verwandtschaft die gleiche Stellung gibt, wie einem ehelichen (Art. 312, 469), mit der Einschränkung immerhin, daß die Mutter die elterliche Gewalt nur dann haben soll, wenn die Vormundschaftsbehörde es nicht für angezeigt erachtet, das Kind unter Vormundschaft zu stellen (Art. 331).
Schwieriger ist die Festsetzung des Verhältnisses zum Vater. Die kantonalen Rechte kennen zwei ganz verschiedene Arten der Feststellung dieses Verhältnisses: Die Vaterschaftsklage und die freiwillige Anerkennung. Die beiden unterscheiden sich auch in ihrer Wirkung, indem die erstere regelmäßig nur ökonomische Folgen nach sich zieht, während die letztere das Kind zum Vater und zur väterlichen Verwandtschaft in ein familienrechtliches Verhältnis engerer Art versetzt. Einige Rechte (Freiburg, Wallis, Bern, alter Kantonsteil, Solothurn und Aargau) kennen bereits eine Kombination beider Rechtsmittel. Andere schließen die Vaterschaftsklage aus (Genf, Neuenburg und Waadt), und die übrigen begnügen sich umgekehrt mit der Vaterschaftsklage. Der Entwurf konnte aus Rücksicht auf die weitaus vorwiegende Überlieferung und aus sittlichen Gründen von der Vaterschaftsklage unmöglich Umgang nehmen. Ebenso aber bestand kein genügender Grund, die Anerkennung auszuschließen, so daß also die Vorlage die erwähnte Kombination aufgenommen hat.
Die freiwillige Anerkennung muß selbstverständlich dem Vater in erster Linie zugestanden werden. Die Billigkeit verlangt aber, daß dieses Recht auch den Vorfahren des Vaters, seinem Vater, seiner Mutter, seinen Großeltern, eingeräumt werde, vorausgesetzt, daß der Vater gestorben oder dauernd urteilsunfähig geworden ist (Art. 313). Ein Unterschied in der Wirkung ist damit nicht verbunden, die Anerkennung stellt das Verhältnis in allen Fällen her, wie wenn der Vater sie ausgesprochen hätte.



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Die Erleichterung der Form (Erklärung vor dem Zivilstandsbeamten oder mit einer öffentlichen Urkunde oder Verfügung von Todes wegen, Art. 313, Abs. 2) ist aus den Umständen, unter denen solche Erklärungen häufig stattfinden (um etwa vor dem Ableben ein altes Unrecht gut zu machen), vollauf gerechtfertigt. Den Gefahren, die sie in sich schließt, begegnet die Anfechtbarkeit, indem nicht nur die Mutter und das Kind oder nach dessen Tode seine Nachkommen die Anerkennung ablehnen und den Anerkennenden damit auf den Weg gerichtlichen Verfahrens verweisen können (Art. 314), sondern auch jeder, der ein Interesse hat, die Anerkennung innert Monatsfrist gerichtlich anfechten darf (Art. 315). In ersterem Falle muß das Gericht die Anerkennung nicht nur abweisen, wenn die Vaterschaft nicht nachgewiesen wird, sondern auch wenn sie dem Kinde offenbar nachteilig wäre. Damit soll namentlich das Recht der Mutter am Kinde geschützt werden, während im übrigen der Entwurf von der Notwendigkeit einer Zustimmung der Mutter zur Anerkennung Umgang genommen hat.
Die Vaterschaftsklage steht sowohl der Mutter als dem Kinde, also in dessen Vertretung der vormundschaftlichen Behörde, zu (Art. 316). Sie ist nur während drei Monaten nach der Geburt des Kindes zulässig, wenn eine Verspätung nicht mit wichtigen Gründen, wie Hinhaltung durch Versprechungen des Vaters oder dergleichen, gerechtfertigt werden kann (Art. 317). Mit diesem Vorbehalt sollte es möglich sein, den Fällen, wo eine spätere Klage wohl begründet ist, genügend entgegen zu kommen, während man doch für die Regel eine schnelle Erledigung solcher Begehren nach der Natur der begleitenden Umstände als äußerst erwünscht betrachten muß.
Das Prozeßverfahren wird im allgemeinen durch das kantonale Recht geordnet. Anträge auf Ausschluß des Eides und anderes, wie es bei der Scheidungsklage angefügt worden ist, wurden aus der Erwägung abgelehnt, daß die vereinzelte Ausschließung gewisser Prozeßmittel allzusehr in die kantonale Ordnung eingreifen würde, ohne (wie beim Scheidungsverfahren) durch die besondere Natur des Rechtsstreites gerechtfertigt werden zu können. So blieb es für das Verfahren bei der Aufstellung von zwei Grundsätzen : Zuständigkeit des Richters (Wohnsitz des Klägers zur Zeit der Geburt oder elektiv Wohnsitz des Beklagten zur Zeit der Klage unter Vorladung der Heimatgemeinde des Vaters bei Klage auf Zusprechung mit Standesfolgen, Art. 320), und Aufstellung einer Vermutung der Vaterschaft bei Nachweis des Umganges während der kritischen Zeit (Art. 321).
Die Folgen der Feststellung der Vaterschaft sind nach zwei Richtungen zu unterscheiden: Bei der freiwilligen



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Anerkennung und bei der Zusprechung mit Standesfolgen erhält das Kind den Status des Vaters und kommt unter seine Gewalt, immerhin auch hier mit dem Vorbehalt, daß die Vormundschaftsbehörde dem Kinde, wenn sie es für angezeigt erachtet, einen Vormund setzen kann (Art. 318, 332). Die Klage auf diese Zusprechung aber ist nur gestattet, wenn die besonderen Voraussetzungen des Art. 328 vorliegen (Eheversprechen, Verbrechen oder Mißbrauch einer über die Mutter zustehenden Gewalt). In den anderen Fällen der Vaterschaftsklage werden nur Vermögensleistungen an die Mutter und das Kind zugesprochen, die in Art. 322 bis 327 in möglichst liberaler Weise umschrieben sind.
Eine Abweisung der Klage in dem einen oder anderen Sinne soll erfolgen, wenn die Mutter zur Zeit der Empfängnis einen unzüchtigen Lebenswandel geführt hat (Art. 330). Dieser Vorbehalt findet sich mit verschiedenen Formulierungen in allen Vaterschaftsrechten. Er bezieht sich namentlich auf die Fälle, wo wegen des Verkehrs mit verschiedenen Männern die Vaterschaft gegenüber dem Beklagten aus Schuld der Mutter ganz unsicher erscheint. In diesem Sinne ersetzt die Bestimmung auch den Vorbehalt der Einrede des Umgangs mit mehreren, und zwar in einer Weise, die es, besser als dieser letztere Grund zur Klageausschließung, gestattet, den Umständen des einzelnen Falles gerecht zu werden. Man kann allerdings sagen, das Kind sollte es keinesfalls entgelten müssen, daß seine Mutter einen unzüchtigen Lebenswandel geführt hat. Allein der Beklagte darf doch beanspruchen, daß er nicht als Vater eines Kindes erklärt werde, während ebensogut andere hätten verklagt werden können, und das auch schon praktizierte Auskunftsmittel, in solchen Fällen mehrere zu den Vaterschaftsleistungen zu verurteilen, erscheint uns vom sittlichen Standpunkte aus schlimmer als eine Abweisung der Klage.
Schwierigkeiten bereitet noch das Verhältnis zwischen Vater und Mutter. Es kann unter gewissen Umständen sehr unbillig sein, das Kind, das jahrelang bei der Mutter gewesen, auf die Anerkennung durch den Vater hin ihr wegzunehmen, daher soll in solchen Fällen der vormundschaftlichen Behörde die Befugnis zustehen, entweder dem Kinde trotz der Anerkennung einen Vormund zu setzen oder es bis zu einem angemessenen Alter der Mutter zu belassen und dann erst dem Vater zuzuweisen. Außerdem soll die Mutter jedenfalls ein Recht darauf haben, einen angemessenen persönlichen Verkehr mit ihrem Kinde beizubehalten (Art. 333).
Man darf bei der Ordnung dieser Verhältnisse nicht außer acht lassen, daß die Vaterschaftsklage in einigen Kantonen erst wieder



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neu eingeführt wird. Es muß sich gerade deshalb besonders empfehlen, das Gericht und die Vormundschaftsbehörde nicht allzusehr gesetzlich an strikte Anweisungen zu binden. Sind doch die Verhältnisse bei der außerehelichen Elternschaft so außerordentlich mannigfaltig, daß nur die Prüfung eines jeden einzelnen Falles ein den ethischen Anforderungen entsprechendes Resultat zu ergeben vermag. Aus der gleichen Erwägung rechtfertigt sich auch das vorgeschlagene Zusammenwirken der Gerichte und der Vormundschaftsbehörden.
7. Die Familiengemeinschaft.
Der Titel, der von dieser Gemeinschaft handelt, teilt sich in drei Abschnitte: Unterstützungspflicht, Hausgewalt und Familienvermögen.
Die Unterstützungspflicht wird gemeiniglich als ein Korrelat des Erbrechts aufgefaßt, und der Entwurf folgt insofern diesem Gedanken, als er sie für die gleiche Entfernung der Verwandtschaft (und allerdings auch der Schwägerschaft) aufstellt, wie das Pflichtteilsrecht (Art. 335, 477). Fraglich ist es, ob auf dieser Basis die Ansprüche direkt von dem Berechtigten gegenüber dem Verpflichteten geltend gemacht werden sollen, oder ob es sich nicht empfehle, die Armenpflege dazwischenzuschieben. Die Vorlage hat beide Wege derart kombiniert, daß im allgemeinen der Anspruch direkt vom Berechtigten geltend gemacht wird, im Falle der Unterstützung des Berechtigten durch die öffentliche Armenpflege aber durch diese (Art. 336).
Die Hausgewalt wird im geltenden Recht in verschiedenen Richtungen als ein rechtlicher Begriff vorausgesetzt, bei der Ausgestaltung der häuslichen Aufsicht oder der Familiengemeinschaft, bei der Ordnung des Lehrlingswesens u. a., ohne daß man es für nötig hält, diese Voraussetzung bestimmt zu umschreiben. Das Gesetz gewinnt an allgemeiner Verständlichkeit, wenn es anstatt dessen das tatsächlich vorhandene Rechtsgebilde klar hervortreten läßt, wie dies im Entwurf durch Art. 338 geschehen ist. Die Hausgewalt verpflichtet den Hausherrn zur allgemeinen Fürsorge für die Hausgenossen, der namentlich in der sorgfältigen Bewahrung ihrer Sachen vor Schaden eine praktisch wichtige Konsequenz zukommt (Art. 339). Ferner wird mit ihr für die Verantwortlichkeit, die wir im geltenden Rechte bereits in Art. 62 des Obligationenrechts ausgesprochen finden, eine einheitliche Grundlage geschaffen (Art. 340), so daß die Stellung des Familienhauptes die wünschenswerte nähere Abgrenzung erfährt. Unter den Rechten und Pflichten



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der Hausgenossen ist namentlich ein Moment hervorzuheben: Es entspricht der Billigkeit, wenn mündige Kinder, die der häuslichen Gemeinschaft mit ihren Eltern, z. B. in einem bäuerlichen Gewerbe, ohne Entgelt jahrelang ihre Arbeit oder ihre Einkünfte zugewendet haben, hierfür eine Forderung wenigstens in dem Falle geltend machen können, wo die Eltern zahlungsunfähig sind, also im Konkurse oder dann auf dem Wege der Anschlußpfändung (Art. 342). Können sie auch den Eltern gegenüber nicht ohne weiteres eine Forderung stellen, weil sie das Pietätsverhältnis daran hindert, so besteht dieses Hindernis doch nicht gegenüber Dritten, den Gläubigern der Eltern. Eine Unbilligkeit liegt darin diesen gegenüber deshalb nicht, weil die Eltern ja tatsächlich aus jenen Voraussetzungen einen ökonomischen Gewinn davongetragen haben, der einseitig den Gläubigern zu gute käme, wenn man die Kinder ausschlösse mit ihrer Forderung. Ein zweiter Fall der Geltendmachung solcher Ansprüche liegt dann noch vor, wenn die Eltern beerbt werden von Kindern, die zum Teil getrennt gelebt haben, zum Teil aber eben jene Voraussetzungen aufweisen. Doch ist darüber bei den Teilungsvorschriften die entsprechende Regel aufzustellen (Art. 627).
Mit den Vorschriften über das Familienvermögen erkennt der Entwurf zunächst die Zulässigkeit der Errichtung von Familienstiftungen an, während er die Errichtung neuer Familienfideikommisse, soweit nicht die erbrechtliche Nacherbeneinsetzung gestattet ist (Art. 492), allgemein ausschließt (Art. 345). Weitere Vorschriften über die Haftung solchen Familiengutes (im Falle der Insolvenz der Träger desselben) haben wir abgelehnt, in der Meinung, daß die vorhandenen Verhältnisse keine Übelstände aufweisen, die eine solche besondere Regelung als nötig erweisen würden. Es hat also bei den allgemeinen Vorschriften sein Bewenden, wonach die Familienstiftung wie jede andere Stiftung als eigene, juristische Persönlichkeit auch ein eigenes Vermögen hat, das von dem Vermögen des Familiengliedes, das gerade den Nutzen aus der Stiftung zieht, unterschieden ist. Das Stiftungsvermögen in seinem Kapitalbestand haftet also nicht für die Schulden des Stiftungsnutzers.
Sodann wird in diesem Abschnitte die Gemeinderschaft geordnet, die namentlich als das Verhältnis ungeteilter Erben in vielen Fällen praktisch ist, ohne daß in der Mehrzahl der Kantone dieses Institut näher geregelt wäre. Die Ordnung des Entwurfes ist dem überlieferten Rechte nachgebildet (Art. 346 bis 356), bis auf zwei Punkte. Gemeinder untereinander haben nämlich häufig ein Erbrecht am Gemeinschaftsgut unter Ausschluß anderer,



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nicht daran beteiligter Erben. Diese Regel hat der Entwurf nicht aufgenommen, in der Meinung, daß bei der Begründung von Gremeinderschaften unter Ausschluß oder Abfindung einzelner Miterben eine solche Ordnung, wo wünschenswert, durch einen Erbvertrag angefügt werden könne. Liegt dieser besondere Fall nicht vor, so gewinnt das Institut an Anwendbarkeit, wenn von einer wechselseitigen Beerbung der Gemeinder nicht die Rede ist.
Der zweite Punkt betrifft die neu eingeführte Ertragsgemeinderschaft (Art. 357, 358). Sie besteht darin, daß die Gemeinschaft für das Eigentum beibehalten, die gemeinsame Wirtschaft aber aufgehoben und nur der Ertrag unter die Gemeinder geteilt wird. Die Wirtschaft übernimmt einer der Gemeinder, der den andern ihren Anteil am Ertrage regelmässig zu entrichten hat, in Rechnungsperioden, die sie frei vereinbaren. Der Hauptanwendungsfall dieser Art der Gemeinderschaft ist bei der Vererbung landwirtschaftlicher Gewerbe gegeben, wenn die Umstände weder eine reale Teilung noch die Fortsetzung einer gemeinsamen Bewirtschaftung gestatten (Art. 616 ff.).
Die Heimstätten (Art. 359 bis 367) fügt der Entwurf in die Ordnung des Familienvermögens ein, um den Kantonen die Möglichkeit zu sichern, für ihre sozialpolitische Tätigkeit sich des Mittels zu bedienen, das namentlich für Wohnungsgenossenschaften, Bauvereine, städtische oder kantonale Unternehmungen mit Gründung von Arbeiterquartieren u. a. m. einen guten Erfolg verspricht. Die Ordnung ganz den Kantonen vorzubehalten, würde wegen der Einfügung in das Privatrecht einige Schwierigkeiten bereiten, die wegfallen, wenn das Bundesrecht den Rahmen schafft, in den die kantonalen Ausführungsvorschriften das Institut in einer den besondern Verhältnissen angepaßten Weise hineinstellen können. In andern Ländern dienen die Heimstätten andern Zwecken, die natürlich auch bei uns nicht ausgeschlossen sind, wie namentlich jeder einzelne Grundeigentümer befugt sein muß, aus der Einrichtung für die Konsolidierung seiner ökonomischen Verhältnisse den Vorteil zu ziehen, den sie zu bieten vermag. Als wünschenswert erscheint es uns in allen Fällen, daß dieses Hülfsmittel zur Festigung der Familienzusammengehörigkeit und der Seßhaftigkeit der Bevölkerung dem schweizerischen Rechte nicht verschlossen bleibe.
8. Die Vormundschaft
Der Entwurf ordnet das Vormundschaftsrecht in drei Titeln, deren jeder in verschiedene Abschnitte zerfällt: Allgemeine Ordnung der Vormundschaft, Führung der Vormundschaft und Ende derselben.



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Wir haben schon oben angeführt, daß der Entwurf grundsätzlich die Behördenorganisation dem kantonalen Rechte überlassen mußte. Bei der Herstellung einer Vormundschaftsordnung ging es nun aber doch nicht an, die öffentlichrechtliche Regelung unberührt zu lassen, so daß in gewissem Umfange der Entwurf gezwungen war, in das kantonale öffentliche Recht einzugreifen. Es geschah dies namentlich in folgenden Punkten :
Der Entwurf verlangt die Aufstellung von zwei Instanzen der vormundschaftlichen Behörden. Die erste ist die Vormundschaftsbehörde, an deren Stelle bei der ausnahmsweise zu bewilligenden Familienvormundschaft der Familienrat tritt (Art. 370ff.), die zweite die Aufsichtsbehörde. Letztere kann mehrere Stufen aufweisen, wobei das kantonale Recht deren Zuständigkeit feststellt. Zwischen der Vormundschafts- und der Aufsichtsbehörde ist die Kompetenz wenigstens in der Weise ausgeschieden worden, daß die vormundschaftlichen Geschäfte, die nicht dem Vormund überlassen werden wollen, zur regelmäßigen Entscheidung der erstern zugewiesen sind, unter Zulassung einer Beschwerde an die Aufsichtsbehörde. So mit bezug auf die Wahl des Vormundes (Art. 394) und des Beistandes (Art. 401), die Inventaraufnahme (Art. 406), die Prüfung der Berichte und Rechnungen des Vormundes, wobei aber die Kantone deren Nachprüfung durch die Aufsichtsbehörde vorschreiben können (Art. 432), ferner hinsichtlich der Amtsenthebung und anderer verwandter Maßregeln (Art. 454 ff.). Zweifelhaft war es, ob die Feststellung des Bevormundungsgrundes als eine gerichtliche oder eine administrative Sache behandelt werden solle. Zunächst steht fest, daß die Kantone die Gerichte als vormundschaftliche Behörden bezeichnen können. Allein damit ist die Frage nicht entschieden, denn, auch wo das geschieht, muß die Tätigkeit der Gerichte in der streitigen Gerichtsbarkeit, und damit auch im Prozeß über das Vorhandensein der Voraussetzungen der Bevormundung, von ihrer gewöhnlichen Funktion als Vormundschaftsorgane unterschieden werden. Es bleibt also für alle Kantone die Frage zu beantworten, ob die ordentliche Feststellung des Vormundschaftsgrundes auf administrativem Wege oder im Prozeßverfahren vor Gericht zu erfolgen habe, und der Entwurf hat sich für das administrative Verfahren entschieden. Dies geschah, im Anschluß an die im geltenden Rechte vorwiegende Ordnung, namentlich deshalb, weil die Verwaltungsorgane in diesen Dingen rascher zu handeln, freier sich zu bewegen vermögen, und weil die ganz überwiegende Zahl der Bevormundungsfälle einer eingehendern gerichtlichen Untersuchung und Feststellung gar nicht bedarf. Es genügt, wenn für die kleine Zahl schwieriger oder bestrittener Fälle die gerichtliche Entscheidung vorbehalten bleibt,



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und die Anrufung dieser kann dabei ohne Bedenken den Beteiligten überlassen werden. In diesem Sinne ist die gerichtliche Klage herangezogen in Art. 383 und ebenso bei der Aufhebung der Bevormundung in Art. 444.
Als zuständig für die Bevormundung ist, im Anschluß an das Bundesgesetz über die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen, und Aufenthalter, in Art. 386 die Vormundschaftsbehörde am Wohnsitz der zu bevormundenden Person bezeichnet. Doch weicht die Ordnung des Entwurfes von derjenigen des geltenden Bundesrechtes deshalb erheblich ab, weil in dem zitierten Bundesgesetz nur eine interkantonalrechtliche Regel aufgestellt ist, in dem Entwurfe aber eine allgemeine, die auch im Innern eines jeden Kantons oder unter Gemeinden desselben Kantons Geltung haben soll. Diese Lösung erachteten wir als die folgerichtige Weiterführung des geltenden Rechtes, haben aber zur Wahrung der Rechte der Heimatgemeinde nicht unterlassen, die gleichen Kautelen einzufügen, wie sie schon jetzt anerkannt sind (Art. 387, 404).
Die Tätigkeit der vormundschaftlichen Behörden besteht nach der Bestellung des Vormundes im allgemeinen in dessen Beaufsichtigung. Der Stellung der beiden Instanzen entspricht der für die Beschwerden vorgesehene Instanzenzug (Art. 429). Nur ausnahmsweise haben die Behörden Vertretungsbefugnisse, wobei der Entwurf, in Anlehnung an ähnliche kantonale Ordnungen, genau festsetzt, welche Geschäfte die Vormundschaftsbehörde zu erledigen habe und bei welchen darüber hinaus die Aufsichtsbehörde zu begrüßen sei (Art. 430 und 431).
Der Entwurf kennt nur zwei Arten von Vormundschaft: Die ordentliche Vormundschaft, die den Bevormundeten handlungsunfähig macht, für dessen Vertretung sorgt und sowohl in der Fürsorge für seine Person als in der Verwaltung seines Vermögens tätig ist, und die Beistandschaft, unter welcher Bezeichnung im Entwurf zwei verschiedene Fälle zusammengefaßt werden: Die Vertretung im einzelnen Falle für eine handlungsfähige oder -unfähige Person (Art. 401) und die Vermögensverwaltung (Art. 402 und 403). Die Vorschriften für die Vormundschaft gelten im allgemeinen auch für die Beistandschaft (Art. 376).
In den Bestimmungen über die Pflicht zur Übernahme des vormundschaftlichen Amtes, über die Tauglichkeit, Ablehnung, Auswahl des Vormundes u. a., konnte der Entwurf sich auf das allgemein vorherrschende kantonale Recht stützen. Hervorzuheben sind hier nur wenige Punkte:
Pflichtig zur Übernahme einer Vormundschaft sind nur in der Gemeinde wohnhafte Männer, wählbar als Vormund aber sind



