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Erster Teil.
Das Personenrecht.



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Das Personenrecht
I. Die allgemeinen Grundlagen.
Bildet man aus dem Personenrecht einen eigenen, dem Familienrecht, Erbrecht und Sachenrecht parallel stehenden Teil des Gesetzes, so müssen nicht nur die Vorschriften über das Subjekt der Rechte, seine Entstehung und seinen Untergang, sondern auch die Ordnung der rechtlichen Momente, die sich auf die Person als Rechtssubjekt beziehen, darin aufgenommen werden. Danach unterscheiden wir: das Rechtssubjekt, die Rechts- und Handlungs­fähigkeit und Anfang und Ende der Persönlichkeit.
1. Person und Rechtssubjekt. Person im Rechtssinn ist not­wendigerweise stets ein Rechtsbegriff. Die Rechtsordnung be­stimmt, wer Person sei. Also ist es auch Befugnis oder Aufgabe der Gesetzgebung, Bestimmungen darüber aufzustellen. Unter den Personen werden hergebrachtermassen zwei Kategorien unter­ schieden: die einzelnen Menschen und die Personenverbände und Anstalten. Die natürliche Erscheinung wird weder hier noch dort durch die Rechtsordnung geschaffen. Sie ist dort unmittelbar gegeben, hier dagegen das Ergebnis eines Rechtszustandes, setzt als solches also einen Rechtsakt voraus. Daraus ergibt sich die bekannte Unterscheidung zwischen natürlichen und juristischen Personen, die an zwei Mängeln leidet. Einmal erzeugt sie die irrige Auffassung, als ob der einzelne Mensch von Natur Person wäre, der Personenverband aber vermöge einer besondern Privilegierung oder Fiktion, während doch das Verhältnis der Erschei­nung zur Stellung der Person hier wie dort das gleiche ist, näm­lich die Anerkennung eines vorhandenen Zustandes durch die Rechtsordnung. Sodann umfasst der Ausdruck „juristisch " eine Reihe von Gebilden, die unter sich sehr ungleich sind, gibt also nicht in anschaulicher Weise den Unterschied wieder, der zwischen diesen und der natürlichen Person besteht. Man hat dafür in neuester Zeit „Verbandsperson" vorgeschlagen, und wir hatten in unsern ersten Entwürfen diese Bezeichnung aufgenommen. Allein



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sie erschien zu neu und dem Sprachgebrauche zu fremd, um die gesetzliche Bestätigung erhalten zu können, und überdies bereitete sie der Übersetzung Schwierigkeiten, so dass der Entwurf schliesslich überhaupt darauf verzichtete, den Gegensatz anders zu be­zeichnen als mit der Anführung der zwei Hauptarten, in denen die juristischen Personen der Einzelperson gegenübertreten: Körper­schaften und Anstalten, Corporations et établissements. „Einzel­person", „individu" ist dabei nicht misszuverstehen. Es ist die Person, die vom einzelnen Menschen an und für sich gebildet wird, nicht eine Person für sich allein. Denn in letzterem Sinne wären alle Personen, die nicht in Gemeinschaft stehen, auch die juristischen, Einzelpersonen.(1)
Nach dem Entwurfe umfassen Körperschaften und Anstalten alle Personen, die nicht Einzelpersonen sind. Und zwar unter­scheiden sie sich nach der grundlegenden Erscheinung: Den Körperschaften ist als Unterlage wesentlich eine Vereinigung von Personen, den Anstalten eine Sache, ein Vermögenswert. Ein Drittes kann es insofern nicht geben, als sobald ein Personen­verband vorliegt, die Vermögenswerte notwendig im mehr oder weniger freien Eigentum der auf dieser Grundlage gebildeten Persönlichkeit stehen. Eine Anstalt liegt also nur vor, wenn kein Personenverband gegeben ist. Stiftungen sind nur eine Unter­abteilung der Anstalten, wie Vereine eine Unterabteilung der Körperschaften.