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auch Frauen. Die guten Erfahrungen, die mit der vormundschaftlichen Tätigkeit der Frauen bei der Bevormundung Minderjähriger gemacht worden sind, rechtfertigen diese Neuerung, die auch deshalb sich empfiehlt, weil im allgemeinen stets Mangel an geeigneten, der bei der Vormundschaft nötigen Hingebung fähigen Personen vorhanden ist (Art. 388, 391 ff.). Ein relatives Vorrecht auf das Amt gewährt der Entwurf, in Anlehnung an kantonale Vorschriften oder alte Übung, den nächsten Verwandten, dann aber auch dem Ehegatten. Ferner schreibt er vor, daß wo möglich die Wünsche des zu Bevormundenden selber oder seiner Eltern berücksichtigt werden sollen (Art. 389 und 390). Sehr wohl zulässig wird es nach dem Entwurfe sein, für die Kinder einer Gemeinde unter gewissen Voraussetzungen einen Beamten als Generalvormund zu ernennen, ein Verfahren, mit dem in größern Städten des Auslandes sehr gute Resultate erzielt worden sind.
Die Bevormundungsgründe sind selbstverständlich ebenfalls dem geltenden Rechte nachgebildet. (Vergleiche namentlich Art. 5 des Bundesgesetzes über die persönliche Handlungsfähigkeit.) Zu erwähnen ist hier nur folgendes: Es erschien als geboten, neben den Geisteskranken und Verschwendern eine Bevormundung auch für die Trunksüchtigen und für Personen mit lasterhaftem Lebenswandel vorzusehen. Voraussetzung aber ist hierbei, daß eine solche Person durch jenen Mangel in ihrem Charakter sich oder ihre Familie der Gefahr eines künftigen Notstandes oder der Verarmung aussetzt oder die Sicherheit anderer gefährdet. In dieser Umschränkung, die ebenso für die Bevormundung des Verschwenders gilt, stehen der Ausdehnung schwerlich erhebliche Bedenken entgegen. Dem Einwand, daß die Begriffe von Trunksucht und lasterhaftem Lebenswandel zu unbestimmt seien, kann entgegengehalten werden, daß dies von dem Begriff der Verschwendung nicht weniger gesagt werden muß, und doch hat noch kein kantonales Recht davon abgesehen, die Verschwendung als Bevormundungsgrund anzuerkennen. Unbestreitbar üben sodann Trunksucht und lasterhafter Lebenswandel einen mindestens ebenso unheilvollen Einfluß aus wie die Verschwendungssucht. Die Gefährdung der Sicherheit anderer ist dabei hier, wie auch bei den Geisteskranken, als eine Voraussetzung der Entmündigung genannt, weil dieser Gefährdung durch die persönliche Fürsorge eines Vormundes, mit Beaufsichtigung der Lebensführung, Versorgung in passenden Anstalten und andern Maßregeln, auf die Dauer am sichersten entgegengewirkt werden kann. Eine weitergehende Ordnung der Bevormundung Trunksüchtiger hat der Entwurf nicht aufgenommen. Mit der Möglichkeit, der Bevormundung entmündigter Personen überhaupt eine beschränkte Wirkung zu verleihen (Art. 421) und die Auskündung der erfolgten



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Bevormundung zu verschieben (Art. 385), ist wohl genügend dafür Sorge getragen, daß Trunksüchtige in Anstalten untergebracht werden können, ohne sie der Gefahr auszusetzen, die eine Bevormundung ihnen unter Umständen in bezug auf den spätern Wiedereintritt in das Geschäftsleben bereiten kann. Und überdies wird auch fernerhin die Bevormundung natürlich nur eine der Maßregeln sein, die gegen die von Art. 379 betroffenen Personen ergriffen werden können, indem es nach wie vor dem kantonalen Rechte vorbehalten bleibt, mit einer administrativen Versorgung einzuschreiten oder z. B. die bedingte Entlassung und die Schutzaufsicht unter Umständen mit der Bevormundung zu kombinieren.
Im fernern ist noch auf die Ordnung der Entmündigung wegen Geisteskrankheit hinzuweisen. Es ist klar, daß der Entwurf hier zum mindesten die Kautelen aufnehmen mußte, die sich schon jetzt in den kantonalen Rechten finden. Wenngleich das Verfahren auch diesfalls dem kantonalen Rechte zuzuweisen ist, so rechtfertigt es sich doch, im Entwurfe die bindende Vorschrift aufzustellen, daß wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche keine Entmündigung erfolgen darf, ohne das Gutachten der Sachverständigen einzuholen. Die Anhörung des zu Entmündigenden selbst kann hier nicht so unbedingt angeordnet werden, wie bei den Verschwendern und Trunksüchtigen, aber vorzuschreiben ist doch, daß sich das Gutachten der Sachverständigen auch über die Möglichkeit einer persönlichen Einvernahme des Geisteskranken auszusprechen habe (Art. 384).
Die Aufnahme einer besondern Vormundschaft mit beschränkter Wirkung haben wir nicht für angezeigt erachtet. Soweit ein praktisches Bedürfnis hierfür vorliegt, kann es mit der Anwendung von Art. 421 befriedigt werden. Außerdem bietet Art. 403 für den Fall der Bevormundung auf freiwilliges Begehren die Möglichkeit, z. B. bei großer Unerfahrenheit oder hohem Alter des Gesuchstellenden, an Stelle einer förmlichen Entmündigung nur eine Beistandschaft treten zu lassen.
Unter dem Abschnitt über die Führung der Vormundschaft sind die wichtigern Obliegenheiten geordnet, die sich praktisch bei der Vormundschaft darbieten (vgl. Art. 406 bis 425). Hervorzuheben ist nur, daß die Vorschriften über die Vertretung sich an die Bestimmungen des Obligationenrechts, Art. 29 bis 34, anschließen, und daß in der Beschränkung der Selbständigkeit des vormundschaftlichen Amtes der Entwurf dem Vorbilde der kantonalen Rechte folgt. Verboten wird es (Art. 416), in Vertretung der Bevormundeten Bürgschaften einzugehen, Stiftungen zu errichten oder erheblichere Schenkung vorzunehmen, eine Vorschrift,



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die nach Art. 291 auch für die Kinder unter elterlicher Gewalt Geltung hat. Betreffend die Amtsdauer war zu wählen zwischen dem System der längern Dauer mit der Möglichkeit einer vorzeitigen Enthebung, oder der kürzern Dauer mit der Möglichkeit der Wiederwahl. Der Entwurf hat letzteres vorgezogen, weil die Vormundschaftsbehörde dabei besser zum Rechten zu sehen vermag. Man schreitet weniger leicht gegen einen amtierenden Vormund ein, als daß man ihn, ohne Motive angeben zu müssen, einfach nicht wiederwählt (Art. 424). In betreff des vormundschaftlichen Honorars folgt der Entwurf einer Kombination der Rücksicht auf die aufgewendete Mühe und den Ertrag des verwalteten Vermögens (Art. 425).
Mit Hinsicht auf die Verantwortlichkeit des Vormundes und der Behörden ist hervorzuheben, daß ein Ausfall bei der Verfolgung der verantwortlichen Personen von dem Kanton oder der Gemeinde getragen werden soll. Die gleiche Haftung des Gemeinwesens zum Schutz der an öffentliche Organe gewiesenen Personen hat der Entwurf auch in betreff der Zivilstandsbeamten und Grundbuchbeamten aufgestellt (Art. 43, 994), sie rechtfertigt sich bei der Vormundschaft in besonderm Grade (Art. 436 ff.).
Im letzten Titel des Vormundschaftsrechtes über das Ende der Vormundschaft unterscheidet der Entwurf zwischen dem Aufhören der Bevormundung und dem Aufhören des vormundschaftlichen Amtes. In letzterer Hinsicht regelt er das Einschreiten bei Unregelmäßigkeiten, die zur Amtsenthebung führen können (Art. 455 ff.). Unter den Folgen der Beendigung war namentlich die Klage aus der Verantwortlichkeit zu ordnen, die mit einer genau umschriebenen Verjährung ausgerüstet worden ist (Art. 462 f.). Das Privileg im Konkurse entspricht dem geltenden Rechte, nur daß es nicht bloß für den Konkurs des Vormundes, sondern auch für den der anderen haftbaren Personen anerkannt ist (Art. 464).
IV. Das Erbrecht.
1. Die gesetzlichen Erben.
Der Entwurf folgt der in unseren Rechten überlieferten und heute vorherrschenden Auffassung, die das gesetzliche Erbrecht als Regel und die Verfügung von Todes wegen als Ausnahme betrachtet.
Der erste von den fünf Titeln des Erbrechts handelt von den gesetzlichen Erben. Als Grundlage für deren Ordnung wird die Reihenfolge nach Parentelen mit durchgeführter Stamm-



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teilung angenommen, die vor jeder Klassenbildung den großen Vorzug hat, die Vererbung der Güter in allen Erbenstellungen gerade so zu gestalten, wie wenn die näheren Erben das Erbe vermittelt hätten. Zufälligkeiten im Resultat der Beerbung werden mithin soviel als möglich ausgeschlossen. Zu den einzelnen Fällen ist im übrigen die zweite Beilage zum Entwurfe zu vergleichen.
Wir brauchen die Parentelen in ihrer durchgeführten Stammteilung nicht näher zu entwickeln. Sie bieten zu keinen Kontroversen Anlaß (Art. 465 bis 469). Nur bei zwei Fragen, die sich damit verknüpfen, müssen wir noch mit einigen Betrachtungen verweilen.
Die erste betrifft die Grenze der Erbfähigkeit. Der Entwurf folgt der sich immer mehr befestigenden Auffassung, daß ein Erbrecht der weitentfernten, sog. lachenden Erben keine innere Begründung hat. Die Grenze, die wir vorschlagen, ist die Parentel der Großeltern, hinter denen den Urgroßeltern und Großonkeln und -tanten des Erblassers nur Nutznießungsrechte zuerkannt werden (Art. 468). Von den neuesten kantonalen Erbgesetzen geht Zürich ungefähr ebensoweit in der Beschränkung, läßt aber die Urgroßeltern auch noch zu vollem Erbe gelangen und gibt damit, weil hinter diesen in kurzer Frist die Erbschaft meistens in große Zersplitterung verfallen wird, einen Hauptvorzug­ der Beschränkung gleich wieder preis. Solothurn geht weniger weit in der Anerkennung des Erbrechts als der Entwurf, indem es nicht nur mit der großelterlichen Parentel das Erbrecht ganz abschließt, sondern auch eine jede Stammesseite, also Vater- und Mutterseite, getrennt dieser Abgrenzung unterwirft. Basel schließt das Erbrecht mit dem fünften Grade irgend einer Parentel, womit die Abgrenzung je nach dem Falle bald enger und bald weiter als in Solothurn gesetzt ist.
Die zweite Frage betrifft das Erbrecht der außerehelichen Verwandten. Im Grundsatz gibt ihnen der Entwurf, entsprechend den neueren kantonalen Rechten, in der Verwandtschaft der Mutter das gleiche Erbrecht, wie den ehelichen, und zwar aktiv und passiv. In der Verwandtschaft des Vaters aber wird die Gleichstellung zwei Beschränkungen unterworfen. Einmal besteht sie überhaupt nur in den Fällen, wo das außereheliche Kind dem Stande des Vaters folgt (Art. 328 und 332), und sodann soll in Konkurrenz mit ehelichen Nachkommen seines Vorfahren der unehelich geborene Erbe oder sein Nachkomme je nur halb so viel erben, als einem ehelichen Kinde oder Nachkommen zufällt, d. h. er zählt zu einem Teil, wo die anderen je zu zwei Teilen (Art. 469).



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Dem angenommenen Kinde wird gleichfalls dasselbe Erbrecht gegeben, wie dem ehelichen, und ebenso seinen Nachkommen, allein nur gegenüber dem Annehmenden, so daß gegenüber der Familie des Annehmenden kein Erbrecht besteht. Auch sollen der Annehmende oder seine Verwandten das Adoptivkind nicht beerben (Art. 472).
Mit den verwandten Erben konkurriert der überlebende Ehegatte, ohne Rücksicht auf den Güterstand, in dem er mit dem verstorbenen gestanden hat. Einige kantonale Rechte sehen vor, daß der überlebende Ehegatte in dem Genusse des gesamten Gutes auf Lebenszeit verbleiben könne. Andere geben umgekehrt demselben fast gar keinen Anspruch beim Tode des andern. Die Mehrzahl stuft ab nach der Entferntheit der konkurrierenden Verwandten, wobei Ansprüche zu bloßer Nutznießung und zu Eigentum sich aneinander reihen, oder auch, wie in Zürich, alternativ gegeben sind. Der Entwurf folgt diesen letzteren Beispielen und gibt dem überlebenden Ehegatten in Konkurrenz mit Nachkommen des verstorbenen die Nutznießung an der Hälfte des Nachlasses, an deren Stelle er aber auch einen Vierteil zu Eigentum wählen kann. Neben Erben des elterlichen Stammes erbt er einen Vierteil zu Eigentum und den Rest zu Nutznießung, neben solchen des großelterlichen die Hälfte zu Eigentum und die andere zu Nutznießung, und hinter diesen das Ganze zu Eigentum. Die Nutznießung kann der Ehegatte jederzeit in eine entsprechende Rente verwandeln lassen. Bei Wiederverheiratung hat er die Nutznießung sicherzustellen (Art. 470, 471).
Hinter den genannten Erben wird das Gemeinwesen als Erbe genannt, d. h. der Kanton des letzten Wohnsitzes oder die von diesem bestimmte Gemeinde (Art. 473). Weiter geht der vorliegende Entwurf nicht, indem er das Recht des Staates auf die Erbschaft neben den gesetzlichen Erben stillschweigend dem öffentlichen Rechte zuweist (Erbschaftssteuer).
2. Die Verfügungen von Todes wegen.
Der zweite Titel des Erbrechts behandelt in sechs Abschnitten die Fähigkeit, Freiheit, Art und Form der Verfügung, ihre Vollziehung durch die Willensvollstrecker und ihre Anfechtung. Von Bedeutung sind namentlich folgende Fragen.
Die Verfügungsfreiheit ist zurzeit in unseren Rechten in außerordentlich verschiedenem Umfange anerkannt. Neben Rechten, die fast gar nichts von ihr wissen, stehen andere, die den Erblasser nur den Nachkommen gegenüber beschränken und



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auch diesen nur die Hälfte des Nachlasses als Pflichtteil zusprechen. Und beide divergente Auffassungen beruhen gleicherweise auf alten Überlieferungen. Zwei Gründe haben uns dazu bewogen, im Entwurf der freieren Auffassung den Vorzug zu geben. Einmal ist, wenn eine der beiden Überlieferungen weichen muß, dies für die Gebundenheit offenbar leichter als für die Freiheit, denn auch bei Einführung größerer Freiheit zwingt ja nichts die bishin an die Gebundenheit gewöhnte Bevölkerung, von ihr Gebrauch zu machen, während der Zwang dem an Freiheit gewöhnten Volke ungemein drückend vorkommen müßte. Sodann ist die Freiheit unseren gegenwärtigen Verhältnissen mit ihrer enormen Vielgestaltigkeit und ihrem raschen Wechsel weit zuträglicher als die in kleinen genossenschaftlichen Kreisen herangewachsene Gebundenheit. Die uns umgebenden Länder besitzen denn auch schon lange diese größere Freiheit, und unsere Gesetzgebung wird sich nur dem allgemeinen europäischen Rechte anschließen, wenn sie den Vorschlägen der größeren Vergabungsfreiheit endlich Folge leistet. Von dieser Erwägung ausgehend stellt der Entwurf nur drei Schranken auf: Gegenüber Nachkommen Verfügung über einen Vierteil, gegenüber Eltern über die Hälfte und gegenüber Geschwistern über drei Vierteile. Dazu kommt noch der Schutz des überlebenden Ehegatten, dem sein Anspruch zu Eigentum bis zur Hälfte des Nachlasses nicht entzogen, dagegen die Nutznießung an der ganzen Verlassenschaft zugewendet werden darf (Art. 478, 479). Die Beschränkung auf die disponible Quote fällt weg, wenn ein Enterbungsgrund vorliegt. Der Entwurf folgt in der Aufstellung dieser Gründe dem geltenden Rechte, soweit dieses überhaupt eine Enterbung zuläßt (Art. 482 bis 484).
Als Verfügungsarten wurden in den Entwurf soviel als möglich die Einrichtungen aufgenommen, die den verschiedenen kantonalen Rechten bereits bekannt sind. Denn es besteht kein Grund, die eine oder andere Landschaft der Einrichtung zu berauben, an die sie sich, ohne schlimme Erfahrungen zu machen, gewöhnt hat. Es sind auch in der Regel Zufälligkeiten, wenn hier die eine und dort die andere Verfügungsart aufgenommen oder abgelehnt worden ist. Unter diesen Verschiedenheiten muß der Gegensatz zwischen letztwilliger Verfügung und Erbvertrag in erster Linie genannt werden. Unser älteres Recht kannte überhaupt nur den Erbvertrag. Als dann die letztwilligen Verfügungen aufkamen, betrachtete man diesen vielfach nur unter dem Gesichtspunkte der Gebundenheit des Erblassers und fand daher leicht (wie im französischen Recht), es widerstreite diese Gebundenheit der natürlichen Freiheit der Person, es sei unsittlich, sich auf solche Weise auf den Todesfall zu binden. Allein dabei



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ist ganz übersehen, daß der Erbvertrag eben doch in den allermeisten Fällen nicht nur ein "Testament mit Beifügung der Unwiderruflichkeit", sondern etwas ganz anderes bedeutet. Der Erblasser erhält in der Regel schon bei Lebzeiten seine Gegenleistung. Oder er erreicht damit die Ordnung unter mehreren seiner Erben, die er selbst im Interesse seines Gewerbes aufs lebhafteste herbeiwünschen muß. Oder es handelt sich um Zuwendungen, oder Abfindungen gegenüber solchen Erben, die zur Zeit des Erbfalles vermutlich gar nicht mehr im Lande sind, die einer erheblichen ökonomischen Grundlage gerade jetzt bedürfen, und Ähnliches mehr. Es sind gewiß sehr ernsthafte Interessen, die auf solcher Grundlage es dem Erblasser wünschenswert machen, einen Erbvertrag abzuschließen, und es ist besser, wenn er zu deren Befriedigung nicht auf Schleichwege, wie gewisse Verkäufe, Verpachtungen u. a., gedrängt wird, sondern direkt sagen kann, was er will und meint. Unter dieser Betrachtungsweise rechtfertigt es sich ebenfalls, wenn nicht nur der Erbeinsetzungs- und Vermächtnisvertrag, sondern auch der Erbverzichtsvertrag anerkannt wird. Beide sind dazu bestimmt, sich zu ergänzen, denn wenn ein Kind auf das Erbe verzichtet, wird ihm oder andern meistens zugleich ein bestimmter Vermögensvorteil zugesichert. Anders dagegen verhält es sich mit dem Vertrag, der ohne Mitwirkung des Erblassers abgeschlossen werden möchte. Bei diesem ist die Gefahr vorhanden, daß er zu wucherischen Geschäften oder zu andern unlauteren Machenschaften mißbraucht werde. Daher wird er denn auch in den meisten Kantonen verboten, und Zürich läßt den Erben, der ihn abschließt, wenigstens den Pflichtteilsschutz verlieren. Freilich kann es auch bei solchen Verträgen Fälle geben, wo deren Abschluß weder eine Pietätslosigkeit gegenüber dem Erblasser, noch eine Übervorteilung einzelner Erben in sich schließt. So wenn z. B. der Erblasser wegen Handlungsunfähigkeit gar nicht mitwirken kann, während doch der Inhalt des Vertrages durchaus dem entsprechen würde, was der Erblasser selbst in der Sache vernünftigerweise hätte verfügen können. Allein man darf darauf rechnen, daß in solchen Ausnahmefällen sich die Beteiligten anders zu helfen wissen werden. So schließt sich denn der Entwurf dem vorherrschenden Rechte an und verbietet in Art. 630 den Abschluß von Verträgen über eine noch nicht angefallene Erbschaft ohne Mitwirkung des Erblassers. Verträge, die die Erben nach dem Tode des Erblassers unter sich oder mit Dritten abschließen, sind entweder Teilungsverträge oder gehören unter das Obligationenrecht. Der Entwurf erwähnt sie nur nebenbei in Art. 628. Weniger Bedeutung kommt dem Gegensatz zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis deshalb zu, weil die kanto-



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nalen Rechte, bis auf wenige, dem Wesen nach die beiden Verfügungsarten bereits kennen. Ihre Unterscheidung führt der Entwurf nach dem überlieferten Rechte durch (Art. 487 ff.).
Unter der Bezeichnung Ersatzverfügung kennt der Entwurf weiter die sogen. Vulgarsubstitution (Art. 491), und unter dem Namen Nacherbeneinsetzung die fideikommissarische Substitution (Art. 492 ff.). Nur die letztere veranlaßt uns zu einigen Bemerkungen. Das geltende Recht verbietet oder beschränkt zumeist diese Art der Verfügung aus den gleichen Gründen, aus denen die Familienkommisse beschränkt oder untersagt werden. Hat der Entwurf sich in letzterer Hinsicht diesem Verbote angeschlossen, so entspricht selbstverständlich seiner Tendenz auch eine Beschränkung der Nacherbeneinsetzung. Sie findet sich in Art. 492. Die Stellung des Nacherben gestaltet sich nach dem Entwurfe so, daß der Vorerbe zwar Eigentümer der Erbschaft wird, daß aber der Nacherbe eine Anwartschaft erhält, die er bei Liegenschaften durch Eintrag in das Grundbuch dinglich wirksam machen oder überhaupt durch Kaution sicherstellen lassen kann, sofern letzteres nicht vom Erblasser ausdrücklich wegbedungen ist (Art. 494).
Hinsichtlich der Formen der Verfügungen von Todes wegen hat es keinen Sinn, die Vielgestaltigkeit der kantonalen Rechte besonders zu berücksichtigen. Einfachheit bedeutet hier eine Erleichterung für alle Beteiligte. So kennt der Entwurf nur zwei ordentliche Formen: die öffentliche Verfügung und die eigenhändige, bei der eine Hinterlegung bei Gericht oder Notar ermöglicht werden soll, jedoch ohne daß die Gültigkeit der Verfügung von ihr abhängt. Auf diese Weise versucht der Entwurf, die Sympathien, die in der welschen Schweiz dem holographen Testament entgegengebracht werden, mit den neueren Vorschriften von Basel und Zürich, die auf Grund unangenehmer Erfahrungen für das eigenhändige Testament die Hinterlegung als Gültigkeitsform aufgestellt haben, auszugleichen (Art. 502 ff., 510). Die mündliche Verfügung erscheint nur als außerordentliche Form, für den Fall der Verhinderung an der Errichtung eines ordentlichen Testamentes. Sie ermöglicht es, für den Militärdienst eine oft verlangte eigene Form insofern zu schaffen, als die Zeugen bei Errichtung der mündlichen Verfügung im Militärdienst ihre Angaben anstatt bei einem Gericht bei einem Offizier zu Protokoll geben können. Die Gültigkeit des mündlichen Testamentes beschränkt der Entwurf auf die Zeit von acht Tagen, nachdem der Erblasser wieder in die Lage versetzt ist, sich einer ordentlichen Form zu bedienen (Art. 513).