Den beiden Hauptarten der Person ist die Haupteigenschaft der Persönlichkeit durchaus gemeinsam: Sie haben eine gleichmässige Stellung als Subjekt im Rechtsverhältnis. Demgemäss müssen sie die Fähigkeit besitzen, aktiv und passiv Subjekt zu sein und selber oder vertretungsweise im Rechtsverkehr aufzu­treten. Es kommt ihnen Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit zu. Dies ist unzweifelhaft in bezug auf die Rechtsfähigkeit, nur im Umfang, nicht im Wesen ist die Fähigkeit, Subjekt von Rechts­verhältnissen zu sein, bei den Einzelpersonen eine andere als bei den juristischen. Dagegen mit Hinsicht auf die Handlungsfähig­keit gehen die Ansichten auseinander. Bezeichnen wir die Fähig­keit durch eigenes Handeln für sich und andere Rechte und Pflichten zu begründen als Handlungsfähigkeit, so wird diese Möglichkeit vielerseits für die juristischen Personen bestritten, weil diese „keinen natürlichen Willen haben". Allein, wenn die Körper-
(1) Der Entwurf des Bundesrates bezeichnete die zwei Hauptarten als „die Einzelpersonen" und „die juristischen Personen", das ZGB nennt sie „die natürlichen Personen" und „die juristischen Personen".



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schaften oder Anstalten als Person anerkannt werden, so sind sie auch zum Rechtsverkehr zugelassen, und dann ist es verkehrt, zu meinen, sie seien doch als Personen nicht direkt zugelassen, sondern nur durch ihre Vertreter. Denn diese Vertreter sind ja für die juristische Person geradeso notwendig, wie die physische Existenz für den Menschen. Sie sind mithin ein Teil der ganzen Erscheinung, sie befinden sich in der gleichen Stellung, wie die Glieder des Menschen, sie sind Organe. Was sie in dieser Stellung tun, ist Handlung der Person selber und nicht eines Vertreters. Sonach hat also auch die juristische Person Handlungsfähigkeit und zwar, gleich wie die Rechtsfähigkeit, nicht qualitativ verschieden von der der Einzelperson, sondern nur quantitativ.
Man hätte hieraus die Folge ableiten können, dass zunächst für alle Personen gemeinsam die Rechts- und Handlungsfähigkeit geordnet werden solle, und hernach die Entstehung und der Unter­gang der einzelnen Arten für sich. Allein dem widerriet der Umstand, dass die Einschränkung der Fähigkeit für die eine der Arten es eben doch notwendig gemacht hätte, unter deren Ordnung wiederum von der Rechts- und Handlungsfähigkeit zu sprechen. Also schien es richtiger, die allgemeinen Regeln für den häufigsten Fall, d. h. die Einzelpersonen, aufzustellen, und bei den juristischen Personen nur, soweit nötig und mit den erforderlichen Einschrän­kungen, darauf zu verweisen. Eine Reihe von Beziehungen war ja überhaupt nur für die Einzelperson zu ordnen, nämlich alles, was seiner Natur nach den natürlichen Menschen voraussetzt, als Altersstufen, Geisteskrankheit, Geschlecht, Verwandtschaft usw. Daraus ergab sich dann die Zweiteilung, die wir im Personenrecht angenommen haben: Einzelperson einerseits und Körperschaften und Anstalten anderseits.
2. Die Rechtsfähigkeit. Nach moderner Rechtsauffassung ist jeder­mann Person und zwar nach dem Grundsatze der Gleichheit. Also gehört an die Spitze der Ordnung der Einzelperson der Satz: „Rechtsfähig ist jedermann". Damit verbindet sich die Umschrei­bung der Rechtsfähigkeit selber: „Für alle Menschen besteht die gleiche Fähigkeit, Rechte und Pflichten zu haben", was mit dem Bedürfnis der Unterscheidung nach der Verschiedenheit der tat­ sächlichen Bedingungen verträglich gemacht wird durch die Ein­schiebung: „ ... in den Schranken der Rechtsordnung".