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Die Aufhebungsformen und die indirekte Aufhebung durch Errichtung einer widersprechenden neuen Verfügung geben zu keinen besonderen Schwierigkeiten Anlaß (Art. 514 ff.).
Die Anfechtung der Verfügungen von Todes wegen erfolgt entweder mit der Ungültigkeitsklage oder der Herabsetzungsklage. Die erstere hat als Fundament die Behauptung der Unfähigkeit des Verfügenden oder einen Formmangel. Ihre Verjährung mit einem Jahre oder in zehn oder dreißig Jahren wird keinen Bedenken begegnen (Art. 524 bis 526). Die Herabsetzungsklage dagegen erweckt verschiedene Zweifel. Zwar wird man damit allgemein einverstanden sein, daß der Entwurf bei Überschreitung der disponibeln Quote nur eine Reduktion vorsieht und nicht völlige Ungültigkeit anordnet. Allein wer soll zu dieser Anfechtung berechtigt sein? Jeder Erbe, sobald nur der Erblasser tatsächlich über mehr als die verfügbare Quote irgend welche Verordnungen getroffen hat? Dies wird sogar in denjenigen Kantonen, die eine solche Ordnung nach dem Gesetz noch kennen, in der Praxis soviel als möglich ausgeschaltet. Nach unserer heutigen Rechtsauffassung soll eben nur der Erbe klagberechtigt sein, der materiell durch die Verfügung gekränkt wird, der also nicht wenigstens dem Werte nach das erhält, was er als Pflichtteil beanspruchen darf (Art. 527). Damit soll nun aber der Pflichtteil doch nicht zu einer bloßen Forderung gegenüber dem Eingesetzten auf den entsprechenden Geldbetrag degradiert werden. Er soll den Charakter eines Erbschaftsanteils behalten, nur daß der verletzte Erbe ein Klagerecht erst dann besitzt, wenn er nicht wenigstens dem Werte nach so viel erhält, als sein Pflichtteil beträgt. Wird die Klage, wie regelmäßig, vor der Teilung erhoben, so richtet sie sich gegen die Erbengemeinschaft mit Gerichtsstand am Orte der Erbschaftseröffnung. Richtet sie sich gegen die Besitzer der Erbschaftssachen nach der Teilung, so verbindet sie sich mit der Erbschaftsklage. Geht sie gegen Vermächtnisnehmer, so hat der Erbe überdies vor der Teilung und Auslieferung eine Einrede gegen deren Forderung. Schwierigkeiten können daraus in keinem Falle in höherem Maße entstehen, als bei jeder solchen Geltendmachung von Erbrecht nach vollzogener Teilung.
Der Erblasser ist nach dem Entwurfe berechtigt, Teilvorschriften aufzustellen. Vermacht er etwas einem gesetzlichen Erben, so wird die Verfügung im Zweifel nur als Teilungsvorschrift angesehen. Allein wenn die Zuwendung eine Begünstigung sein soll, so ist sie der Reduktion unterworfen, sobald sie den Pflichtteil der andern verletzt. Die Reduktion aber muß alsdann im Verhältnis der Beträge stattfinden, die den Erben über ihren Pflichtteil hinaus zugewendet sind (Art. 544, Abs. 3).



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Nach dem Entwurf können Erbeinsetzung und Vermächtnis frei miteinander konkurrieren. Erfolgt nun die Reduktion einer Verfügung, die eine solche Konkurrenz enthält, so muß sie natürlich bei Erbeinsetzungen und Vermächtnissen gleichmäßig stattfinden. Allein es kann ein Vermächtnis auch einem einzelnen Erben aufgetragen sein, so daß der Bedachte mit den anderen Verfügungen nicht konkurriert. Dann ist die Reduktion diesen gegenüber wohl nach dem Willen des Erblassers meistens ausgeschlossen, und nur der Beschwerte hat ein Recht, das Übermaß der Verfügung von sich abzuwälzen (Art. 529). In ersterem Fall kann des weiteren eine ganze Sache Gegenstand des zu reduzierenden Vermächtnisses bilden. Kann sie ohne Schädigung ihres Wertes nicht reell geteilt werden, so bleibt nur die Alternative, entweder muß der Bedachte an die Erbschaft herausgeben, was er über den ihn treffenden reduzierten Teil erhalten würde, oder er gibt die ganze Sache zurück und erhält den ihm verbleibenden Teil dem Werte nach. Die Entscheidung in dieser Alternative darf füglich dem Beschwerten überlassen werden, also wenn kein solcher bestimmt genannt ist, der Erbengemeinschaft. Nur wenn der Bedachte ein Miterbe ist, trifft der Entwurf die gegenteilige Entscheidung (Art. 529).
Der Herabsetzung unterliegen alle Verfügungen von Todes wegen. Allein auch Verfügungen unter Lebenden können pflichtteilswidrig sein, und Art. 530 nennt die Verfügungen, die der Anfechtung (nach dem Vermögensstand zur Zeit des Erbganges) unterstellt sein sollen. Dann können Nutznießungen oder Renten den Nachlaß auf Grund letztwilliger Verfügungen beschweren. Der Entwurf verlangt dabei nicht, daß der Pflichtteil jedem Erben unbeschwert zu teil werde. Er verordnet vielmehr, daß diese Nutzung nach ihrem Kapitalwert zu berechnen sei und der Reduktion unterliegen soll, wenn dieser Wert die disponible Quote übersteigt (Art. 532). Endlich ist in Art. 533 die Reihenfolge der Reduktionsobjekte in Anlehnung an das französische Recht des nähern festgestellt.
Die Rechte der Gläubiger, die Haftung der nicht anfechtenden pflichtteilsberechtigten Erben und die Klagen aus Erbverträgen berühren Momente, deren Ordnung im Interesse der Rechtssicherheit von Bedeutung ist, deren Inhalt wir aber nicht näher zu rechtfertigen brauchen. Vgl. Art. 528, 535, 536 ff. Die Verjährung ist derjenigen der Ungültigkeitsklage nachgebildet (Art. 534).



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3. Der Erbgang.
Die zweite Abteilung des Erbrechtes, die den Erbgang ordnet, handelt in drei Titeln von der Eröffnung und den Wirkungen des Erbganges und von der Teilung. Als maßgebend wird für die Eröffnung der Zeitpunkt des Todes und der Ort des letzten Wohnsitzes des Erblassers bezeichnet (Art. 539). Die Qualitäten des Erblassers und der Erben bieten keine Abweichung von den herrschenden Anschauungen (Art. 540 ff.). In bezug auf die Beerbung und das Erbrecht des Verschollenen enthält das Personenrecht die grundlegenden Vorschriften. Neu sind im Rahmen des Erbrechts nur die Kautionspflicht (Art. 547) und die Durchführung der Parallele zwischen der aktiven und passiven Erbenstellung des Abwesenden (Art. 549 bis 551). In beiden Richtungen wird die vorgeschlagene Ordnung auf der Grundlage der Vorschriften des Personenrechts kaum Bedenken erwecken.
Zu den Wirkungen des Erbganges gehört in erster Linie ein behördliches Einschreiten zum Zwecke der Sicherung der Erbschaft. Die Siegelung der Verlassenschaft wird nicht allgemein vorgeschrieben, sondern es stellt der Entwurf auf die Gepflogenheit der einzelnen Landesgegenden ab, unter Angabe der Voraussetzungen, unter denen sie soll stattfinden dürfen (Art. 553). Dagegen ist die Inventaraufnahme für gewisse Fälle bestimmt vorgeschrieben (Art. 554). Dazu kommt die Erbschaftsverwaltung, der im Entwurfe eine größere Bedeutung zugemessen wird, als in der Mehrzahl der Kantone (Art. 555 f.). Bei der Eröffnung der letztwilligen Verfügungen war vor allem darauf Bedacht zu nehmen, eine Ordnung zu finden, die eine Erledigung sowohl der Ungültigkeitsklage, als der Herabsetzung für die meisten Fälle möglich macht, bevor die Teilung durchgeführt ist. Denn allen Beteiligten muß daran gelegen sein, daß die umständliche Verfolgung der erbrechtlichen Ansprüche nach der Teilung soviel als nur möglich vermieden wird. Vgl. die Art. 558 bis 560. Die vorläufige Unangefochtenheit erlaubt der Behörde dann auch, eine Erbenbescheinigung an die eingesetzten Erben auszustellen, während für die gesetzlichen Erben eine solche Urkunde für unsere Verhältnisse nicht als Bedürfnis empfunden wird (Art. 560, Abs. 1).
Für den Erwerb der Erbschaft durch die Erben hat der Entwurf den Grundsatz des Ipso-jure-Erwerbes, d. h. der Nachfolge ohne Notwendigkeit eines Antrittes, sondern stillschweigend oder von Gesetzes wegen, festgehalten, und zwar in der Gestalt, wie ihn die große Mehrzahl der Kantone entwickelt hat: resolutiv bedingt durch die Möglichkeit der Ausschlagung.



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Die Vermächtnisnehmer aber sollen, wie schon jetzt in allen kantonalen Rechten, einen persönlichen Anspruch gegen die Beschwerten auf Entrichtung des Vermächtnisses erhalten. Von dem Verhältnis der Vermächtnisse zur Herabsetzung handeln schon die Vorschriften über die Herabsetzung. Eine notwendige Ergänzung zum Schutze der Erben bietet Art. 566. Die freie Konkurrenz der verschiedenen Verfügungsarten im Rahmen der disponibeln Quote ist als Grundlage festgehalten. Weitere Interpretationsvorschriften wurden für entbehrlich erachtet.
Die Möglichkeit der Ausschlagung ist auf einen Monat befristet, nach dessen Ablauf der Erbe definitiv erworben hat, wenn nicht ausnahmsweise eine Fristverlängerung Platz greift oder wegen Überschuldung der Erbschaft die Ausschlagung vermutet wird (Art. 567, 568). Ausschlagung eines Erben hat Ascrescenz zu gunsten der Miterben zur Folge. Ausschlagung aller oder des einzigen Erben führt, wenn sie nicht ausdrücklich zu gunsten nachfolgender Erben erklärt wird, zur Erblosigkeit (Art. 572 bis 575). Gegen eine fraudulöse Ausschlagung werden die Gläubiger eines Erben durch Art. 576 gesichert. Mit dem, was die Erben vorher vom Erblasser auf Ausgleichung hin bezogen haben, sollen sie, auch wenn sie ausschlagen, unter dem gleichen Gesichtspunkte den Gläubigern zu haften haben (Art. 577).
In der Ordnung des öffentlichen Inventars mit Rechnungsruf folgt der Entwurf der großen Mehrzahl der kantonalen Rechte, die seit langem das sogenannte beneficium inventarii unter der Gestalt kennen: öffentliche Inventur aller Aktiven und Passiven, Möglichkeit der Annahme der Erbschaft unter diesem Inventar und darauf gestützt alsdann Haftung der lnventarerben für die Passiven des Inventars persönlich und für die Passiven außerhalb des Inventars gar nicht, unter Vorbehalt der Fälle, wo ausnahmsweise für diese die Restitution und damit die Haftung der Erben im Umfang wenigstens der Erbschaftsaktiven erlangt wird. Die Einrichtung bezweckt, womöglich einen Erbschaftserwerb mit persönlicher Haftung herbeizuführen, dabei aber doch die Erben vor der Haftung für die nicht inventierten Schulden zu schützen (vgl. Art. 578 ff., 587). Für den Restitutionsgrund hat der Entwurf die einfache Formel gewählt, daß der Gläubiger die Anmeldung ohne eigene Schuld unterlassen haben müsse (Art. 588).
Eine besondere Stellung gibt der Entwurf den Bürgschaftsschulden des Erblassers. Sie sollen im Inventar besonders aufgezeichnet werden und können gegen den Erben, auch wenn er die Erbschaft annimmt, nur bis zu dem Betrage eingefordert werden, der bei der gleichmäßigen Tilgung aller



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Schulden aus der Erbschaft auf die Bürgschaftsschulden fallen würde (Art. 589). Diese Vorschrift ermöglicht es, das Inventar gerade zu dem Zwecke zu verlangen, um die persönliche Haftung für die Bürgschaftsschulden abzuwälzen. Mag auch die Erbschaft solvent sein, so kann doch in den Bürgschaftsverpflichtungen ein Element liegen, das die Annahme fast unmöglich macht. Die Frage wird in ein anderes Licht gestellt, wenn durch das Inventar die Haftung auf das Vermögen des Erblassers beschränkt werden kann. Man darf sich von dieser Beschränkung der Vererblichkeit der Bürgenhaftung eine wohltätige Wirkung auf die Benutzung der Bürgschaft im Kreditverkehre selbst versprechen und wird sie deshalb willkommen heißen. Den Gläubigern geschieht damit deshalb kein Unrecht, weil ihnen die Haftung der Erbschaft selbst verbleibt und sie einen Anspruch auf die persönliche Haftung der Erben niemals erworben haben.
Als für die große Mehrzahl der Kantone neues Institut führt der Entwurf die amtliche Liquidation der Erbschaft ein, die in gewissen Fällen von Gesetzes wegen vorgeschrieben ist, dann aber namentlich von jedem Erben angerufen werden kann und hierbei den Erbschaftserwerb unter öffentlichem Inventar zu ersetzen vermag (Art. 591). Zu gunsten der Gläubiger des Erblassers dient sie als Güterabsonderung (Art. 592) und zu gunsten der Gläubiger des solventen Erben zum Schutz gegen arglistige Benachteiligung (Art. 593). Die amtliche Liquidation ist darnach nicht auf die Fälle beschränkt, wo eine Überschuldung der Erbschaft vorliegt (Art. 596), sondern leistet auch in andern Fällen hervorragende Dienste, so daß sich die Rechte, die sie schon besitzen, wie Bern und Baselstadt, in kurzer Zeit mit ihr sehr befreundet haben.
Endlich gehört in diesen Rahmen auch noch die Erbschaftsklage, unter welche Bezeichnung der Entwurf alle Klagen zusammenfaßt, mit denen ein Erbrecht geltend gemacht wird, sobald der Beklagte als Besitzer die angesprochene Sache behalten will (Art. 597 ff.). Die Verjährung dieser Klage schließt sich an diejenige an, die wir bei den Anfechtungsklagen angetroffen haben (Art. 599).
Vor der Teilung bilden die Erben gemäß Art. 601 ff. eine Gemeinschaft, die nicht nach ideellen Teilrechten aufgebaut ist, sondern alle Erben ungeteilt und insgesamt verbindet. Demzufolge ist dem einzelnen Erben eine Verfügung über eine einzelne Erbschaftssache selbst zu einer seiner Erbenrate entsprechenden Quote entzogen. Sie verfügen alle insgesamt, wobei aber nötigenfalls durch die zuständige Behörde eine Vertretung einzusetzen ist. Es entspricht der schuldigen Rücksicht unter Miterben und einer



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billigen Behandlung der Teilung, wenn auf dieser Grundlage ein jeder Erbe sich der Verfügung über die Erbschaftswerte, die er aus der Teilung erwarten darf, enthalten muß, bis diese erfolgt ist. Bis dahin soll er sich auch der Verfügung über einen ideellen Teil der Sache oder der Quittierung für eine Quote der Erbschaftsforderung enthalten. Für die Gläubiger des Erblassers ist dies insofern ohne Bedeutung, als die Erben nach dem Entwurf, in Übereinstimmung mit der großen Mehrzahl der kantonalen Rechte, ihnen solidarisch haften (Art. 602). Die Erbengemeinschaft geht im übrigen ihrem Zwecke nach auf Teilung. Diese kann aber auch verschoben und eine vertragliche Gemeinderschaft begründet werden. Solange dies nicht geschehen ist, kann jederzeit die Teilung verlangt werden. Auch den Gläubigern der Erben muß dieses Verlangen natürlich hier mit noch viel mehr Recht zustehen, als gegenüber der vertraglichen Gemeinderschaft (Art. 353).
In betreff der Durchführung der Teilung ist nur auf zwei Momente hinzuweisen. Die Kantone sollen bei der Teilung von Grundstücken ein Mindestmaß aufstellen können, unter das bei der Teilung, sobald ein Erbe Einspruch erhebt, nicht gegangen werden darf (Art. 615), und bei der Vererbung der landwirtschaftlichen Gewerbe soll eine Teilung möglichst vermieden und in den Fällen, wo die Abfindung der Miterben durch den Übernehmer des ungeteilten Gewerbes dessen Überschuldung herbeiführen müßte, eine Ertragsgemeinderschaft gebildet werden (Art. 616). Eine Ausdehnung dieser gleichen Regel auf andere mit einer Liegenschaft verbundene Gewerbe wurde abgelehnt, da für sie ein Bedürfnis nicht vorzuliegen scheint. Diese Ertragsgemeinderschaft (Art. 357) soll nun aber den Erben auch unter den angeführten Voraussetzungen nicht absolut aufgedrängt werden. Vielmehr konkurriert sie nach der Vorlage mit einer weiteren Einrichtung, auf die sich jeder der Miterben des Übernehmers berufen kann. Es steht jedem nämlich frei, eine Abfindung in Erbengülten zu verlangen, die den Übernehmer nicht persönlich belasten, zehn Jahre unkündbar sind und höchstens nach dem für andere Gülten herrschenden Zinsfuß verzinst werden sollen. Der Abgefundene erhält also auf sein Verlangen anstatt des Anteils an der Ertragsgemeinderschaft eine Art Rente, was für die Fälle empfehlenswert sein dürfte, wo der Miterbe des baren Geldes bedürftig ist, das er mit der Erbengült leichter aufnehmen kann, als mit seinem Anteil an der Gemeinderschaft, der nicht so leicht zu liquidieren wäre (Art. 619).
Die Ausgleichung (Einwerfung, Kollation) hat der Entwurf in weitem Umfange aufgenommen. Es sind innere Verhält-



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nisse unter meist ganz nahen Miterben, Geschwistern, die hier in Frage kommen, und für deren Regelung in bestem Sinne auf Treue und Glauben verwiesen werden darf (Art. 620 bis 624). Dieser guten Treue entspricht es dann ferner, wenn unerzogenen Kindern ein Voraus zugewiesen wird, den der vorliegende Entwurf auch den gebrechlichen Kindern gewährt (Art. 625). Von den Ansprüchen der mündigen Kinder, die der häuslichen Gemeinschaft mit den Eltern ihren Erwerb zugewendet haben, ist schon oben gesprochen worden (Art. 627, vgl. 342).
Der letzte Abschnitt handelt von dem Abschluß und der Wirkung der Teilung. Er enthält keine Neuerungen gegenüber dem geltenden Recht. Das Verbot der Verträge über noch nicht angefallene Erbschaften haben wir oben bereits erwähnt (Art. 630). Die Haftung unter Miterben sucht Art. 631 durch eine Verweisung auf die Gewährleistung beim Kaufe und auf die Bürgschaft bei Forderungen möglichst einfach zu gestalten. Die Anfechtung der Teilung steht unter den gleichen Grundsätzen, wie die Anfechtung der Verträge im allgemeinen. Die Ansprüche der Erben aus der solidaren Haftung in bezug auf den Rückgriff untereinander sind nach dem überlieferten Recht geordnet und einer kürzeren Verjährung unterstellt worden (Art. 633 f.).

V. Das Sachenrecht.
Das Sachenrecht zerfällt in drei Abteilungen. Die erste ist dem absoluten, vollständigen, präsumtiv alle möglichen Rechte umfassenden dinglichen Rechte, dem Eigentum gewidmet. In der zweiten werden die anderen dinglichen Rechte behandelt, die im Vergleiche zum Eigentum alle nur beschränkte dingliche Rechte sind. In der französischen Überschrift zu dieser Abteilung wird in Ermanglung eines gebräuchlichen Ausdruckes für ihre gemeinsame Eigenschaft nur von den "autres droits réels" gesprochen (ähnlich wie im geltenden Obligationenrecht von den Vereinen als von den "autres sociétés"). Die dritte Abteilung handelt von den Formvorschriften oder von der Gestalt, in der die dinglichen Rechte im Verkehre auftreten. Diese Bezeichnung ist von vornherein klar für das Grundbuch, denn da die Führung der Register über die dinglichen Rechte im Grundbuch etwas Äußerliches ist, das zu dem wirklichen Recht hinzukommt, wenn auch gemäß den Vorschriften des Gesetzes notwendig hinzukommen muß, so ist niemand darüber in Zweifel, daß hierin Formvorschriften gefunden werden müssen. Nicht so einfach liegt die Sache beim Besitz. Es ist nicht zu verkennen, daß der Besitz eine doppelte Stellung einnimmt.



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Er stellt sich in gewisser Richtung als ein provisorischer, vorläufiger Zustand dar, der eigenmächtig nicht von einem Fremden gegenüber dem Besitzer soll verändert werden dürfen, und der zur Erleichterung der Aufrechterhaltung der Ordnung jeweils geschützt wird, ohne daß die wirkliche Rechtslage dadurch beeinträchtigt werden soll. Allein daneben bedeutet der Besitz, was weitaus wichtiger ist, auch noch die Gestalt, in der die dinglichen Rechte im Verkehr auftreten, in der sie im Verkehre geschützt werden. Diese letztere Beziehung ist für die Mobilien offenbar analog der immobiliarrechtlichen Grundbuchwirkung, und es ist also der Besitz das Seitenstück zum Grundbuchrecht, er dient dem Mobiliarrecht ebenso wie das Grundbuch dem Immobiliarrecht. Hieraus rechtfertigt es sich, daß die Besitzesordnung und das Grundbuchrecht in eine Abteilung zusammengestellt werden, die, weil sie nicht allgemeine Vorschriften, sondern nähere Angaben über die Gestalt, in welcher die dinglichen Rechte im Verkehre auftreten, enthält, nicht an den Anfang des Sachenrechts, sondern als ergänzender Abschnitt für alle dinglichen Rechte an dessen Schluß gestellt werden muß.
Die erste Abteilung betreffend das Eigentum zerfällt in drei Titel, von denen der erste die allgemeinen Vorschriften und die andern das Grund- und das Fahrniseigentum behandeln.
Die zweite Abteilung ordnet in vier Titeln die verschiedenen beschränkten dinglichen Rechte, die dritte in zwei Titeln das Besitzes- und Grundbuchrecht.
Wir betrachten von diesen Materien im folgenden nur diejenigen näher, die hauptsächlich der Begründung und Erklärung bedürfen.

1. Die allgemeinen Vorschriften über das Eigentum.
Die allgemeinen Vorschriften geben zunächst eine Umschreibung des Inhaltes des Eigentums und fügen an, was als Bestandteil, als Frucht und als Zugehör einer Sache zu betrachten sei. Vgl. Art. 635 bis 639. Nur auf die Zugehör ist hier mit einigen Worten einzutreten. In wesentlicher Übereinstimmung mit dem geltenden Rechte werden als Voraussetzungen, unter denen überhaupt eine Zugehör entstehen kann, sowohl die Zweckverbindung als der Wille des Eigentümers (in beiden Fällen aber ein diesen Beziehungen entsprechendes äußeres Verhältnis zur Hauptsache) genannt. Die Zugehör erhält hiedurch eine Umschreibung, die ausreichend klar ist, sobald sich die Rechtspraxis



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mit der Tragweite der gewählten Ausdrücke einigermaßen vertraut gemacht hat. Namentlich trifft die Befürchtung durchaus nicht zu, daß der Zugehörbegriff damit über das erlaubte Maß ausgedehnt werde. Beispiele können in den Übergangsbestimmungen oder mit einer in diesen vorzubehaltenden Verordnung, soweit dies als wünschenswert betrachtet wird, unschwer aufgestellt werden. Sie in das Gesetz selbst aufzunehmen, wie das von Seiten einiger weniger kantonaler Rechte geschehen ist, haben wir nicht für empfehlenswert erachtet.
Des weitern enthalten die allgemeinen Vorschriften Bestimmungen über das gemeinschaftliche Eigentum. Die Ordnung des Miteigentums, Art. 640 bis 645, kann sich dabei an die kantonalrechtlichen Vorbilder anschließen. Das Gesamteigentum wird angefügt, weil man mit dem gewöhnlichen Miteigentum den vorkommenden Fällen unmöglich überall gerecht werden kann. Zwar ist es richtig, daß das Gesamteigentum stets eine gewisse persönliche Verbindung unter den Eigentümern voraussetzt, liege diese im Erbrecht, im ehelichen Güterrecht, im Familien- oder im Obligationenrecht. Allein dies enthebt die Gesetzgebung nicht der Aufgabe, die übereinstimmende Wirkung dieser Verhältnisse mit Hinsicht auf das Eigentum in ihrer dinglichen Kraft anzuerkennen und ihrem gemeinsamen Gegensatz zum gewöhnlichen Miteigentum Ausdruck zu geben.
2. Das Grundeigentum.
Der Entwurf gebraucht zur Bezeichnung der Immobilien den Ausdruck „Grundstück" und führt in Art. 649 an, was unter dieser Bezeichnung verstanden werde. Die Abgrenzung gegenüber den beweglichen Sachen ist notwendig mit Hinsicht auf das Grundbuch. Dieses muß über alle Immobilien geführt werden, und was in das Grundbuch aufgenommen wird, soll auch Grundstück heißen. Außer den Liegenschaften sind dies die Bergwerke und die dauernden Rechte an öffentlichen Gewässern oder an Liegenschaften, sobald sie selbständig, d. h. nicht einem andern Grundstück als dingliche Berechtigung angefügt sind. Doch findet das Grundeigentumsrecht auf sie nur dann Anwendung, wenn sie in das Grundbuch aufgenommen sind.
Der Erwerb des Grundeigentums steht unter der formalen Vorschrift, daß die Eintragung des Eigentümers in das Grundbuch das vollwirksame dingliche Recht begründet. Vor der Eintragung ist beim Rechtsgeschäft nur ein obligatorisches Ver-



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hältnis vorhanden, dagegen bei dem Erwerb von Gesetzes wegen oder nach Gerichtsurteil (wie beim gesetzlichen Erbschaftserwerb oder bei der durchgeführten Zwangsenteignung ein zwar durchaus als Eigentum anzuerkennendes Recht, über das jedoch grundbuchlich erst verfügt werden kann, wenn die Eintragung erfolgt ist (Art. 650). Damit steht in Verbindung, daß der Erwerber in den letzteren Fällen die Eintragung von sich aus erwirkt, während in dem erstern der Veräußerer die grundbuchliche Verfügung trifft (Art. 658). Die Erwerbsgründe stehen unter der Ordnung, die ihnen in den sie betreffenden Abschnitten gegeben ist (vgl. Art. 654, Abs. 2), und es könnte denn auch von diesem Standpunkte aus die Vorschrift über die Form des Vertrages auf Eigentumsübertragung füglich dem Obligationenrecht zugewiesen werden. Wir haben sie wegen des Zusammenhanges mit dem Grundbuchrechte, d. h. weil sie zugleich eine Voraussetzung der grundbuchlichen Eintragung bildet, in Art. 654, Abs. 1, dem Sachenrecht eingefügt, und zwar, im Anschluß an die meisten Grundbuchrechte, unter Aufstellung des Requisits der öffentlichen Beurkundung. Damit wird ausgeschlossen, daß mit einer bloß mündlichen Abrede oder privaten schriftlichen Aufsetzung (z. B. Briefwechsel) ein obligatorisch wirksames Geschäft über Veräußerung eines Grundstückes begründet werden könne. Was aber unter der öffentlichen Beurkundung zu verstehen sei, sagt der Entwurf nicht, sondern überläßt es den Kantonen darüber nähere Vorschriften aufzustellen. Kantone, die ein Notariat besitzen, werden hierfür den notariellen Akt vorschreiben, andere vielleicht einen Akt, den der Gemeindeschreiber oder Gemeindeammann, oder der Friedensrichter oder Gerichtspräsident zu unterzeichnen hat. Auch kann sehr wohl die Einrichtung getroffen werden, daß der Grundbuchbeamte selber die öffentliche Urkunde aufsetzt, so daß der Abschluß des obligatorischen Vertrages auf diese Art auch äußerlich zum ersten Akt der grundbuchlichen Fertigung erhoben würde, ein Verfahren, das sich den Überlieferungen des Fertigungsrechtes in einigen Kantonen, wie in Zürich, Thurgau, St. Gallen, enge anzuschließen vermöchte.
Unter den Erwerbsgründen wird auch die Ersitzung aufgeführt. Sie ist gegenüber der Publizität des Grundbuches in eigentlichem Sinne nicht mehr möglich, kann aber doch in gewisser Hinsicht nicht ganz entbehrt werden. So einmal für die Grundstücke, die nicht in das Grundbuch aufgenommen sind, für deren Ersitzung Art. 656 neben andern Kautelen eine Frist von dreißig Jahren aufstellt. Ebenso im Falle, wo der Eigentümer aus dem Grundbuche nicht ersichtlich oder seit dreißig Jahren tot oder verschollen erklärt ist. Guter Glaube wird bei dieser Ersitzung



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vom Besitzer nicht verlangt. Dann aber ist auch eine Vorschrift für den Fall notwendig, wo ein Eintrag in das Grundbuch zwar erfolgt ist, aber auf Grund eines unverbindlichen Rechtsgeschäftes oder ohne Rechtsgrund. Der Eingetragene ist in diesem Falle stets, selbst bei gutem Glauben, der Klage des eigentlichen Berechtigten ausgesetzt. Der Grundbucheintrag schützt wohl denjenigen, der auf Grund dieses Eintrages in gutem Glauben von dem Eingetragenen etwas grundbuchlich erworben hat, nicht aber diesen selbst (vgl. Art. 1011 bis 1013). Diese Unsicherheit muß mit Ablauf einer gewissen Zeit ein Ende nehmen, sei es, daß eine Verjährung der grundbuchlichen Anfechtungs- oder Berichtigungsklage, oder dann eine Ersitzung auf Grund des ungerechtfertigten Eintrages aufgestellt wird. Das letztere erscheint uns zweckmäßiger, indem es die Garantie für die Herstellung des Rechtserwerbes erhöht. Selbstverständlich muß hier aber guter Glaube des Eingetragenen für die ganze Zeit verlangt werden, während die Frist auf zehn Jahre festgesetzt werden kann. So gelangt der Entwurf zu einer ordentlichen zehnjährigen und einer außerordentlichen dreißigjährigen Ersitzung, die sich in dieser Bezeichnung an ein verbreitetes Recht anschließen, in ihrer Bedeutung aber mit Hinsicht auf das Grundbuch einen eigenartigen, vom überlieferten Recht abweichenden Inhalt haben (Art. 654 bis 656).
Die Folgen der Zwangsenteignung hat der Entwurf dem öffentlichen Rechte zugewiesen, so daß sowohl der Verlust als auch der Erwerb des Eigentums auf dieser Grundlage nach dem kantonalen und Bundesexpropriationsrecht beurteilt werden muß, immerhin in dem Sinne, daß der Expropriant das Eigentum zu grundbuchlicher Verfügung erst erhält, wenn er eingetragen ist (vgl. oben Art. 650, Abs. 2, und Art. 659).
Der Umfang des Grundeigentums nach oben und unten wird in Art. 660 anerkannt, soweit für dessen Ausübung ein Interesse besteht. Alle Bauten und Pflanzen sind grundsätzlich Bestandteile des Grundstückes. Allein diese Regel kann nur mit verschiedenen Ausnahmen aufgestellt werden, die in der Ordnung über den Bau mit Material, das nicht dem Grundeigentümer gehört (Art. 664, 665), und den Überbau (Art. 666), namentlich aber im Baurecht anerkannt sind. Dieses besteht darin, daß jemand dinglich berechtigt sein kann, einen Bau irgendwelcher Art als dauernde Einrichtung auf fremdem Boden oder in fremdem Erdreich zu haben. Damit erhält eine Anzahl nicht seltener und praktisch wichtiger Fälle eine feste dingliche Grundlage, man denke z. B. an den Keller unter der einem anderen gehörigen Bodenfläche, oder an das Wirtschaftsgebäude auf



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fremdem Boden, an die Quellenfassung oder Wuhranlage auf fremdem Grundstück. Grundbuchlich werden solche Rechte nach dem Entwurf als Dienstbarkeiten behandelt, können aber zudem als dauernde Rechte in das Grundbuch aufgenommen und daraufhin als Grundstücke in den Verkehr gesetzt werden (Art. 667). Sind Bauten nicht zu dauerndem Bestande auf ein fremdes Grundstück gestellt, so behalten sie den Charakter beweglichen Gutes und heißen nach dem Entwurfe Fahrnisbauten (Art. 668).
Es muß sich fragen, ob für die Einpflanzungen die gleichen Rechte anerkannt werden sollen wie für die Bauten. Betreffend die Anerkennung von Pflanzen auf fremdem Boden als Fahrnis und für das Verhältnis der überragenden Pflanzen und die Folgen der Bepflanzung des Bodens mit Pflanzen, die nicht dem Grundeigentümer gehören, kann die Analogie kaum Bedenken erwecken (Art. 669, Abs. 1). Anders nun aber im Verhältnis zum Baurecht. Zwar kennen unsere kantonalen Rechte in ziemlichem Umfange noch heute die Möglichkeit, kraft dinglichen Rechtes einen Baum auf fremdem Boden zu halten, und soweit solche Verhältnisse überliefert sind, besteht für den Entwurf kein Grund, gegen sie einzuschreiten und sie abzuschaffen. Man kann deren Ablösung sehr wohl dem kantonalen Rechte überlassen. Anders dagegen in betreff ihrer Neubegründung. Da verlangt man auch in den Kantonen, die diese Einrichtung haben, in neuerer Zeit doch ziemlich allgemein nach möglichster Beschränkung, und so ist der Entwurf dazu gekommen, eine Berechtigung, einen Baum oder Wald auf fremdem Boden zu halten, nicht mehr als Dienstbarkeit zuzulassen. Überlieferte Verhältnisse sollen freilich nach Bundesrecht weiter bestehen können, nur die Neubestellung eines solchen Rechtes wird ausgeschlossen (Art. 669, Abs. 2).
Das Grundeigentum umfaßt auch die auf dem Grundstück entspringenden Quellen (Art. 660, Abs. 2, vgl. aber immerhin Art. 941, Zif. 3). Sie sind als Bestandteile des Grundstückes geschützt gegen Abgrabung und Verunreinigung seitens der Nachbarn (Art. 694 und 695), sobald gewisse Voraussetzungen vorliegen. Allein hier muß es gleichfalls ermöglicht werden, daß ein anderer als der Grundeigentümer an der Quelle berechtigt sei. Der Entwurf schafft dafür ein dem Baurecht entsprechendes Institut in Gestalt des Quellenrechts, vermöge dessen jemand das dingliche Recht auf eine in fremdem Boden entspringende Quelle haben kann (Art. 692, Abs. 2). Diese Berechtigung wird als Dienstbarkeit eingetragen, kann aber zudem als selbständiges, dauerndes Recht in das Grundbuch aufgenommen werden und wird unter dieser Voraussetzung dem Grundeigentum gleichbehandelt. Der Berechtigte erhält auf der




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Grundlage seiner Dienstbarkeit das Recht zur Ableitung der Quelle und kann das Durchleitungsrecht beanspruchen (Art. 680). Ebenso ist der natürliche Abfluß des Quellwassers nachbarrechtlich gesichert (Art. 679). Bei diesen althergebrachten Regeln darf nun aber eine moderne Gesetzgebung nicht stehen bleiben. Die Bedeutung der Wasserläufe und speziell die Verwertbarkeit der Quellen hat dank der vervollkommneten Technik außerordentlich an Bedeutung zugenommen, und dies ruft einer vermehrten Fürsorge für deren wirtschaftlich richtige Verwendung. Aus solchen Überlegungen hat der Entwurf einmal die Verwendung der Quellen für die wirtschaftlich nächstgebotenen Zwecke dadurch gesichert, daß für deren Ableitung eine öffentliche Kontrolle vorgesehen wird (Art. 693). Sodann werden drei weitere Regeln aufgestellt. Die eine bestimmt, daß Nachbarn, die Eigentümer von Quellen sind, die eine zusammenhängende Gruppe bilden, zu einer den modernen Anforderungen entsprechenden Fassung gezwungen werden können, sobald einer der daran Berechtigten dies verlangt (Art. 696). Die so geschaffene Quellengemeinschaft soll also die möglichst rationelle Ausbeutung der Quellen in dem angegebenen Rahmen sicherstellen. Nach der zweiten wird ein Grundeigentümer gesetzlich dazu berechtigt, eine Wasserzuleitung von seinen Nachbarn zu verlangen, wenn er des notwendigen Wassers entbehrt und der Nachbar ihm solches ohne eigene Not liefern kann (Notbrunnen, Art. 698), immerhin natürlich gegen volle Entschädigung. Die dritte neu vorgeschlagene Regel sieht vor, daß Quellen, die nicht verwertet oder im Verhältnis zu ihrer Verwertbarkeit dem Eigentümer von ganz geringem Nutzen sind, zu gunsten von Trinkwasserversorgungen, Hydrantenanlagen oder anderen Unternehmungen des öffentlichen Wohles gegen volle Entschädigung in Anspruch genommen werden dürfen, ohne daß eine öffentlichrechtliche Zwangsenteignung eingeleitet werden muß (Art. 699). Rechnen wir hierzu noch die Vorschrift, daß Quellen, Brunnen und Bäche, auch wenn sie in Privateigentum stehen, zum Wasserholen, Tränken u. dgl. dem Gemeingebrauch nach kantonalrechtlicher Ordnung freistehen sollen (Art. 697), so erhalten wir damit ein Quellenrecht, das geeignet sein sollte, in hinreichendem Maße dasjenige sicherzustellen, was, sei es nach alter Übung, sei es mit Rücksicht auf die moderne Bedeutung der Wasserläufe, im wohlverstandenen allgemeinen Interesse billigerweise verlangt werden darf.
Von der weitern Ordnung des Grundeigentums heben wir noch die Aufstellung der Regel hervor, daß der Grundeigentümer, der sein Eigentumsrecht überschreitet, für den dadurch gestifteten Schaden verantwortlich sein soll, auch wenn ihn kein



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Verschulden trifft (Art. 670). Man kann diese Vorschrift, die offenbar mit O. R. Art. 67 enge verwandt ist, in das Obligationenrecht versetzen. Da oder dort wird sie schwerlich entbehrt werden wollen.
Des fernern verweisen wir auf die Bestimmungen über das Vorkaufs- und Rückkaufsrecht (Art. 672 bis 674) die deshalb in das Sachenrecht eingefügt sind, weil sie durch Eintragung in das Grundbuch mit dinglicher Wirkung ausgerüstet werden können. Unter Miteigentümern ist in Art. 673 ein gesetzliches Vorkaufsrecht anerkannt. Weitere Vorschriften über den Immobiliarkauf müssen in das Obligationenrecht verwiesen werden, u. a. auch diejenigen, die eventuell hinsichtlich der Bekämpfung der sogenannten Güterschlächtereien in Aussicht zu nehmen sind.
Endlich ordnen die Art. 671 und 675 bis 687 das Nachbarrecht in den Grundzügen, ohne daß hierin der lokalen Übung und dem überlieferten kantonalen Recht, wie namentlich in bezug auf die Abstände, die bei Pflanzungen und Bauten zu beobachten sind, und hinsichtlich der öffentlichrechtlichen, feuer- und baupolizeilichen Beschränkungen (Art. 676, 677, 684 und 688) alle weitere Geltung entzogen werden darf. Unter die Wegrechte ist der fast allgemein anerkannte Anspruch auf Gewährung eines Notweges aufgenommen. Das Durchleitungsrecht können nach Art. 680 nicht nur die Wasserleitungen beanspruchen, sondern auch die Gasleitungen, elektrischen Leitungen, wobei das Verhältnis zum Bundesgesetz betreffend die elektrischen Schwach- und Starkstromleitungen, vom 24. Juni 1902, sich in der Weise abgrenzt, daß der Entwurf die private Berechtigung aufstellt, während das Spezialgesetz für die seiner Vorschrift unterstellten Verhältnisse ein Sonderrecht schafft, das dem allgemeinen Sachenrecht vorgeht.
Das Recht auf Zutritt und Abwehr gibt einer weit verbreiteten Rechtsanschauung Ausdruck und verdient im Privatrecht die Anerkennung, die mit den allgemeinen wirtschaftlichen Interessen verträglich ist (Art. 688 bis 690). Die Vorschrift betreffend das Recht, zur Abwehr von Schaden in fremdes Grundeigentum einzugreifen (Art. 690), kann in Verbindung mit einer Vorschrift über den Notstand, eventuell in das Obligationenrecht aufgenommen werden.
Unter den öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen, die dem kantonalen Rechte zugewiesen werden, sind auch die Vorschriften über die Bodenverbesserungen und die Zusammenlegung der Güter aufgeführt (Art. 691). Gewichtige Gründe würden dafür gesprochen haben, in dem Gesetze selbst diese Materien zu ordnen. Was uns davon abgehalten hat, ist wesentlich



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der Zusammenhang dieser Verhältnisse mit dem öffentlichen Recht, namentlich dem Zwangsenteignungsrecht, sowie mit der in der Hauptsache den Kantonen zugewiesenen Agrarpolitik. Was dem gegenüber auf dem privatrechtlichen Boden vorgesehen werden konnte, ist mit der Ordnung der Grundpfandverhältnisse bei Güterzusammenlegungen in den Art. 792 und 793 dem Entwurfe eingefügt worden.
3. Das Fahrniseigentum.
Über den Gegenstand des Fahrniseigentums haben wir in anderem Zusammenhang bereits gesprochen. Auch Naturkräfte sollen, soweit sie der rechtlichen Herrschaft unterworfen werden können, als Fahrnis gelten, während an den Rechten kein Eigentum besteht. Dienstbarkeiten und Pfandrechte dagegen werden nach der herrschenden Auffassung, die auch der Entwurf anerkennen mußte, an Rechten zugelassen (Art. 700, verglichen mit Art. 764 ff. und 884 ff.).
Das Eigentum an Fahrnis wird ganz allgemein durch Übertragung erworben (Art. 701). Was unter der Übertragung zu verstehen sei, ist beim Besitz geordnet (Art. 960). Allein es muß doch ein Erwerb ohne Besitzesübergang anerkannt werden, wenn auch nur im Umfang des jetzigen Art. 202 des 0. R. (Art. 701, Abs. 2). Des weitern ist sehr in Frage zu ziehen, ob jede Übertragung zu Eigentum das Eigentum wirklich verschaffen solle, selbst entgegen einer Abrede der Beteiligten. Das geltende Recht trifft bekanntlich nach seinem Wortlaute keine Entscheidung darüber, ob ein Eigentumsvorbehalt zulässig sei oder nicht, und erst die Gerichtspraxis hat nach anfänglicher Unsicherheit diese Frage in bejahendem Sinne entschieden. Für den Entwurf fiel nun namentlich in Betracht, daß er im Gegensatz zum geltenden Recht, das bundesrechtlich nur das Faustpfand anerkennt, eine Fahrnisverschreibung zulassen will, der gegenüber es um so eher als möglich erscheinen kann, den Eigentumsvorbehalt ausdrücklich auszuschließen. Zwei Überlegungen stehen sich hier gegenüber: Einerseits ist nicht zu bestreiten, daß der Vorbehalt des Eigentums in vielen Fällen durchaus berechtigt ist, z. B. wo eine Lieferung gegenüber einem nicht ganz sicheren Käufer ohne sofortige Bezahlung stattfindet, weil das Verlangen solcher Zahlung der Verkehrssitte widersprechen, eine Verschiebung aber der Lieferung oder die Bestellung eines Faustpfandes dem Erwerber gar nicht dienen würde. Anderseits aber werden mit dem Eigentumsvorbehalt gar oft Geschäfte gemacht, die allzuleicht entweder