Diese Umschreibung ist nicht unnütz. Sie stellt den allge­meinen Satz fest, der sich keineswegs von selbst versteht, dass grundsätzlich alle Menschen in unserer Rechtsordnung als rechts­fähig und zwar als gleichermassen rechtsfähig anerkannt sein



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sollen. Auch der Ausländer steht unter diesem absoluten Gebot. Man braucht dabei nicht gerade an den Sklaven zu denken, der aus Afrika mit seinem Herrn auf unser Gebiet kommt und sofort ohne weiteres bei uns rechtsfähig ist. Für dieses seltene Vorkommnis könnte der Rechtssatz entbehrlich erscheinen. Die Bedeutung des Satzes liegt in einer viel allgemeineren, negativen Wirkung, näm­lich darin, dass damit die überlieferten Unterschiede der Personen grundsätzlich abgelehnt und die beibehaltenen Verschiedenheiten als Ausnahmen dargestellt werden. Die Tragweite dieses Grund­satzes zeigt sich namentlich in folgenden Beziehungen:
Die Verschiedenheit des Geschlechtes soll einen Unterschied des Rechtes nur da begründen, wo die Rechtsordnung einem solchen ausdrücklich Geltung verschafft. Er besteht namentlich nicht im Erbrecht und nicht im Familienrecht, und wo er sich findet, be­zweckt er nicht eine Zurücksetzung der Frau, sondern umgekehrt die Herstellung der wirklichen Gleichheit durch Anerkennung der Verschiedenheit in den Voraussetzungen. In andern Fällen handelt es sich bei der Festhaltung eines Unterschiedes um den Schutz anderer Rechtsgüter, wie z. B. in Gestalt der Auflage von Pflichten verschiedenen Charakters für Mann und Frau im ehelichen Güter­recht, im Elternrecht, im Recht der ausserehelichen Kinder. Vgl. z. B. Art. 488, Abs. 2. (1)
Die Verschiedenheit der Konfession soll für den Besitz der bürgerlichen Rechte nicht in Betracht fallen. So mit Hinsicht auf die Vormundschaft, auf die Erziehung der Kinder, auf das Erb­recht. Freilich auch hier mit der Möglichkeit, dass Unterschiede freiwillig begründet werden, die das Recht anerkennt, soweit sie nicht mit andern Grundsätzen in Widerspruch stehen, wie z. B. eine Stiftung für Angehörige einer Konfession.
Der Unterschied des Standes und des Berufes, hat für das Zivilrecht keine Wirkung, soweit nicht auch hier die Gesetzgebung ganz bestimmte Vorschriften aufgestellt hat, wie in bezug auf das Gesellschaftsrecht, die Konkursprivilegien. Standesunterschiede des ausländischen Rechtes fallen unter den gleichen Grundsatz, soweit wir überhaupt in die Lage kommen, darüber zu erkennen.
Weniger einfach liegen die Wirkungen auf dem Gebiete der Ehre. Zwar wird auch hier die allgemeine Rechts- und Handlungs­fähigkeit die frühere Bedeutung des Unterschiedes grundsätzlich beseitigen. Der Besitz der Ehre ist für das bürgerliche Recht bedeutungslos, soweit es sich um Gesellschafts-, Berufs- oder Standesehre handelt. Man verliert nicht mehr den Anteil an ge-
(1) ZGB 461, Abs. 2, betreffend Beerbung des Vaters.