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den Erwerber einer wucherischen Ausbeutung oder Dritte einer schweren Täuschung aussetzen. Es fragt sich, ob dieser Gegensatz ausgeglichen werden kann.
Zunächst muß anerkannt werden, daß in der Praxis der erwähnten wucherischen Ausbeutung des Erwerbers (bei den sogenannten Abzahlungsgeschäften) auch ohne Verbot des Eigentumsvorbehaltes einigermaßen entgegengearbeitet werden kann, indem man die Abzahlungsabreden und Verfallklauseln, die hier üblich sind, unter die Vorschriften über die Konventionalstrafen (namentlich Art. 182 des 0. R.) stellt, und wir behalten uns vor, in diesem Sinne bei der Revision des O. R. einen Vorschlag einzubringen. Sodann könnte man daran denken, den Eigentumsvorbehalt dadurch mit den Interessen Dritter verträglich zu machen, daß seine Wirksamkeit nur unter der Bedingung anerkannt würde, die für den Eigentumserwerb ohne Übergabe aufgestellt ist (Art. 701, Abs. 2). Allein das würde nicht helfen, weil man den Eigentumsvorbehalt gerade auch für die Fälle ausschließen will, wo dieser Vorbehalt nicht zutrifft, nämlich zur Sicherung unter Verhältnissen, bei denen von einer absichtlichen Täuschung gar nicht zu reden ist, sondern nur die Konkurrenz des unbezahlten Lieferanten mit den übrigen Gläubigern des Erwerbers vorliegt. Kann nun aber das Bedürfnis, dem der Eigentumsvorbehalt dienen soll, nicht durch die Fahrnisverschreibung in genügendem Maße befriedigt werden? Der Eigentumsvorbehalt ist freilich einer viel mannigfaltigeren Anpassung fähig als die Fahrnisverschreibung. Diese aber schließt für den gutgläubigen Verkehr wegen ihrer Publizität weniger Gefahren in sich. Ihr würde also das Bedenken nicht entgegenstehen, das den Eigentumsvorbehalt so gefährlich macht, und kann wirtschaftlich die Fahrnisverschreibung wirklich das leisten, was der Verkehr zu seiner Sicherung beansprucht, so verdient sie vor dem Eigentumsvorbehalt doch wohl den Vorzug, sobald nur darauf Bedacht genommen wird, daß die Schwerfälligkeit des vorgeschlagenen Publizitätsmittels (die Eintragung in ein öffentliches Register) nicht außer Verhältnis steht mit dem verfolgten Zwecke. Das aber führt dazu, die Verschreibung, wie der Entwurf es in Art. 890 vorsieht, jedenfalls nicht allgemein zuzulassen, sondern nur für Gegenstände, bei denen die Sicherung der Lieferanten ein dringenderes Bedürfnis ist und in der Regel größere Werte in Frage stehen, während doch eine Faustpfandbestellung als unmöglich erscheint. Diese Voraussetzungen treffen zu für Vieh, für bewegliche Betriebseinrichtungen, sowie für Vorräte und Waren, wenn diese Sachen ihrem Eigentümer zur Ausübung seines Berufes oder Gewerbes dienen. Für alles übrige, für Kleider, Hausrat etc., ist die Verschreibung entbehrlich, weil hier viel leichter ein Faust-



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pfand bestellt werden kann. Dann aber ist ebenso gut auch der Eigentumsvorbehalt entbehrlich und darf also, indem mit jener Umgrenzung die hauptsächlichsten Bedürfnisfälle getroffen werden, im übrigen der Schritt wohl gewagt werden, nicht nur die Fahrnisverschreibung, sondern im Interesse des gutgläubigen Verkehrs auch den Eigentumsvorbehalt auszuschließen. Der Entwurf spricht in Art. 702 überdies den Ausschluß nicht absolut aus, er sagt nur, daß der Vorbehalt gewisser Gegenleistungen nicht mit dem Vorbehalt des Eigentums verbunden werden könne. Also darf beim Verkauf der Maschine, des Werkzeuges nicht der Eigentumsübergang nach der Tradition an die Bezahlung des Kaufpreises geknüpft werden. Dagegen kann es für andere Fälle ganz wohl angehen, den Eigentumsübergang an eine Bedingung zu knüpfen, die keine Gegenleistung in sich schließt. Die Rechtsordnung hat kein Interesse daran, strenger zu sein, als die Bedürfnisse der Verkehrswelt es zu ihrer Befriedigung verlangen müssen.
Der Entwurf regelt in bezug auf den Erwerb des Fahrniseigentums im weiteren die Aneignung, wobei die Vorschriften betreffend die Tiere, namentlich zahme Tiere und Bienenschwärme, einer jetzt oft empfundenen Rechtsunsicherheit ein Ende machen sollen (Art. 704 und 705). Die Ordnung des Fundes ist dem geltenden Rechte nachgebildet. Der Eigentumserwerb des gutgläubigen Finders wird nicht als Ersitzung behandelt, sondern als eine besondere Erwerbsart (Art. 708). Größere Aufmerksamkeit als üblich, ist dem Funde in Gebäuden und Anstalten zugewendet (Art. 710). Der Finder hat Anspruch auf Finderlohn (Art. 712, Abs. 3). Der Schatz wird, unter Entschädigung des Entdeckers, dem Eigentümer der Sache, worin er gefunden worden ist, zugesprochen (Art. 713). Wissenschaftliche Gegenstände kann der Kanton, in dessen Gebiet sie gefunden werden, gegen Entschädigung ansprechen, der Eigentümer des Ortes aber, wo sie gefunden werden, hat Nachgrabungen gegen Ersatz des Schadens zu gestatten (z. B. Ausgrabung von Antiquitäten, Art. 714). Die Zuführung wird dem Funde gleichgestellt (Art. 715). Für die Verarbeitung folgt der Entwurf der Lehre, wonach der neugebildete Gegenstand dem Verarbeiter gehören soll, wenn die Arbeit wertvoller ist als der Stoff, im umgekehrten Falle aber dem Eigentümer des Stoffes (Art. 716). Aus der Vermischung entsteht ein Miteigentumsverhältnis unter den Beteiligten, das der Teilung nach gewöhnlichen Regeln unterworfen ist (Art. 717, 644). Ansprüche auf Schadenersatz und aus Bereicherung bleiben in beiden Fällen vorbehalten. Endlich stellt der Entwurf auch eine Mobiliarersitzung auf, die mit fünf Jahren vollendet ist (Art. 718).



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Der Verlust des Fahrniseigentums bedarf nur insofern einer Regelung, als die Beziehung zum Besitze deutlich hervorzuheben ist. Grundeigentum geht mit der Löschung im Grundbuch verloren, Fahrniseigentum dagegen kann, solange ein anderer das Eigentum nicht erlangt hat, mit dem Besitze allein nicht verloren gehen, wenn nur die Möglichkeit einer tatsächlichen Gewalt über die Sache bestehen bleibt (Art. 719, 959). Die Verschiedenheit rührt daher, daß mit der Löschung eben regelmäßig eine Aufgabe oder Übertragung verbunden ist, der Besitzesverlust aber unter den mannigfältigsten Umständen eintreten kann.

4. Die Dienstbarkeiten und Grundlasten.
Der erste Titel der beschränkten dinglichen Rechte handelt von den Dienstbarkeiten und Grundlasten. Er zerfällt in drei Abschnitte: Die Grunddienstbarkeiten, Nutznießung und andere Dienstbarkeiten und die Grundlasten. Bei der Ordnung der Dienstbarkeiten konnte der Entwurf sich der Richtung in der modernen Entwickelung des Institutes nicht verschließen, wonach ein Grundstück nicht nur dem Eigentümer eines herrschenden Grundstückes, sondern auch einer beliebigen andern Person soll dienen können. An Stelle der altüberlieferten Einteilung in Grunddienstbarkeiten und persönliche Dienstbarkeiten hat der Entwurf demgemäß die Scheidung getroffen, daß zunächst an der Grunddienstbarkeit als einer Beziehung zwischen einem dienenden und einem herrschenden Grundstück festgehalten ist (erster Abschnitt), daß dann aber neben die Nutznießung nicht nur das Wohnrecht, sondern auch eine nicht abgegrenzte Zahl weiterer Gebrauchsrechte gestellt wird (zweiter Abschnitt). Die "anderen Dienstbarkeiten" können also in ihrem Inhalte mit dem Inhalte der Grunddienstbarkeit, was das dienende Grundstück anbelangt, vollständig übereinstimmen, sie werden auch in ihrer rechtlichen Behandlung dieser gleichgestellt (Art. 771). Sie bilden also eine Art unregelmäßiger Grunddienstbarkeiten und erscheinen nur deshalb nicht in dem ersten Abschnitt, weil sie kein herrschendes Grundstück aufweisen und infolgedessen in gewissen Beziehungen ein anderes rechtliches Schicksal haben als jene. Der zit. Artikel nennt als Beispiel ein Wegrecht, das einer Person oder Gemeinschaft zusteht, oder das Recht, auf einem Grundstücke Schießübungen abhalten zu dürfen. Es liegt aber in der Meinung des Gesetzes, daß auch andere Berechtigungen darunter verstanden werden sollen.
Allen Dienstbarkeiten gegenüber stehen mit bestimmt charakterisiertem Inhalte die Grundlasten, indem bei diesen der Eigen-



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tümer des belasteten Grundstückes zu einem Handeln, zu einer Leistung verpflichtet wird, während mit der Dienstbarkeit eine solche Pflicht nur nebensächlich verbunden werden kann (vgl. z. B. Art. 720, Abs. 2).
Die Grunddienstbarkeit ist nach Art 720 mit dem dienenden Grundstück in der Art verbunden, daß sie dessen Eigentümer zu einem Dulden oder Unterlassen verpflichtet. Daraus ergibt sich auch die Verknüpfung mit der Eigenart des Grundstückes, indem nur das Inhalt der Dienstbarkeit sein kann, was als Inhalt des Eigentumsrechtes an diesem Grundstücke denkbar ist. Mit dem herrschenden Grundstücke ist die Verbindung nicht im gleichen Sinne notwendig. Es kann sehr wohl auch eine persönliche Liebhaberei des Eigentümers, die mit der Eigenart des herrschenden Grundstückes gar nichts zu tun hat, Gegenstand der Grunddienstbarkeit sein. Die Natur der Verhältnisse sorgt genügend dafür, daß hieraus keine Verwirrung entsteht, ein Versuch, die genannte Möglichkeit zu beschränken, könnte umgekehrt leicht zu störender Unsicherheit führen.
Der Entwurf unterwirft alle Dienstbarkeiten, also auch alle Grunddienstbarkeiten der Eintragung in das Grundbuch. Doch wird bei der Bestellung durch Vertrag nicht, wie beim Grundeigentum, eine öffentliche Beurkundung verlangt (Art. 654), sondern eine schriftliche Vereinbarung für genügend erachtet. Ja man konnte noch einen Schritt weiter gehen und es bei Grunddienstbarkeiten, die in einer körperlichen Einrichtung allgemein erkennbar und unzweideutig hergestellt sind (wie Dachtraufe, Durchleitung etc.) bei einer formlosen Vereinbarung bewenden lassen (Art. 722). Darin liegt dann zugleich ein gewisses Zugeständnis gegenüber denjenigen Rechten, die, wie das zürcherische, für Dienstbarkeiten ähnlicher Art überhaupt keine Eintragung in das Grundprotokoll verlangen. Wichtig ist bei den Dienstbarkeiten, die ja nicht in den Verkehr gesetzt werden, nur die sichere und zuverlässige Konstituierung, und für diese genügt der Grundsatz, daß die Eintragung in das Grundbuch auf alle Dienstbarkeiten Anwendung finden soll, mag die vorhergehende Abrede so oder anders getroffen sein. Die Kantone, die diesen gewaltigen Fortschritt bereits gemacht haben, befinden sich bei der damit erreichten Abklärung der Verhältnisse so außerordentlich wohl, daß es nicht angehen würde, sie dieses Vorteils wieder zu berauben. Aus dieser allgemeinen Eintragung in das Grundbuch ergibt sich dann auch die Möglichkeit der Zulassung von Eigentümerdienstbarkeiten, deren Anerkennung bei der Anlage von städtischen Quartieren u. a. bishin oft vermißt worden ist (Art. 723).



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Von den Gründen, aus denen die Grunddienstbarkeiten untergehen, heben wir die richterliche Ablösung in den zwei Fällen hervor, wo das Interesse für den Berechtigten ganz oder zum größten Teil verschwunden ist (Art. 727) und der Berechtigte während 10 Jahren sein Recht nicht ausübt (Art. 726). Die Gesetzgebung hat um so mehr Veranlassung, dafür zu sorgen, daß die Belastung von Grund und Boden nur zum Schutze wirklicher Interessen stattfinde, je eifriger sie sich bemüht, diese Belastungen möglichst sicher und zuverlässig zu machen.
In bezug auf den Inhalt der Dienstbarkeiten und die Folgen der Zerstückelung des herrschenden oder des dienenden Grundstückes war es namentlich notwendig, das Verhältnis zum Grundbucheintrag festzustellen (Art. 728 bis 735). Im übrigen finden sich hier keine erheblichen Abweichungen von dem vorherrschenden überlieferten Rechte.
Auch in bezug auf die Nutzniessung läßt sich diese Übereinstimmung mit dem geltenden Rechte behaupten.
Bei der Entstehung dieser Dienstbarkeit war auf die Fälle des gesetzlichen Nießbrauches Rücksicht zu nehmen, was in der Weise geschehen ist, daß eine Eintragung hier nicht verlangt wird. Findet sie aber statt, so wird das Recht wirksam auch gegenüber solchen dritten, die von dessen Bestand keine Kenntnis haben. Ohne die Eintragung kann also dieser Nießbrauch nur denjenigen entgegengehalten werden, die dessen Bestehen kennen (Art. 738). In ihrer Dauer ist die Nutznießung an das Leben des Berechtigten geknüpft. Juristische Personen sollen sie aber, wie schon verbreitet im geltenden Rechte, nur auf hundert Jahre beanspruchen können (Art. 740), eine Vorschrift, die jedoch keine rückwirkende Kraft hat.
In der wichtigen Frage der Kautionsleistung hat der Entwurf sich den Rechten angeschlossen, die den Eigentümer nur bei Nachweis einer Gefährdung für befugt erklären, eine solche zu verlangen, unter Anfügung der von der Natur der Verhältnisse geforderten Ausnahmen (Art. 751 ff.).
Besondere Aufmerksamkeit wurde sodann noch einigen besonderen Fällen der Nutznießung zugewendet: Nutznießung an Grundstücken (Art. 759 f.), an Wald und an Bergwerken (Art. 761 f.), an verbrauchbaren Sachen (Art. 763) und an Forderungen (Art. 764 und 765). In dem letztgenannten Falle schließt sich der Entwurf denjenigen Rechten an, die dem Nutznießer ohne weiteres nur ein Recht auf den Zinsgenuß zuerkennen. Für alles andere (Kündigung, Einziehung etc.) ist ein gemeinsames Handeln des Nutz-



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nießers und des Eigentümers vorgesehen, wobei aber beidseitig gute Treue beobachtet werden soll. Namentlich kann von dem einen und andern für das eingegangene Kapital eine sichere und zinstragende Neuanlage verlangt werden.
Neben der Nutznießung nennt der Entwurf noch das Wohnrecht (Art. 766 bis 769) und das Baurecht (Art 770). Von den weiter möglichen unregelmäßigen Dienstbarkeiten haben wir bereits gesprochen (Art. 771).
Die Grundlasten sind für die wirtschaftlichen Verhältnisse in einzelnen Gegenden fast nicht entbehrlich. Um die Befürchtungen, die vor diesem Institute in anderen Landesteilen bestehen, einigermaßen zu beseitigen, haben wir die Einschränkung angefügt, daß die Grundlast eine Leistung zum Inhalt haben müsse, die entweder mit der wirtschaftlichen Natur des belasteten Grundstückes zusammenhängt, oder für die wirtschaftlichen Bedürfnisse eines berechtigten bestimmt ist (Art. 772, Abs. 2; z. B. Holzlieferung aus einem Walde, Elektrizitätslieferung für eine Fabrik). Das Gegenstück zur Grundlast, die Berechtigung eines Grundstückes auf eine Leistung, wird als eigenes Institut neben der Grundlast nicht erwähnt, sie ist nur in der Verbindung angeführt, daß als möglicher Berechtigter der Grundlast ein anderes Grundstück genannt wird (Art. 772, Abs. 2).
Die Grundlast des Entwurfes kann keine unbeschränkte Dauer haben. Sie darf zwar von dem Gläubiger nur unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen abgelöst werden (Art. 777). Dem Schuldner dagegen steht das Recht der Ablösung, auch wenn der Vertrag etwas anderes bestimmt, in jedem Falle nach dreißig Jahren zu (Art. 778), wobei auch der Ablösungsbetrag festgesetzt ist (Art. 779). Die Ordnung des Inhaltes richtet sich nach dem Charakter der Grundlast als einer bloßen Belastung des Grundstückes unter Ausschließung der persönlichen Verpflichtung des Eigentümers (Art. 781 f.). Die Verwandlung der rückständigen Leistung in eine persönliche Schuld des Pflichtigen mit Ablauf von drei Jahren (Art. 781, Abs. 2) entspricht dem vorherrschenden Recht und ist verwandt mit der Haftung des Grundpfandes für drei rückständige Zinse (Art. 807).

5. Das Grundpfand.
Der Titel über das Grundpfand handelt in einem ersten Abschnitte von den allgemeinen Bestimmungen und in den folgenden drei von den einzelnen Arten des Grundpfandes.



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Die ganze Ordnung des Grundpfandes liegt im wohlverstandenen Interesse sowohl des Gläubigers als des Schuldners, und es läßt sich in den meisten Fällen von den einzelnen Vorschriften gar nicht sagen, ob sie durch die Rücksicht auf die eine oder die andere Seite veranlaßt seien. Je günstiger die Anlage von Kapitalien auf Grund und Boden für den Gläubiger gestaltet wird, um so eifriger wird das Kapital diese Anlage suchen, und je mehr dieses Angebot steigt, um so günstiger werden die Bedingungen für die Schuldner ausfallen. Den Grundpfandgläubigern muß besonders an einer möglichst zuverlässigen Publizität der Grundbelastungen, sowie an der Schaffung eines verkehrsfähigen Pfandtitels gelegen sein. Der Schuldner wird namentlich auf die Ermöglichung einer seine Interessen wahrenden Mobilisierung des Bodenwertes sehen. Im Interesse des ganzen Landes aber liegt es, einerseits einer Überschuldung des Grundeigentums, soweit sie als wirtschaftlicher Schaden betrachtet werden muß, zu wehren und anderseits die zugelassenen Belastungen so zu gestalten, daß Entäuschungen und Verluste so viel als nur möglich vermieden werden.
Das Grundpfand dient sowohl zur Sicherstellung irgend einer beliebigen Forderung als auch zum Verkehr mit dem Bodenwert. In beiden Fällen liegt aber die gleiche Belastung der Grundstücke vor, so daß für alle Arten des Grundpfandes ein gemeinsamer Begriff und ein Komplex gemeinsamer Vorschriften geschaffen weiden kann. Diese gemeinsame Ordnung beschlägt namentlich folgende Momente:
1.  Die Forderung muß in eine bestimmte Form gekleidet werden, um der Sicherung durch Grundpfand fähig zu sein. In Übereinstimmung mit dem modernen Grundpfandrecht im allgemeinen verlangt der Entwurf die Angabe eines numerisch fixierten Forderungsbetrages. Ob auch der Höchstbetrag des erlaubten Zinsfußes gesetzlich festgestellt werden solle, ist eine Frage weniger der Grundpfand- als der Wuchergesetzgebung. Der Entwurf hat diesfalls die spätere Gesetzgebung des Bundes vorbehalten (.Art. 784, 785).
2.   Das Grundstück muß speziell als Unterpfand angegeben werden, so daß Generalhypotheken unmöglich sind (vgl. Art. 787). Dagegen schließt der Entwurf die Pfandsetzung mehrerer bestimmt genannter Grundstücke für eine Forderung nicht absolut aus. Sie soll möglich sein, wenn diese Grundstücke demselben Schuldner oder mehreren solidarisch verpflichteten Schuldnern zugehören. In den anderen Fällen wird sie zwar auch zugelassen, aber nur in der Weise, daß der gesamte Betrag auf die Grund-



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stücke zur Bestimmung der Haftung eines jeden verteilt wird (Art. 788). Erleichtert wird die Pfandgabe mehrerer Grundstücke durch denselben Eigentümer mit der Einführung von sogenannten Kollektivfolien im Grundbuch (Art. 985).
3.   Für die Errichtung des Grundpfandes wird die Eintragung in das Grundbuch verlangt. Ihr voran geht regelmäßig ein Vertrag über die Errichtung des Grundpfandes, für dessen obligatorische Wirksamkeit der Entwurf aus den gleichen Gründen, wie bei der Eigentumsübertragung, die öffentliche Beurkundung verlangt, und die auch in denselben Formen erfolgen kann, wie wir sie bei der Handänderung erwähnt haben (Art. 789).
Ein gesetzliches Pfandrecht wird einerseits vom Entwurfe selber vorgeschlagen, und kann anderseits von den kantonalen Rechten vorgesehen werden. Es führt zu einer besonderen Art des Pfandrechtes, die der Entwurf unter die Pfandverschreibung verwiesen hat (vgl. Art. 822 ff). Dagegen ist hier noch die Möglichkeit zu berücksichtigen, daß bei belasteten Grundstücken infolge von Zusammenlegung der Güter gewisse Veränderungen notwendig werden. Die hieraus sich ergebenden Schwierigkeiten bilden oft ein fast unübersteigliches Hindernis für die Durchführung der so sehr zu begrüßenden Zusammenlegungen, so daß diesen wesentlich Vorschub geleistet werden kann, wenn über die Grundpfandverhältnisse einige leitende Sätze aufgestellt werden. Sie sind in den Art. 792 und 793 dem Entwurfe eingefügt worden.
4.   Der Umfang der Pfandhaft bestimmt sich nach dem Umfang des Unterpfandes mit Einschluß aller Bestandteile und der Zugehör. Eine Anmerkung der Zugehör im Grundbuch ist hierfür nicht notwendig. Man wird sie aber zur Schaffung größerer Klarheit oft und gerne vornehmen, womit sich alsdann die Wirkung verbindet, daß die Zugehörqualität für die angemerkten Stücke vermutet wird, solange nicht nachgewiesen ist, daß die Gegenstände nach dem Gesetz oder den tatsächlichen Umständen gar nicht Zugehör sein können (Art. 794, bes. Abs. 2). Eine willkürliche Ausdehnung der Zugehör bei Verpfändung der Hauptsache kennt der Entwurf nicht, gestaltet aber im Rahmen des Zugehörbegriffes (Art. 638) unzweifelhaft Hotelmobiliar oder Maschinen oder auch elektrische Anlagen mit dem Grundstück zu Pfand zu geben. (Vgl. Art. 794, Abs. 2).
Die Früchte des Grundstückes sind Bestandteile desselben, solange sie nicht abgetrennt sind, und stehen mithin in der Pfandhaft, und zwar bestimmt sich die Feststellung dieser Pfandhaft nach dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Sicherheit durch



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den Pfandgläubiger (Anhebung der Betreibung oder Eröffnung des Konkurses). Miet- und Pachtzinse sind keine Zugehör zum Grundstück, allein von demselben Zeitpunkte an hat doch der Pfandgläubiger ein Recht auf die gesamte Verwertbarkeit des Unterpfandes, und dazu gehört auch der Miet- oder Pachtnutzen. Aus dieser Überlegung läßt es sich rechtfertigen, wenn die von da an auflaufenden Zinse zur Deckung der Pfandforderungen in Anspruch genommen werden, nur daß zum Schutze des Zinsschuldners die nötige Kautel angefügt werden muß. Der Entwurf hat eine solche Vorschrift in Art. 795 aufgestellt.
5. Die Wirkung des Grundpfandes geht zunächst dahin, daß der Gläubiger Sicherungsmaßregeln ergreifen kann, bei deren Ordnung der Entwurf sich an das vorherrschende kantonale Recht gehalten hat (vgl. Art. 797 bis 799, unter Anfügung einer besonderen Klausel betreffend die Pfandentlassung bei der Abtrennung kleiner Stücke vom Unterpfand, Art. 800).
Weitere Belastungen werden der allgemeinen Regel unterstellt, daß die jüngeren bei der Verwertung den älteren nachgehen, ein Prinzip, das nach den Erfahrungen mehrerer Kantone auch im Verhältnis von älteren Pfandrechten zu jüngeren Dienstbarkeiten gute Dienste leistet (Art. 801). Ruhen mehrere Pfandrechte auf demselben Unterpfand, so belegt jedes nach seinem Range eine Pfandstelle, die auch bei dem Untergang der Forderung als leere Stelle offen bleibt, bis sie im Grundbuch gelöscht wird. Nur bei der Pfandverwertung werden solche leere Stellen ignoriert. Diese Ordnung ermöglicht namentlich den freien Verkehr mit mobilisierten Bodenwerten, indem ein jedes Pfandrecht auf den einmal begründeten Rang angewiesen bleibt, ohne Rücksicht auf das Schicksal der auf der vorgehenden Pfandstelle lastenden Forderung. Der Eigentümer kann also diese vorgehende Pfandforderung selbst erwerben und sie beliebig nachher wieder in den Verkehr bringen, er mag auch in geeigneter Weise eine zweite Pfandstelle vor der ersten ausgeben und erzielt auf diese Weise eine Beweglichkeit in der Benutzung seines Immobiliarkredites, die ihm die besten Dienste zu leisten vermag und doch die Gläubiger, da sie ja bei ihrer einmal begründeten Pfandstelle verbleiben, in ihren Interessen nicht beeinträchtigt (Art. 804 bis 806).
Die letzte Wirkung des Grundpfandes ist die Befriedigung der Gläubiger auf dem Wege der Pfandverwertung. Sie geschieht nach dem Range, der durch das Datum des Eintrages bestimmt wird (Art. 1010). Als Forderung des Gläubigers gilt der im Grundbuch fixierte Kapitalbetrag, vermehrt um die Kosten der Betreibung und die anderen gesetzlichen Folgen des Schuld-



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verhältnisses (Verzugszinse u. dgl.), wozu noch in Übereinstimmung mit der großen Mehrzahl der kantonalen Rechte der laufende und drei verfallene rückständige Jahreszinse, in keinem Falle aber mehr als vier Zinse kommen (Art. 807). Dazu fügt der Entwurf eine Sicherung des Gläubigers für Auslagen, die er zur Erhaltung der Pfandsache gemacht hat (Art. 808), sowie Vorschriften über die Behandlung der Versicherungssumme (Art. 809) und über die Vertretung des nach seinem Namen oder Wohnort unbekannten Gläubigers (Art. 810, anwendbar bei der Vornahme von Pfandentlassungen, Eintragsbewilligungen u. dgl.).
Abgesehen von diesen gemeinsamen Regeln verlangen nun aber im übrigen die beiden Funktionen, die wir oben für das Grundpfand unterschieden haben (Sicherung einer Forderung und Verkehr mit Bodenwerten), nicht nach der gleichen Ordnung des Pfandrechtes, ja sie sträuben sich gegen eine Gleichbehandlung. So finden wir denn in allen unseren kantonalen Grundpfandrechten, bald offen, bald versteckt, eine Unterscheidung verschiedener Grundpfandarten. Es ist klar, daß auch der Entwurf sich dieser Unterscheidung nicht entziehen konnte.
Für die bloße Sicherung irgend einer Forderung dient die Pfandverschreibung, deren Existenz sich in dem Pfandrecht erschöpft, die im Verkehr nicht selbständig auftritt, und für die daher auch eine mit eigener Wirkung ausgerüstete Urkunde nicht ausgestellt wird (Art. 812, Abs. 2). Den Verkehr mit den Bodenwerten aber übernimmt ein Grundpfandtitel, den der Entwurf zum Wertpapier ausgestaltet hat (Art. 840 ff.). Hierbei kann nun aber wieder an zwei verschiedene Funktionen gedacht werden. Entweder nämlich handelt es sich um einen mobilen Wert, der nach seiner Natur in keiner Weise auf längere Dauer Anspruch macht, für den auch eine notwendige Beziehung zum Werte des Unterpfandes nicht gefordert wird. Oder die Belastung wird als dauernde Geldanlage gedacht und soll durch den Wert des Unterpfandes so zuverlässig als nur möglich gedeckt werden. Bei der letzteren Anlage denkt man sich also die Mobilisierung des Bodenwertes als eine bleibende Erscheinung, deren Unterscheidung von der ersteren natürlich dazu fuhren muß, daß die Bedingungen der Geldanlage für sie, die zweite, im allgemeinen günstiger sind als für die erste. Man verschafft also der dauernden und zuverlässigeren Anlage unbedingt einen besseren Markt, als ihn die andere oder die weiter nicht klassifizierte Bodenbelastung überhaupt erwarten könnte, und das ist volkswirtschaftlich ein großer Gewinn. Diese Verschiedenheit in der Funktion führt weiter zu einer verschiedenen Ausgestaltung der beiden Pfand-



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arten: Für jene dauernde Anlage besitzt nach der Natur des Verhältnisses der Personalkredit des Eigentümers so zu sagen keine Bedeutung, sie kann also einer persönlichen Haftung entbehren und wird rationell als Grundlast ausgestaltet. Das schweizerische Recht hat hiefür seit langem in großer Verbreitung die Gült verwendet. Daraus ergab es sich, unter einfacher Fortführung der im geltenden Rechte vorhandenen Ansätze, daß die Gült in den Entwurf aufgenommen und als Grundlast mit der Funktion jener gesicherten Geldanlage betraut werden konnte. Sie bildet also die erste Art des in einem Pfandtitel mobilisierten Bodenwertes. Die zweite Art aber wird, in Nachahmung des zürcherischen und anderer Rechte, im Entwurfe Schuldbrief genannt. Gewiß kann diese doppelte Gestalt des mobilisierten Bodenwertes an sich schon mit dem Hinweise auf die angeführte Überlieferung gerechtfertigt werden. Allein sie findet ihre Begründung noch in weit höherem Maße durch ihre Beziehung auf die Verschiedenheit in der Fundierung der Anlage und der daraus zu erhoffenden Vorteile für den Bodenkredit. Freilich werden die Gültkantone in der Gült des Entwurfes nicht ganz dasjenige finden, was sie jetzt als Gült vor sich haben. Aber auch sie müssen des Vorteils bewußt werden, den die im Entwurfe gemachte Unterscheidung mit sich bringt. Im übrigen ist, damit der Übergang von der bisherigen zur neuen Gült nicht wirtschaftlichen Schaden stifte, in Art. 839 vorgesehen, daß die erstere auch unter dem neuen Rechte zunächst fortbestehen und ihre Pfandstelle behalten kann, solange diese nicht im Grundbuch gelöscht wird. Erst wenn die bisherige Gült auch formell untergegangen ist, oder also bei einer Neubelastung des Bodens, wird die vom Entwurfe aufgestellte Belastungsgrenze unbedingt eingehalten werden müssen. Die Übergangsbestimmungen werden hierüber weitere Vorschriften aufzustellen haben.
So kennt also der Entwurf drei Arten von Grundpfandrechten: Die Grundpfandverschreibung, den Schuldbrief und die Gült (Art. 783). Was über die grundversicherten Anleihepapiere zu bestimmen ist, reiht sich der einen oder andern dieser drei Arten an. Andere Pfandarten werden nicht zugelassen.
Die Grundpfandverschreibung stellt an die Gestalt der zu sichernden Forderung keine besondern Anfordernisse (Art. 812 und 784). Ihr Pfandrecht erhält eine bestimmte Pfandstelle nach allgemeinen Vorschriften (Art. 802). Der Schuldner kann Eigentümer des Unterpfandes oder ein Dritter sein (Art. 811), und ist letzteres der Fall, so kann der Eigentümer das Grundpfand ablösen, wie der Schuldner die Forderung zu tilgen berechtigt ist.



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Er wird Gläubiger des Schuldners, wenn er dessen Gläubiger befriedigt (Art. 814).
Dazu kommen nun einige Vorschriften, die mit der besondern Natur der Pfandverschreibung zusammenhangen, während sie für Schuldbrief und Gült ausgeschlossen sind, oder doch nur unter Vorbehalt Anwendung finden können.
Was vorerst das Schicksal des Grundpfandes bei Veräußerung oder Zerstückelung des Pfandobjektes anbelangt, so wäre es an sich, im Interesse der möglichst einfachen Gestaltung der Eigentums- und Schuldverhältnisse, sehr wünschenswert, alle drei Arten des Grundpfandes derselben Regel zu unterstellen. Allein für die Gült ergibt sich aus der Grundlastnatur, daß der neue Eigentümer unter Befreiung des bisherigen von selbst Pfandschuldner wird und daß bei Zerstückelung des Gesamtobjektes Teilgrundlasten entstehen (Art. 837, 838). Für die Grundpfandverschreibung folgt aus ihrem accessorischen Charakter umgekehrt, daß Veräußerung oder Zerstückelung auf die pfandrechtliche Belastung gar keinen Einfluß auszuüben vermag, und der Schuldbrief neigt sich nach seiner rechtlichen Natur eher der letzteren, nach seiner Verkehrsfunktion eher der ersteren Lösung zu. Kann hiernach von einer übereinstimmenden Ordnung schwerlich die Rede sein, so läßt sich eine solche nun doch wohl ohne erhebliche Bedenken wenigstens für Pfandverschreibung und Schuldbrief durchführen. Dies geschieht im Entwurf mit folgenden Vorschriften, die zunächst für die Pfandverschreibung aufgestellt sind, aber gemäß Art. 832 auch für den Schuldbrief Geltung haben: In erster Linie wird es dem Erwerber des Pfandobjektes oder eines seiner Teile überlassen, ob er die Schuld übernehmen wolle, die in Gestalt einer Pfandverschreibung auf dem Grundstücke lastet. Falls er sie aber übernommen hat, wird der alte Schuldner frei, wenn der Gläubiger nicht innerhalb Jahresfrist erklärt, er wolle ihn beibehalten. Erklärt er dies nicht, so hat er also den neuen Eigentümer des ganzen oder der Parzelle als seinen alleinigen Schuldner angenommen (Art. 818, Abs. 2, 819, Abs. 3). Dazu kommt, daß, wie bei der Verpfändung mehrerer Grundstücke verschiedener Eigentümer, so auch bei der Zerstückelung eines mit einer Grundpfandverschreibung belasteten Grundstückes, die Pfandhaft unter die Parzellen verteilt werden soll (vgl. Art. 819, Abs. 1, und 788, Abs. 2) und daß, wenn der Gläubiger diese Verteilung nicht annehmen will, er innerhalb Monatsfrist die Liquidation der Pfandverschreibung verlangen kann und muß (Art. 819, Abs. 2).
Im weitern gibt der Entwurf dem Erwerber eines mit Pfandverschreibungen belasteten Grundstückes das Recht, die Lasten



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um den Erwerbspreis abzulösen. Das Rechtsmittel ist dem französischen Rechte entnommen und wird, wie die Purgation des Code, mit den nötigen Kautelen ausgerüstet, um vor Mißbrauch so viel als möglich geschützt zu sein (Art. 815 f.).
Von gesetzlichen Pfandrechten unterscheidet der Entwurf zwei Arten: diejenigen, die ohne Eintrag bestehen (Art.823), und diejenigen, die dem Berechtigten nur einen Anspruch auf Eintragung verschaffen, das Pfandrecht selber aber erst mit der Eintragung entstehen lassen (Art. 824). Einen solchen Anspruch kennt der Entwurf für drei Fälle: Kaufpreis, Forderung aus Erb- oder Gemeinderschaftsteilung und Forderungen der Bauhandwerker und -unternehmer. Ein Verzicht auf den Anspruch ist, wenn zum voraus erklärt, in allen diesen Fällen unverbindlich (Art. 824, Abs. 3). Die beiden ersten sind schon dem geltenden Recht in verschiedener Gestalt wohl bekannt. Das Pfandrecht der Baugläubiger findet sich im französischen Recht (Genf und Berner Jura), jedoch in einer Ordnung, die ihm keine große praktische Bedeutung gesichert hat. Und doch verlangen die Verhältnisse, weil die Baugläubiger durch die Verkehrssitte dazu gezwungen werden, ihre Dienste zu leisten, bevor sie Bezahlung verlangen können, durchaus nach einem Schutz für die redliche Arbeit. Die Abhülfe, die der Entwurf nun hierfür vorschlägt, beruht auf folgender Ordnung: Die Unternehmer und Handwerker, die sich an einem Bau oder anderen Werke auf einem Grundstücke mit Arbeit oder Verwendungen beteiligen (nicht aber die bloßen Lieferanten), sind von Gesetzeswegen berechtigt, für ihre Forderungen aus dem Werkvertrag, also für Arbeit oder geliefertes Material, ein Pfandrecht auf das betreffende Grundstück im Grundbuch eintragen zu lassen, und zwar bis spätestens drei Monate nach der Vollendung ihrer Arbeit. Diese Eintragung verschafft ihnen ein Pfandrecht im Range des Eintragungsdatums, aber unter gleichmäßiger Verteilung der damit erzielten Deckung unter alle Baugläubiger verschiedenen Ranges (Art. 824 und 827). Darüber hinaus hat sodann die Eintragung noch eine zweite Wirkung: sie verschafft dem eingetragenen Gläubiger ein Anfechtungsrecht gegenüber den vorgebenden Pfandgläubigern, deren Pfandrechte in der diesen Gläubigern erkennbaren Absicht einer Schädigung der Handwerker und Unternehmer auf das Grundstück gelegt worden sind (Art. 828, Abs. 1). Diese in die gegenwärtige Vorlage aufgenommene Ausdrucksweise lehnt sich an Art. 289 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes an (betreffend die Voraussetzungen der Anfechtungsklage), wobei man von der Annahme ausgehen darf, daß die Rechtsprechung den Art. 828 des Entwurfes nicht weniger liberal interpretieren werde, als dies mit dem zitierten Art. 289 geschehen ist. Den vorgehenden




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Gläubigern wird also die Vigilanz zugemutet, sich, wenn sie einen Kredit oder ein festes Darlehen auf ein zu bebauendes Grundstück gewähren wollen, nach den Begleitumständen zu erkundigen und zuzusehen, ob sich aus diesen nicht erkennen lasse, daß der Bauherr oder Grundeigentümer durch die Art seines Vorgehens auf die Schädigung der Handwerker und Unternehmer spekuliere. Läßt sich dies bei schuldiger Aufmerksamkeit erkennen, so riskieren sie trotz ihres Vorganges, aus ihrem Verwertungsanteil den Baugläubigern insoweit Ersatz leisten zu müssen, als der Bauherr mit der Pfandbestellung auf den Schaden der Baugläubiger spekuliert hat. Sind die vorgehenden Pfandgläubiger aber selbst an dieser Spekulation beteiligt, so Unterliegen sie natürlich um so sicherer dieser Haftung. Sie haben demnach alles Interesse daran, dafür zu sorgen, daß die Baugläubiger aus dem Gelde, das sie dem Bauherrn vorstrecken, gedeckt werden. Schon die Existenz einer solchen Kautel wird sich zur Abstellung der Mißbräuche wirksam erweisen. Der Entwurf fügt aber noch zwei weitere Vorschriften bei, um gewissen Ausflüchten, die bei der vorgeschlagenen Ordnung möglich wären, von vornherein zu begegnen. Ist der vorgehende Pfandtitel ein Schuldbrief oder eine Gült, so würde nämlich dessen Gläubiger nur den Titel zu veräußern brauchen, um das Anfechtungsrecht der Baugläubiger illusorisch zu machen, denn dem neuen Pfandgläubiger gegenüber würden die Baugläubiger, wenn er nicht selber in bösem Glauben wäre, zur Anfechtung nicht berechtigt sein. Dieser Gefahr wird begegnet, wenn der veräußernde Pfandgläubiger für den hieraus sich ergebenden Ausfall verantwortlich erklärt wird (Art. 828, Abs. 2). Freilich hilft dies den Baugläubigern gegenüber einem insolventen Haftbaren nichts. Deshalb wird noch die weitere Vorschrift angefügt, daß nach Beginn des Werkes, auf Anzeige eines Beteiligten hin, während der Eintragungsfrist überhaupt keine Schuldbriefe und Gülten sollen errichtet werden dürfen (Art. 828, Abs. 3). Für Pfandverschreibungen ist diese Vorschrift nicht notwendig, weil der Erwerber derselben bei dem persönlichen Charakter der in ihr ausgesprochenen Schuldpflicht auf keine andere Rechtsstellung Anspruch hat, als wie sie dem Cedenten zugekommen wäre, so daß die Anfechtung der Baugläubiger trotz der Abtretung durchzudringen vermag.
Der Schuldbrief verlangt eine persönliche Forderung, deren Gestalt nur in betreff der Kündigungsfrist eine besondere Regel aufweist (Art. 829). Für das Verhältnis der Belastung zum Wert des Grundstückes können die Kantone besondere zwingende Vorschriften aufstellen (Art. 830).
Die Gült darf nur innerhalb einer bestimmten Quote des Schatzungswertes des Grundstückes errichtet werden (Art. 834). Ferner ist sie als dauerndes Anlagepapier für den Gläubiger un-



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kündbar, während der Eigentümer sie mindestens in Perioden von je zehn Jahren auch dann ablösen kann, wenn der Vertrag etwas anderes bestimmen sollte (Art. 836). Diese Ordnung empfiehlt sich aus der Erwägung, daß die Entlastung von Grund und Boden, soweit es mit Rücksicht auf die Stabilität des Bodenkredites als tunlich erscheint, begünstigt zu werden verdient und jedenfalls durch private Abmachungen nicht ganz nach Willkür soll ausgeschlossen werden können. Die Haftung des Staates für den Schatzungswert der belasteten Grundstücke vollendet die Fundierung dieser Pfandtitel zu den angegebenen Zwecken, ohne daß der Fiskus bei der angenommenen Belastungsgrenze dadurch erheblich belastet werden dürfte (Art. 835).
Die gemeinsamen Vorschriften über Schuldbrief und Gült bezwecken, den Pfandtitel zu einem umlauffähigen Wertpapier zu machen. Die Forderung darf bei beiden weder Bedingung noch Gegenleistung enthalten (Art. 840). Einreden aus dem zu Grunde liegenden Geschäft gehen infolge Schulderneuerung regelmäßig unter (Art. 841). Die Bezeichnung des Gläubigers kann auf den Inhaber lauten, wodurch aber die Schuld nicht den Charakter einer Holschuld gewinnt, sondern, wenn es nicht anders bestimmt wird, vom Schuldner beim Gläubiger zu entrichten bleibt. Dabei darf der Schuldner den bisherigen Gläubiger als berechtigt betrachten, solange ihm ein Gläubigerwechsel nicht angezeigt ist (Art. 845 bis 848). Dazu kommen Vorschriften über die Stellvertretung durch einen auf dem Titel genannten "Treuhänder" (Art. 846), den Schutz des guten Glaubens nach Maßgabe des Eintrages im Grundbuch (Art. 851 bis 853) unter Haftung des Staates bei Verschiedenheit des Eintrages und des amtlich ausgestellten Pfandtitels (Art. 994), die Übertragung und Kraftloserklärung (Art. 855 bis 857), die Herausgabe des Pfandtitels und die Anmerkung von Veränderungen am Pfandrechts- oder Forderungsverhältnis (Art. 859, 860).
Besondere Beachtung erheischt endlich noch die Emission von Anleihen mit grundpfändlicher Deckung. Sie kann in der Weise geschehen, daß zu einem Anleihen mit Obligationstiteln, die als persönliche Forderungen auf den Schuldner lauten, das Pfandrecht accessorisch hinzukommt, und zwar entweder durch Errichtung einer Grundpfandverschreibung oder eines Schuldbriefes zu gunsten jeder Obligation und Bezeichnung eines Stellvertreters für die Obligationäre, oder durch Errichtung eines Grundpfandes für das ganze Anleihen zu gunsten der Ausgabestelle und Bestellung eines Pfandrechtes für die Obligationäre an dieser Grundpfandforderung, oder auch einfach durch Einkleidung der Obligationen in die Gestalt von Schuldbriefen, die zusammen als Serientitel ausgegeben werden (Art. 861). Daneben können auch Gülten zur Aus-



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gabe gelangen, die ebenfalls in Serien emittiert werden, aber den Gläubigern kein persönliches Forderungsrecht gegen den Schuldner gewähren (Art. 862). Von diesen Möglichkeiten waren im Entwurf nur die zwei letztern näher zu entwickeln. Auf die beiden erstern ist bei der Ordnung des Grundpfandrechtes im allgemeinen und des Grundpfandverschreibungs- und Schuldbriefrechtes schon hinreichend Bedacht genommen worden (vergl. namentlich Art. 784, 802, 812, 845, 846). Die Serienschuldbriefe und Seriengülten müssen für die ganze Serie in einheitlicher Gestalt ausgegeben werden. Sie können mit Amortisationsvorschriften verbunden werden. Ihre Tilgung erheischt besondere Vorsichtsmaßregeln namentlich mit Hinsicht auf die Durchführung der Amortisation oder des Tilgungsplanes (Art. 863 bis 869).

6. Das Fahrnispfand.
Der Titel über das Fahrnispfand zerfällt in fünf Abschnitte, deren erster vom Faustpfand und Retentionsrecht handelt und inhaltlich nur wenig vom geltenden Bundesrecht (sechster Titel des Obligationenrechts) abweicht. Hervorzuheben ist die Ausschließung der Retention an Sachen, deren Natur eine Verwertung nicht zuläßt (Art. 881, Abs. 1), und die Vorschrift betreffend die Verwertung zurückbehaltener Namenpapiere, seien es Rektapapiere oder nicht indossierte Ordrepapiere, wobei die erforderliche Mitwirkung in der Ausstellung der Cessionsurkunde oder in der Indossierung bestehen wird (Art. 883, Abs. 2).
Auch der zweite Abschnitt, vom Pfandrecht an Forderungen und Rechten, weicht vom geltenden Bundesrecht im wesentlichen nicht ab, vgl. Obligationenrecht, Art. 214 u. 215. Neu ist die Ausdehnung auf alle Rechte, die übertragen werden können (Art. 884). Das Obligationenrecht hatte zu dieser Ausdehnung keine Berechtigung, indem die nicht obligationenrechtlichen Ansprüche auch in bezug auf ihre Verpfändbarkeit unter dem kantonalen Rechte standen. Der Entwurf stellt nun auch in bezug auf die Verpfändung anderer Rechte, wie z. B. einer Nutznießung oder eines Erbanspruches, die wünschenswerten Regeln auf. Betreffend die Form der Verpfändung von Forderungen ist eine Änderung und Ergänzung eingetreten. Das geltende Recht verlangt hiefür im allgemeinen die Benachrichtigung des Schuldners (Art. 215 des Obligationenrechts), obgleich dazu, wenn der Pfandgläubiger und der Schuldner mit der Unterlassung dieser Anzeige einverstanden sind, eigentlich keine genügende Veranlassung gegeben ist. In Abs. 2 des Art. 885 ist nun die Anzeige an den Schuldner vom Verlangen der einen oder andern Partei abhängig gemacht, also



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nicht mehr als Gültigkeitsform aufgestellt. Dazu kommt, daß die Übergabe der Urkunde deutlich für alle Fälle zur Gültigkeit der Verpfändung verlangt wird, wo eine solche, als Beweisurkunde oder als Wertpapier besteht (Art. 885, Abs. 1, 886). Allein nur beim Inhaberpapier genügt diese Übergabe zur Pfandbestellung. Beim Ordrepapier muß das Indossament hinzukommen (wie schon nach Obligationenrecht, Art. 214) und beim Namenpapier, sowie bei den Beweisurkunden der schriftliche Verpfändungsvertrag, der auch bei den Forderungen, für die keine Urkunden bestehen, vorgeschrieben ist. Im Obligationenrecht wird darauf Bedacht genommen werden müssen, daß die drei Arten von Wertpapieren (Namenpapier, Ordrepapier oder Inhaberpapier) nach ihrer Übertragungs- wie Verpfändungart deutlich unterschieden werden (Art. 885, 886). Zur Verpfändung der anderen Rechte bedarf es der Beobachtung der Form, die für die Übertragung vorgesehen ist (Art. 885, Abs. 3). Hinsichtlich der Verwaltung und Abbezahlung einer verpfändeten Forderung hat der Entwurf die Ergänzung angebracht, die in Art. 889 aufgestellt ist. Sie schließt sich an die Ordnung an, die für die in Nutznießung stehenden Forderungen Aufnahme gefunden hat (vgl. Art. 764 f.).
Als weitere Art des Fahrnispfandes kennt der Entwurf, im dritten Abschnitt dieses Titels die Fahrnisverschreibung, die für einige Kantone ganz neues, für andere in erneuerter Gestalt vorgeschlagenes Recht bedeutet. Den Übelständen, die sich früher mit der Mobiliarverschreibung in einigen Kantonen verknüpft hatten, sucht der Entwurf von vornherein durch zwei wichtige Kautelen zu begegnen. Er läßt erstens die Verschreibung nicht allgemein zu, sondern nur für die Fälle, wo die betreffenden Sachen zur Ausübung eines Berufes oder Gewerbes dienen, also schlechterdings nicht zu Faustpfand weggegeben werden können, wenn der Schuldner und Eigentümer sich arbeits- und erwerbskräftig erhalten will. Das sind, man kann füglich sagen, dringende Fälle, bei denen man sich bis jetzt mit allerlei Scheingeschäften, wie Verkauf und Miete, behelfen mußte und beholfen hat, denen aber immer im Vergleiche mit der Verschreibung der große Mangel anhaftet, daß ihnen jede Publizität abgeht. Zweitens sieht der Entwurf nur für gewöhnliche Betriebseinrichtungen eine Verschreibung zu gunsten eines beliebigen Gläubigers vor und gestattet bei Vieh, Vorräten und Warenlagern die Verschreibung nur zu gunsten von Geldinstituten und Genossenschaften, die hierfür eine behördliche Bewilligung erhalten haben. Es sind das die Fälle, wo ein Mißbrauch der Verschreibung besonders zu befürchten steht, sei es Mißbrauch durch den Gläubiger in wucherischen Geschäften (bei Viehverpfändungen) oder Mißbrauch durch den Schuldner mittelst Täuschung seiner Gläubiger (bei Vorräten und



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Warenlagern, vgl. Art. 890). Notwendig ist dann noch eine Regelung des Verhältnisses zwischen konkurrierenden Pfandrechten (Faustpfand, Fahrnisverschreibung und Grundpfand an Zugehör), worüber Art. 891 zu vergleichen ist.
Die Ordnung des Verschreibungsprotokolles muß auf die Mitwirkung der kantonalen Verwaltung abstellen, wie sie ja auch für das Grundbuchrecht vorgesehen ist (vgl. Art. 892 bis 894). Hinsichtlich der Verantwortlichkeit kann man es hier an den allgemeinen Bestimmungen über die Beamtenverantwortlichkeit genügen lassen. Die Vorschrift über die Pfandhaft bei Sachgesamtheiten, wie sie in Art. 895 aufgestellt ist, kann nicht wohl entbehrt werden, sollte aber auch für das praktische Bedürfnis hinreichen.
Das Versatzpfand (Pfandrecht der Leihanstalten), von dem im vierten Abschnitt die Rede ist, bedarf einer besonderen Regelung. Man kann solche Anstalten nicht ganz auf die gewöhnlichen Faustpfandsvorschriften verweisen, weil hier das Verhältnis zwischen dem Gläubiger und Verpfänder einen eigenartigen Charakter trägt, der Pfandschein eine hervorragende Bedeutung besitzt und die Gefahr einer wucherischen Ausbeutung des Schuldners besonders nahe liegt. Man wird also entweder den Kantonen die freie Ordnung des Pfandrechtes der Pfandleihanstalten, wie bishin (aber unter Aufnahme eines ausdrücklichen Vorbehalts) zuweisen, oder im Entwurfe selber die hauptsächlichsten Regeln für diese Pfandart aufstellen müssen. Der Entwurf hat sich zu dem letzteren Vorgehen entschlossen, und zwar namentlich aus der Erwägung, daß bei der Zuweisung an die Kantone sicherlich in deren Mehrzahl gar nichts in der Sache geschehen würde, während doch der Betrieb solcher Anstalten im großen oder kleinen überall zu finden ist. Immerhin mußte auch bei der Ordnung des Entwurfes alles spezifisch Verwaltungs- und Polizeirechtliche dem kantonalen Rechte verbleiben. So namentlich betreffend die Bewilligung zum Gewerbebetrieb (Art. 896), die Festsetzung der Höhe der zulässigen Zinsen und anderer Nebenbestimmungen des Darlehens (Art. 902) und die sonst erforderlichen Ergänzungs- und Überwachungsvorschriften (Art. 898, Abs. 3). Notwendig erschien eine genauere Feststellung der Gestalt des Versatzscheines (Art. 901) und der Wirkungen des Pfandrechtes, namentlich betreffend das Recht auf den Überschuß und die Ausschließung einer persönlichen Forderung (Artikel 903 und 904), sowie betreffend die Auslösung des Pfandes durch den Inhaber des Scheines oder auch ohne Besitz des Scheines (Art. 905, 906). Was der Entwurf hier vorschreibt, ist unter wesentlicher Rücksichtnahme auf die bestehenden Pfandleihordnungen von Zürich, Basel, Lausanne u. a. aufgestellt worden.



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Die Gleichstellung des gewerbsmäßigen Kaufs auf Rückkauf mit dem Versatzpfand der Pfandleihanstalten erscheint als notwendig, um einer Umgehung des Gesetzes von vornherein vorzubeugen, und wird keinen Bedenken begegnen (Art, 907).
Über die Pfandbriefe der Pfandbriefanstalten hatte der Entwurf von 1900 eine ausführliche Ordnung aufgestellt, und zwar im fünften Abschnitt des Fahrnispfandes. Wir finden denn auch, was das Kreditgeschäft mit Grundpfanddeckung anbelangt, daß überwiegende Gründe der Aufnahme eines solchen Institutes das Wort sprechen. Aus dieser Erwägung haben wir die Pfandart selbst im Entwurfe beibehalten und mit Art. 908 und 909 näher umschrieben. Es sollen also von Hypothekaranstalten Anleihen ausgegeben werden können, für deren Sicherheit die Grundpfandforderungen des Schuldners pfandrechtlich verhaftet sind. Allein die Verleihung der Befugnis zur Ausgabe solcher Pfandbriefe darf aus Rücksicht auf die allgemeinen Kreditverhältnisse nur an Anstalten erteilt werden, die in bezug auf ihren Betrieb und ihr Kapital eine besondere Qualität aufweisen, und die Festsetzung dieser Qualität kann nicht wohl geschehen ohne weitgehende Rücksicht auf die bestehenden Kantonalbanken, die sich in einzelnen Landesgegenden fast ein tatsächliches Monopol des Verkehrs mit Grundpfandforderungen erarbeitet haben. Ferner ist auch im Auge zu behalten, daß die Schaffung einer Bundeshypothekenbank im Bereiche der Möglichkeit liegt und daß eine solche Anstalt in der Ausgabe von Pfandbriefen eine besonders ihr sich eignende Tätigkeit erblicken dürfte, jedenfalls aber in ihrer Einrichtung wieder andern Vorschriften unterstellt wäre. Zur Abklärung des einen oder des andern ist der vorliegende Entwurf nicht der rechte Ort. Aus diesen Gründen haben wir es bei der Ordnung des Pfandrechtes der Pfandbriefe bewenden lassen und in Art. 910 einfach angefügt, es werde die Bundesgesetzgebung die Voraussetzungen feststellen, unter denen die Ausgabe solcher Pfandbriefe erfolgen darf, womit sich dann auch die Vorschriften über die Einrichtung der Anstalten verbinden werden.
7. Die Rechte an herrenlosen und an öffentlichen Sachen.
Unser geltendes Recht kennt an herrenlosen oder öffentlichen Sachen in verschiedenem Sinne und Umfange dingliche Rechte. Sie haben privatrechtlichen Charakter, wenn sie auch mehr oder weniger mit öffentlich-rechtlichen Elementen gemischt sind. Sie geben dem Berechtigten bald ein volles und bald ein beschränktes Recht, so daß sie dem Eigentum und den beschränkten dinglichen Rechten an privaten Sachen parallel stehen. Sie haben mit ihnen



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gleichen Charakter, obwohl ihre Eigenart es rechtfertigt, wenn man sie zu einer besondern Kategorie von Rechten zusammenfaßt. Für das Eigentum an öffentlichen Sachen gilt nach dem Rechte des Entwurfes diese Ausnahmestellung zwar nur insofern, als deren grundbuchliche Behandlung einige Verschiedenheit aufweist, die aber mit einer Vorschrift im Grundbuchrecht genügend berücksichtigt werden kann (vergl. Art. 982). Ferner ist auch von der Eigenart eines an ihnen etwa bestehenden Pfandrechtes nicht zu reden, es wäre denn mit Hinsicht auf die Verweisung ins kantonale Recht, die in Art. 786, Abs. 2, betreffend den öffentlichen kantonalen Boden und Ähnliches ausgesprochen ist. So bleiben als eigenartig nur die Dienstbarkeiten an herrenlosen oder öffentlichen Sachen, die dann namentlich als Nutzungsrechte von großer Bedeutung sind.
Dabei muß in erster Linie die öffentlichrechtliche Hoheit von dem privaten Rechte getrennt werden. Der Entwurf kann die Staatshoheit von Bund oder Kantonen weder schaffen noch auch nur verschieben, er soll sie aber anmerken, um zu sagen, was in dieser Hinsicht als Hoheitsrecht sowohl den Kantonen als dem Bunde vorbehalten sei (vergl. Art. 911). Bedeutung besitzt diese Abgrenzung namentlich für die Gewässer. Diese erscheinen danach als öffentliche Sachen, soweit sie nicht nachweisbar in jemandes Privateigentum stehen. Im weitern entscheidet das öffentliche Recht über die Aneignung der herrenlosen und den Gebrauch der öffentlichen Sachen (vergl. Art. 911, Abs. 3, und 913, 914). Auf dieser Grundlage beruht auch der Vorbehalt der Regalität in Art. 912. Rein privatrechtlich sind die in Art. 915 genannten beschränkten dinglichen Rechte, die nach dem oben Gesagten keiner weiteren Erläuterung bedürfen. Anders verhält es sich mit den beiden hauptsächlichsten Rechten an öffentlichen oder herrenlosen Sachen, dem Wasserrecht und dem Bergrecht.
Aus welchen Gesichtspunkten der Entwurf die Ordnung der Wasserrechte aufgenommen hat, ist bereits ausgeführt worden. Aus öffentlichem Recht schaffen die Kantone die Konzessionen, die, einmal aufgestellt, privates Recht enthalten. Wir bedürfen dieser Auffassung der Berechtigung als eines privaten Rechtes, die ja heute noch nicht allgemein anerkannt wird, um dann im übrigen diese Wasserrechte der Wohltat der grundbuchlichen Ordnung teilhaftig werden zu lassen. Auch sonst ergeben sich hieraus überall viel einfachere und den praktischen Bedürfnissen entsprechendere Folgen, als wenn die Berechtigung als eine bloße Gunst des souveränen Staates behandelt wird. Und es kommt auch der Staat selbst dabei nicht zu kurz, sobald ihm die Bestimmung des Inhaltes der Verleihung, die Aufsicht, das Heimfalls-



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recht, ein Vorzugsrecht u. a. zugewiesen werden (vergl. Art. 919, 933, 937, 939).
Dem kantonalen Verwaltungsrecht überläßt der Entwurf alles, was rein der Verwaltung angehört, die Zuständigkeit der Behörden, das Verfahren bei der Verleihung in bezug auf die Einsprachen, die erhoben werden etc. (vergl. Art. 916, 932, 936, 938). Nur in den Fragen, die das interkantonale Verhältnis betreffen, muß eine über den Kantonen stehende Kompetenz geschaffen werden, die dem Bundesrate übertragen wird (Art. 924, 925, 926, 936). Öffentlichrechtlich ist ferner die Fürsorge für die Interessen des Gemeinwesens, die in einem Vorrechte des Staates und der Gemeinden und im Heimfallsrecht sich äußert (vergl. Art. 936 und 932 bis 935). Das Vorzugsrecht auf Wasser oder Wasserkraft kann der Kanton aus seinem Hoheitsrecht an den Gewässern ableiten. Er verleiht die Konzession und macht nur von seinem grundlegenden Rechte Gebrauch, wenn er für gewisse Fälle sich die Ausbeutung des Gewässers ausdrücklich selbst vorbehält. Er darf sich ja auch zur Regalität bekennen. An die Gemeinden aber kann der Kanton ein Vorzugsrecht delegieren, so daß auch diese Berechtigung auf der unumstrittenen Basis des kantonalen öffentlichen Rechtes ruht. Nun gibt aber der Entwurf ein Vorzugsrecht, auch dem Bunde, ohne daß diesem im Wasserrecht eine eigene Hoheit zukommen würde. Er kann wohl interkantonale Verhältnisse regeln, aber ein eigener Anspruch auf Aneignung der Wassernutzung ist ihm nicht gegeben. Und doch läßt sich bei richtiger Auffassung aller Verhältnisse und Umstände schwerlich bestreiten, daß der Bund ein Mittel haben muß, um auch für sich die Wasserläufe zu beanspruchen. Hat er auch kein eigenes Wasserrecht, keine Wasserhoheit und kann er ohne Verfassungsrevision ein Regal sich nicht beilegen, so muß es für den Bund, soweit er zur Bewältigung seiner Aufgaben der Wasserkräfte bedarf, doch einen Weg geben, sich ihrer rechtmäßig zu bemächtigen. Sicherlich würde ihm die Expropriation zustehen. Er soll aber doch nicht warten müssen, bis der Kanton sich oder einem Privaten das Wasserrecht als Privatrecht geschaffen hat, um es dann gleich auf dem Wege der Expropriation sich anzueignen. Viel richtiger ist es für den Bund und die Kantone, wenn ersterer bereits im Vorbereitungsstadium eingreifen, wenn er also für die Verleihung ein Vorrecht geltend machen kann, soweit er des Wassers für seine Zwecke bedarf. Ökonomisch ergibt sich daraus, daß der Bund zwar, weil er nicht Expropriant ist, auch keine Expropriationsentschädigung zu entrichten hat. Er will und darf aber doch die Kantone nicht um eine Einnahme bringen, die ihnen aus ihrem Wasserregal oder ihrer Wasserhoheit zugefallen wäre, wenn sie die Wasserkraft einem Privaten verliehen hätten. Sonach wird also der Bund die



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Kantone in diesem Umfange angemessen entschädigen, sei es indem er die Wasserzinse auf sich nimmt, die sonst hätten entrichtet werden müssen, oder mit einer Bauschalsumme (vergl. Art. 935, Abs. 2).
Der Inhalt der Verleihung wird nur in wenigen Punkten durch das Gesetz bestimmt, betreffend die Dauer (Art. 920), das Verhältnis zu den Quellen (Art. 921), die Enteignungsbefugnis (Art. 922), die Verpflichtung zu besonderen Anlagen (Art. 923), die Rücksicht auf andere Wasserberechtigte (Art. 928), die Erneuerung (Art. 937) u. a. m. Namentlich aber wird den Beliehenen die Pflicht auferlegt, nach obwaltenden Bedürfnissen eine Genossenschaft zu bilden zur Herstellung der für die Nutzung des Wasserlaufes notwendigen Ordnung (vergl. über die näheren Abgrenzungen Art. 929 bis 931).
Privatgewässer stehen im allgemeinen nicht unter den Vorschriften über das Wasserrecht. Der Berechtigte hat an ihnen ein Privatrecht, ohne sich vorher vom Staate beleihen lassen zu müssen. Allein die Nutzung an Privatgewässern kann doch in die Rechte an öffentlichen Gewässern eingreifen oder überhaupt das öffentliche Wohl berühren, und in diesen Fällen sieht der Entwurf auch bei ihnen für Werkanlagen eine Genehmigung durch die zuständige Behörde vor (Art. 927).
Die privatrechtliche Ordnung, die mit diesen Bestimmungen den Wasserrechten zu teil wird, findet auf alle Wasserwerke Anwendung, die auf einer staatlichen Bewilligung beruhen, handle es sich um Wasserversorgungen, Hydrantenanlagen, Mühlen, Sägereien, Fabriken oder Elektrizitätswerke. Sie alle, die so häufig an demselben Wasserlaufe beteiligt sind, sollen durch diese sachenrechtlichen Vorschriften ihre bestimmte und zuverlässige private Rechtsstellung zugewiesen erhalten. Eine ganz andere Frage aber ist es, ob nicht das öffentliche Recht mit Rücksicht auf die allgemeine Wohlfahrt oder im Hinblick auf bestimmte staatliche Aufgaben, wie namentlich den elektrischen Betrieb der Eisenbahnen, eine weitergehende Ordnung treffen sollte. Es kann gar nicht verkannt werden, daß große und berechtigte Interessen der allgemeinen Wohlfahrt und speziell des Bundes hier in Frage stehen. Zu ihrer Befriedigung wird man — und zwar je nach der Ausdehnung, die man der Bundesorganisation in dieser Richtung zu geben gedenkt, mit oder ohne vorgängige Verfassungsrevision — den Weg der Spezialgesetzgebung beschreiten müssen. Die Vorschriften, die von dieser aufgestellt werden, würden speziell die Elektrizitätsunternehmungen betreffen, und zwar auch solche mit Dampfkraftstationen, während mit der privatrechtlichen Ordnung der Wasserrechte im Zivilgesetzbuch für diese Spezialordnung eine



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wichtige, ja, man kann sagen, fast unentbehrliche Voraussetzung geschaffen würde.
Eine Regelung des Bergrechtes im Entwurfe erscheint uns als angezeigt, weil es von Interesse ist, in allen Kantonen ein solches Recht zu haben, während von sich aus nicht einmal die Kantone mit Bergbau alle ein Bergrecht aufgestellt haben. Die Ordnung des Entwurfes weist keine Neuerungen auf. Es werden, soviel als möglich in Parallele zur Ordnung des Wasserrechtes, einerseits namentlich in bezug auf die Rechte des Staates die wünschenswerten Kautelen vorgesehen (Art. 947, 951 u. a. m.) und anderseits die Verpflichtungen der Bergwerkseigentümer genauer angegeben (Art. 953 u. a.). Eingehend umschrieben sind die dem Beliehenen gewährten Zwangsenteignungsrechte (Art. 952 und 953), sowie die Voraussetzungen der Beendigung und Verwirkung (Art. 949, 950).
Dem Bunde wird ausdrücklich vorbehalten, auf dem Wege der Verordnung über die Bergwerke die weiterhin erforderlichen Ausführungsvorschriften zu erlassen (Art. 956).
Endlich ist zu erwähnen, daß der Bund, mit Rücksicht auf die lokal verschiedenen Verhältnisse des Bergbetriebes, nur diejenigen Stoffe unter sein Bergrecht stellt, in bezug auf welche der bergmännische Betrieb außer Zweifel ist. Daneben kann er es den Kantonen überlassen, auch noch andere Stoffe dem Bergrechte zu unterwerfen. Die Abgrenzung findet sich in den Art. 940 und 941.

8. Der Besitz.
Die Stellung des Entwurfes zur Besitzesordnung ist von uns schon oben gezeichnet worden. Der Besitz bildet darnach einerseits eine vorläufige Ordnung, in der die Rechtsgüter gegen verbotene­ Eigenmacht geschützt werden. Anderseits aber stellt er sich dar als die Gestalt, unter der die beweglichen Sachen im Rechts­verkehr auftreten, und bildet in dieser Hinsicht das Gegenstück zum Grundbuch im Immobiliarverkehr.
Als Begriff des Besitzes stellt sich hiernach einfach die tat­sächliche Gewalt über die Sache dar, sei es vollständige oder be­schränkte Herrschaft, sei es zu dinglichem oder zu persönlichem Rechte. Doch empfiehlt es sich, in den Fällen, wo ein dingliches Recht nach seiner Gestalt eine körperliche Herrschaft über die dienende Sache nicht mit sich bringt, die tatsächliche Ausübung des Rechtes der tatsächlichen Gewalt über die Sache gleichzustellen, also den sogenannten Rechtsbesitz wie den Sachbesitz zu behandeln (Art. 957). Verschiedene Arten des Besitzes gibt es dabei nicht, soweit die tat-



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sächliche Herrschaft in Frage kommt. Dagegen kann die Gewalt direkt oder indirekt ausgeübt werden, entweder indem man die Sache in Händen behält oder indem man sie einem andern zur Ausübung eines Rechtes übergibt. Der Entwurf unterscheidet die Stellung der beiden Besitzer, indem er den ersten als selbständigen und den Empfänger der Sache als unselbständigen Besitzer be­zeichnet. Weitere Unterscheidungen, in bezug auf den Besitz der Dienstboten oder der Handwerker an Sachen, die ihnen anvertraut sind, u. a., konnten, weil von keinem praktischen Bedürfnis ge­fordert, füglich unterbleiben.
In bezug auf die Übertragung des Besitzes kann sich der Entwurf an dasjenige halten, was bereits in Art. 199 bis 203 des Obligationenrechts geordnet ist, mit einigen Ergänzungen, die sich als wünschenswert erzeigten (Art. 960 bis 963, speziell die Er­gänzungen in Art. 961 und 962, Abs. 3).
Der Besitzesschutz, wie er in Art. 964 bis 967 aufgestellt ist, bietet den kantonalen Rechten gegenüber keine Neuerungen. Anerkannt wird eine persönliche Klage gegen verbotene Eigen­macht, die aus Besitzesstörung oder Besitzesentziehung gegeben ist. In letzterm Falle empfiehlt es sich, die Stellung des Beklagten, der sich der verbotenen Eigenmacht schuldig gemacht hat, doch insoweit zu berücksichtigen, als es ihm gestattet wird, ein eigenes Recht auf die Sache sofort darzulegen, und kann er ein solches mit der Sicherheit beweisen, daß er die Sache dem Kläger gleich wieder abzuverlangen vermöchte, so mag man sie ihm belassen, natürlich nicht ohne eventuell ihn doch für den Schaden, den er durch seine Eigenmacht der Gegenpartei verursacht hat, verantwortlich zu machen (vgl. Art. 965).
Der Rechtsschutz, der sich im Besitzesschutz vollzieht, beruht auf einer Vermutung, die das Recht zu gunsten dessen aufstellt, der eine Sache unter einem rechtlichen Anspruch inne hat. Diese Vermutung kann sowohl für beanspruchtes Eigentum, wie für beanspruchte dingliche oder persönliche Rechte aufgestellt werden. Allein sie wird sich doch gegen den nicht richten dürfen, von dem der Besitzer die Sache zu unselbständigem Besitze er­halten hat (Art. 969, Abs. 3). Sodann führt die Vermutung dazu, daß der Besitzer bei erhobenem Anspruch eines andern stets der Beklagte ist. Denn er wird sich gegen die Klage des gestörten Besitzers immer auf sein Recht berufen dürfen, und erst wenn dieses gebrochen ist durch Umstoßung der Vermutung, vermag der Kläger siegreich durchzudringen. Eine Ausnahme hiervon be­steht nur in dem angeführten Falle der Besitzesentziehung mit verbotener Eigenmacht (vgl. Art. 970, 965). Bei anvertrauten



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Sachen geht sodann der Schutz schon im geltenden Recht weiter. Wer solche in gutem Glauben zu einem dinglichen Recht übertragen erhält, wird absolut und nicht bloß mit einer Vermutung geschützt, und zwar auch dann, wenn der Vertrauensmann zur Übertragung des Rechtes an der Sache gar nicht befugt war, weder aus eigenem Recht noch als Stellvertreter. Gibt alsdann der Dritte, der die Sache vom Vertrauensmann erworben hat, sie an einen Vierten weiter, so macht es nichts aus, ob dieser Vierte wisse, daß die Sache vom Zweiten veruntreut sei oder nicht, denn der Dritte ist eben in der Lage, nun wirklich ein erworbenes Recht auf jenen zu übertragen. Aus diesem Grund wurde im frühern Entwurf noch ausdrücklich auf den Erwerb aus der Hand des Zweiten, des Vertrauensmannes, hingewiesen, doch ist auch ohne diese Hinweisung das Verhältnis klar genug geordnet. Materiell entspricht Art. 972 dem Art. 205 des Obligationenrechts. Ebenso hat der Entwurf hinsichtlich der gestohlenen und verlorenen Sachen die Ordnung des Obligationenrechts beibehalten und nur folgende zwei Änderungen vorgenommen: Neben den gestohlenen und ver­lorenen werden im Sinne der geltenden Vorschrift und der Praxis alle sonst unfreiwillig abhanden gekommenen Sachen genannt (Art. 973, Abs. 1). Und die Ausnahme, die in Art. 208 des Obligationenrechts neben den Banknoten und verfallenen Coupons für Inhaberpapiere unter einer einschränkenden Voraussetzung auf­ gestellt ist, wurde, den Bedürfnissen der Praxis entsprechend, für Geld und Inhaberpapiere überhaupt ausgesprochen, womit deren Vindikation gegenüber einem gutgläubigen Erwerber in allen Fällen ausgeschlossen wird (Art. 974).
Dem bösgläubigen Besitzer gegenüber kann nach dem Ent­wurf jeder frühere Besitzer die Rückforderung geltend machen. Nur wenn der frühere Besitzer selbst nicht in gutem Glauben ist, liegt die Sache anders. Da steht der Mangel des guten Glaubens dem gleichen Mangel gegenüber und Folge ist, daß keiner der beiden sich auf den Besitz wird berufen können. Das materielle Recht soll entscheiden. In dieser Fassung hat der Entwurf (Art. 975) die Bestimmung des Art. 207 0. R. nicht unbedeutend erweitert: Kläger kann jeder sein, dem der Besitz unfreiwillig entzogen worden ist, also z. B. neben dem Eigentümer auch der Faustpfandgläubiger. Sollten einmal diese Voraussetzungen auf mehrere zugleich zutreffen, wie z. B. wenn die gleiche Sache erst dem Eigentümer und nachher einem Dritten, der die Sache in gutem Glauben zu Faustpfand erhalten, gestohlen worden wäre, so müßte das Verhältnis unter ihnen nach den übrigen Besitzesvorschriften beurteilt werden, und würde also der Pfand­ gläubiger, da er sein Recht trotz des guten Glaubens nur unter



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der Auflage des Art. 973 erworben, dem klagenden Eigentümer nachstehen.
Die Auslieferung der Sache gibt zu Auseinandersetzun­gen in bezug auf die Veränderungen Anlaß, die mit ihr beim Beklagten stattgefunden haben, sowie hinsichtlich der bezogenen oder versäumten Nutzungen und der verschiedenen Arten von Verwendungen. Der Entwurf hat sich hier im ganzen an die Regeln halten können, die bereits im 0. R. in betreff der Klagen aus ungerechtfertigter Bereicherung und der Geschäftsführung ohne Auftrag aufgestellt sind und auch mit den geltenden kan­tonalen Vorschriften in der Hauptsache übereinstimmen. Unter­schieden wird demgemäß zwischen dem gutgläubigen und dem bösgläubigen Besitzer. Ersterer ist für eine seinem vermeintlichen Rechte gemäß betätigte Nutzung der Sache nicht verantwortlich, und von den Verwendungen hat ihm (wie nach 0. R.) der Vindikant die nützlichen und notwendigen zu ersetzen, während der Besitzer die verschönernden eventuell wegnehmen kann. Ein solcher Ersatz aber ist an die bezogenen Früchte anzurechnen. Weitere Unterscheidungen, in bezug auf Verwendungen zur Erhaltung der Sache oder zur Erhöhung ihres Wertes, werden weder im 0. R. noch im Entwurfe für notwendig erachtet. Der bösgläubige Besitzer hat für allen Schaden, den er durch das Vorenthalten des Besitzes gestiftet hat, Ersatz zu leisten. Daß er nur für Verwendungen, die auch für den Berechtigten not­wendig gewesen wären, Ersatz verlangen kann, stimmt dem Sinne nach mit der Ordnung des 0. R. überein (Art. 978). Diese ein­fache, etwas summarische Ordnung der Stellung des gutgläubigen und des bösgläubigen Besitzers gestattet dem Entwurfe, in verschie­denen Beziehungen, wie z. B. im Erbrecht, die Auseinander­setzung zwischen zwei Parteien mit einer Verweisung zu erledigen. Vgl. Art. 598, 624 u. a. Es mag sein, daß eine einläßlichere Unter­scheidung bald da und bald dort ganz wohl zu rechtfertigen wäre. Allein wichtiger als sie erscheint der große Vorzug, den die übereinstimmende Ordnung aller der verwandten Fälle in sich schließt. Die Zusammenfassung der im ganzen doch nicht häufig auftretenden Fälle unter eine übereinstimmende Regelung bedeutet eine Vereinfachung, die mehr wert ist als jede umständlichere Ordnung der einzelnen Besitzesfälle.
Von der Ersitzung haben wir bei den einzelnen Instituten gesprochen. Bei den Besitzesregeln begnügt sich der Entwurf, auf die Anrechnung des Besitzes eines Vorbesitzers zu verweisen (Art. 979).



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9. Das Grundbuch.
Man kann darüber kaum im Zweifel sein, daß ein den heutigen Anschauungen und Bedürfnissen entsprechendes Sachenrecht ohne das Grundbuch nicht denkbar oder durchführbar wäre. Auch in den kantonalen Rechten tendiert seit bald hundert Jahren die Entwicklung durchaus zur allmählichen Ausbildung von Publizitäts­einrichtungen, die grundbuchliche Funktionen übernehmen könnten, und wenn auch bis jetzt nur vier Kantone dazu gekommen sind, das wirkliche Grundbuch bei sich einzuführen, so weisen doch alle andern Ansätze zur Schaffung eines solchen auf, sei es in der Ausbildung ihrer Fertigungseinrichtungen oder in einer Verbin­dung der Registerführung mit dem Kataster. Der Entwurf setzt also nur das begonnene Werk fort, wenn er, dieser Strömung folgend, das Grundbuch in möglichst konsequenter Entwickelung zur Einführung empfiehlt.
Durch das Grundbuch sollen die dinglichen Rechte an jedem Grundstück öffentlich gemacht werden. Publizität und Spezialität mit bezug auf den dinglichen Rechtsbestand der Grundstücke ist mithin der Zweck der ganzen Einrichtung. Damit dieser erreicht wird, ist es notwendig, für jedes Grundstück die Aufzeichnung besonders zu führen, zugleich aber diese Aufzeichnung auf alle Grundstücke auszudehnen. Was der Entwurf unter Grundstück versteht, ist an anderer Stelle hervorgehoben (vergl. Art 649, 981). Neben den Liegenschaften sollen auch die dauernden Rechte auf­genommen werden, wenn sie selbständig sind, d. h. nicht einem herrschenden Grundstück sich anschließen, sobald der Berechtigte es verlangt. Ausgeschlossen wird die Aufnahme des Bodens, der nicht in den Verkehr gesetzt ist (Art. 982). Bei der Aufnahme erhält jedes Grundstück in der Regel eine eigene Nummer. Nur wenn eine Anzahl von Grundstücken demselben Eigentümer ge­hört, wie dies namentlich in landwirtschaftlichen Betrieben mit großer Güterzersplitterung vorkommt, können sie auf dessen Ver­langen in ein gemeinsames Folium aufgenommen werden (Kollek­tivblatt, Art. 985).
Der Aufnahme der Liegenschaften wird eine Vermessung zu grunde gelegt, ohne daß jedoch die Einführung des Grundbuches von einer solchen durchaus abhängig ist (Art. 989). Man wird sich Zeit lassen, allmählich die Vermessungen auf die ganze Schweiz auszudehnen, unter Übernahme der in der Westschweiz u. a. bereits bestehenden Katasterpläne. Über die Tragung der Kosten sagt der Entwurf nichts, wir nehmen aber an, daß der Bund die­ selben in der Hauptsache übernehmen werde, und haben denn auch bereits in der Botschaft zur Verfassungsrevision betreffend



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die Rechtseinheit hierauf hingewiesen. Im gleichen Sinne hat sich die Zivilrechtskommission ausgesprochen. Es wird Sache der Ein­führungsvorschriften sein, darüber das Nähere zu bestimmen.
Die Aufzeichnung der Liegenschaften hat keine andere recht­liche Bedeutung, als daß damit die Individualität des Grundstückes festgestellt wird. Rechtskraft kommt ihr nur etwa in dem Sinne zu, daß der Flächenangabe im Grundbuch für die Gewährleistung beim Liegenschaftskauf entscheidende Bedeutung beizulegen ist. Anläßlich der Ergänzung des Obligationenrechts wird hierauf Be­dacht genommen werden.
Zur Eintragung gelangen die dinglichen Rechte (Ar­tikel 997). Außer diesen kennt der Entwurf als zur Eintragung zugelassen nur noch eine beschränkte Zahl von Vormerkungen, nämlich betreffend persönliche Rechte, für die das Gesetz dies selbst vorsieht, sowie Verfügungsbeschränkungen und vorläufige Eintragungen (Art. 998 bis 1000). Weiter zu gehen verbietet uns die Rücksicht auf die Übersichtlichkeit des Grundbuches. Alle anderen Rechte sind also nach dem Entwurfe von der Ein­tragung ausgeschlossen, was um so eher durchführbar ist, als man sich ja zur Not mit der Aufstellung einer durch Grundpfand ge­deckten Konventionalstrafe behelfen kann, um ohne formelle Überlastung des Grundbuches den erwünschten Zweck zu erreichen.
Was die Führung des Grundbuches anbelangt, so ist der ganze Behördenorganismus den Kantonen überlassen. Der Entwurf schreibt allgemein nur vor, welche Bücher zu führen seien (Haupt­bücher und Belegbände, die an Stelle der sonst hergebrachten Protokolle treten, Art. 980, 986, 987, vergl. auch Art. 991 ff.), und welche Zuständigkeit den Grundbuchkreisen zukomme. Ferner stellt er die Haftbarkeit des Staates für die Grundbuchbeamten auf, ordnet die Aufsicht u. a. (Art. 994 bis 996) und erklärt das Grundbuch seinem Zwecke entsprechend für allgemein zugänglich (Art. 1008).
Die Eintragungen, deren Ausführung einer sorgfältigen Ordnung bedarf (Art. 1001 bis 1007), haben im Grundbuchrecht eine doppelte Bedeutung. Einerseits gilt mit bezug auf sie das Prinzip der negativen Rechtskraft, wonach, soweit das Grundbuch reicht, alles, was nicht eingetragen ist, auch nicht dinglich zu Recht be­steht (Art. 1009). Anderseits aber muß ihnen auch eine gewisse formelle Kraft zukommen, wenngleich die Aufstellung des ent­sprechenden positiven Satzes in der gleichen Absolutheit von keinem Bedürfnis gefordert wird. Es ist nicht alles, was einge­tragen wird, formell als dinglich zu Recht bestehend zu be­zeichnen. Es genügt vielmehr, wenn nur durch die vorhandenen



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Eintragungen niemand getäuscht wird, der sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen hat (Art. 1011). Demgemäß ist also nach dem Entwurf zwischen drei Fällen zu unterscheiden: Wenn auf Grund einer gefälschten Vollmacht ein auf den Namen des A. als Eigentümer eingetragenes Grundstück im Grundbuch auf B. übertragen wird, so ist B. der Betrogene, und solange er das Grundstück auf keinen anderen übertragen hat, kann A. den Eintrag auf B. anfechten, ohne Rücksicht darauf, ob B. von der Fälschung Kenntnis gehabt hat oder nicht, denn B. hat sich nicht auf einen unrichtigen Eintrag verlassen, sondern ist bei richtigem Eintrag durch ein außerhalb des Grundbuchs liegendes Moment (die gefälschte Vollmacht) irregeführt worden. Hat nun aber B. vor der Anfechtung des A. das Grundstück grundbuchlich an C. übertragen und dieser von der Fälschung nichts gewußt, so soll er nicht mehr um sein erworbenes Recht gebracht werden, denn er hat sich auf einen Grundbucheintrag verlassen und würde in diesem Glauben gekränkt, wenn sein grundbuchlich durchaus richtiger Erwerb nachträglich wieder um­gestoßen werden könnte. Hat aber C. in diesem Fall umgekehrt von der Fälschung Kenntnis gehabt, so ist sein Erwerb nicht ge­schützt, denn er hat sich nicht in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen, und sein eigener Eintrag ist anfechtbar Vergl. Art. 1012 und 1013.
Den Schluß der Grundbuchordnung bilden Vorschriften über die Löschung der Einträge von Amtes wegen (Art. 1014) und die Berichtigungen (Art. 1015).
Indem wir das Grundbuch in den Entwurf aufgenommen haben, und wir uns dessen wohl bewußt gewesen, daß diese Neuerung nicht mit einem Schlag über das ganze Land zur Ein­führung gebracht werden kann, und nehmen dementsprechend für die Einführungsbestimmungen namentlich zwei Vorbehalte in Aus­sicht: Einmal sollen die kantonalen Grundbücher und Grund­protokolle, mit oder ohne Ergänzungen, wo sie zur Durchführung des vorgeschlagenen formellen Grundbuchrechtes als genügend erachtet werden dürfen, bis auf weiteres fortgesetzt werden. Es hat keinen Sinn, gute kantonale Einrichtungen einfach beiseite zu schieben. Das Grundbuch kann auf Grund sehr verschiedener Prinzipien zur Durchführung gebracht werden, und die Kantone, die das Grundbuch haben, besitzen in ihren Systemen zumeist gute Publizitätsorgane, die mit vielen Kosten angelegt worden sind. Sie werden ihre Dienste auch weiterhin vollauf zu leisten vermögen, bis später der Bund bei Änderungen, die die Kantone selbst vorzunehmen gedenken oder dgl., Gelegenheit erhält, seine



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eigenen Formvorschriften auch auf diese Kantone auszudehnen. Sodann muß zur Durchführung der Vermessungen, auch wenn man ganz absieht von der Fortdauer der kantonalen Grundbuch­einrichtungen, ein Zeitraum von wenigstens zwanzig bis dreißig Jahren in Aussicht genommen werden. Baselstadt hat fünfzehn Jahre gebraucht, Solothurn nahezu dreißig, Waadt vermochte nur deshalb das Grundbuch rascher in Kraft zu setzen, weil daselbst eine vollständige Katastervermessung schon vorhanden war. Doch braucht man weder für die Einführung des Grundbuchrechtes auf die allgemeine Vermessung, noch für die Inkraftsetzung des Sachenrechtes auf das Grundbuch zu warten. Die bisherigen kantonalrechtlichen Formen sind, unter angemessener Nachhülfe seitens der Einführungsvorschriften, durchaus geeignet, inzwischen die Funktionen des Grundbuches dem neuen Rechte gemäß zu übernehmen.
Wir haben im Eingang dieser Botschaft auf die Gründe hin­gewiesen, aus denen es sich bei der Vereinheitlichung des Zivil­rechts dringend empfiehlt, den kantonalen Rechten so pietätvoll als möglich gegenüber zu treten und mit den rechtlichen Über­lieferungen nicht zu brechen, sondern ihnen im einheitlichen Recht eine Fortsetzung zu verschaffen, wie das ähnlich auch in den Kantonen bei der Ersetzung der zersplitterten Statutarrechte durch das kantonal einheitliche Recht geschehen ist. Wir wollen nicht schließen, ohne noch auf einen andern Umstand hinzuweisen. Die politischen und sozialen Gruppen, die sich um die verschiedenen ethischen und ökonomischen Interessen des gesamten Landes bilden, haben selbstverständlich bei einem so umfassenden und eingreifenden Gesetzgebungswerke, wie es der vorliegende Entwurf darstellt, in hohem Grade mitzuwirken. Sie haben dies getan, ihre Vertreter sind herangezogen worden, ihre Eingaben und Kundgebungen ver­schiedener Art sind geprüft, erwogen und berücksichtigt worden, und zwar allseitig und ohne jede Bevorzugung der einen oder andern Richtung. Alle diese Interessengruppen stehen unter dem Einfluß der Postulate unserer Zeit und machen ihre Forderungen in ganzem Umfange geltend, und sie dürfen auch darauf rechnen, daß der Gesetzgeber mit Hingebung sich ihrer Wunsche und An­regungen annehme. Denn in dem von diesen Kreisen gebotenen Material findet sich in der Regel das beste, was die Legislative von den Zuständen und Übelständen, die im Lande herum vorhanden sind, vernehmen kann. Allein indem der Entwurf die zeitgenössischen und zeitgemäßen Postulate aller Gruppen wohl



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erwogen und so viel als möglich sich zu eigen gemacht hat, durfte er darüber die Einheit und die Interessen des ganzen Landes nicht aus dem Auge verlieren. Was jetzt zu schaffen steht, das ist die Rechtseinheit, und diese bringt an sich des Neuen genug, um gegenüber weitern Neuerungen zur Vorsicht zu mahnen. Wir dürfen allseitig damit zufrieden sein, wenn es bei der Vereinheit­lichung des Zivilrechtes gelingt, unter den vielen divergenten Über­lieferungen doch jeweils diejenigen auszuwählen, die den Anfor­derungen der heutigen Zeit am ehesten entsprechen, und in dem Gesetzgebungswerk ein Ganzes zu schaffen, das in seinem Charakter der Eigenart und den Anschauungen des Volkes entspricht, ein Recht, von dem man hoffen kann, daß es ein volkstümliches Recht sein werde.
Über die Behandlung unserer Vorlage ist in den bestehenden Reglementen der eidgenössischen Räte, namentlich in den Zusatz­artikeln vom 21. und 22. Juni 1877, das Nähere angeordnet. Wir nehmen im übrigen auch für diese Vorlage die Worte in Anspruch, mit denen der Bundesrat im Jahre 1879 seine Botschaft zum Obligationenrecht abgeschlossen hat: „In der Redaktion des Gesetzes wurde auf möglichste Präzision und auf innern Zusammen­hang gehalten, und wenn dieses Ziel überhaupt erreicht worden ist, so kann das Errungene nur dann auf die Dauer erhalten werden, wenn sich die gesetzgebenden Räte auf die prinzipielle Diskussion beschränken und allfällige abweichende Beschlüsse an den Bundesrat zum Zwecke der redaktionellen Umarbeitung und zur Wieder­vorlage zurückweisen wollen."
Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.
Bern, den 28. Mai 1904.
Im Namen des schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:
Comtesse.
Der I. Vizekanzler:
Schutzmann.