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wissen Rechten wegen der Zugehörigkeit zu einem ehrlosen Berufe, man ist nicht mehr aus Standesgründen aus der Rechtsgemeinschaft öffentlicher Genossenschaften, der Gemeinden oder des Landes, aus­geschlossen. Nur in den öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Folgen der Zahlungsunfähigkeit bei Auspfändung und Konkurs be­stehen im Verlust der Ehre in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung noch solche Wirkungen, die aber das Zivilrecht nur indirekt berühren. Anders verhält es sich dagegen mit der Ehre der Person über­haupt. Hier kann, wer der Sache nachgeht, schwerlich verkennen, dass die Ehre eben doch als Individualehre ein Element der Per­sönlichkeit geblieben ist. So erklärt sich uns hieraus die Rück­sicht, die bei der Festsetzung gewisser Rechtswirkungen auf die Bekundung einer ehrlosen Gesinnung genommen wird, bei den Folgen des Verlöbnisbruches, bei der Ehescheidung, beim Vertrags­bruch. Ebenso ist es bei gewissen Verhältnissen eine stillschwei­gende Voraussetzung, dass sie nur so lange für den schuldlosen Teil dauern sollen, als der andere Teil sich nicht der Individual­ehre durch die Art seines Lebenswandels verlustig macht. In diesem Sinne vermag der Ehrverlust für den andern Teil einen gesetzlichen Grund zur Aufhebung der Miete, der Pacht, der Ge­sellschaft, des Dienstvertrages zu bilden, wie dies im OR bereits durch die allgemeine Formel vom Rücktrittsrecht aus „ wichtigen Gründen" Anerkennung gefunden hat (Art. 292, 310, 346, 547 des OR). (1) Ja, in gewissem Sinne kann man auch den Schutz des moralischen Empfindens, die Ersatzpflicht bei „tort moral", seelischem Schmerz u. dgl. hierher rechnen. Die Rücksicht auf die Ehre erscheint hier unter dem Gesichtspunkte der andern Partei: Wer in seinem Rufe und in seinem Empfinden durch das Verhalten der andern Partei verletzt wird, kann seine Genugtuung und Schadloshaltung darin finden, dass er von dem andern eine Ent­schädigung verlangt (OR Art. 55) (2) oder sich von der Verbindung mit diesem lossagt. Was hier in einzelnen Bestimmungen neben anderen anerkannt wird, darf nun aber sehr wohl in einem all­gemeinen Rechtssatze ausgesprochen werden. Die Bedeutung des Grundgedankens ist mit jenen Einzelvorschriften durchaus nicht erschöpft. Man denke nur an den Fall, da jemand für eine Reihe von Jahren auf ein Haus Geld dargeliehen hatte, in dem daraufhin ein Bordell errichtet worden ist. Und so ist noch mancher Tat­bestand denkbar, wo sich die Berücksichtigung der Individualehre ebenso notwendig erweist, wie in jenen, die das geltende Recht
(1) Nunmehr OR 269, 291, 352 u. 353, 545, Ziff. 7 und Abs. 2. (2) Vgl. OR 49.




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einzig hervorhebt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, es anzu­erkennen, dass die Ehre eine Voraussetzung des allgemeinen Rechtes ist, und dass also der Ehrlose der vollen Rechtsfähigkeit mangelt. In diesem Sinne hat Art. 14 des Entwurfes die Rechtsfähigkeit dem allgemeinen Gebote unterworfen, dass der Ehrverlust ihre Wirkung in bestimmtem Sinne beschränken soll. (1)
Dieser Umschreibung der Tragweite der Rechtsfähigkeit ist nun aber noch eine weitere Erwägung anzufügen. Die Rechts­fähigkeit ist in dem Sinne eine allgemeine Eigenschaft der Per­sönlichkeit, dass sie notwendig mit ihr verknüpft wird. Daraus ergibt sich, dass sie auch nicht mit freiwilligem Verzicht preis­gegeben werden darf. Darauf ist in dem geltenden Rechte be­reits die Rechtsunwirksamkeit der lebenslänglichen Dienstverhält­nisse, die Herabsetzung der Konventionalstrafen, die Unverbind­lichkeit der unbeschränkt lautenden Konkurrenzklauseln, die Un­wirksamkeit der Wegbedingung der Haftung für Arglist u. a. m. zurückzuführen. Allein auch hier lässt sich nicht sagen, dass der Gesetzgeber durch die Vorschrift für einzelne Rechtsverhältnisse wirklich dem Genüge tue, was zu wünschen ist. Es bleibt un­sicher, ob die analoge Rechtsanwendung zugelassen oder ausge­schlossen sein soll, und richtiger wird es daher sein, wenn der Grundsatz der Unveräusserlichkeit der Rechtsfähigkeit in einer allgemeinen Formel ausgesprochen wird: Niemand soll sich über Gebühr in seiner Rechtsfähigkeit einschränken dürfen, wobei für die Tragweite der Vorschrift stets dasjenige als Massstab dienen wird, was allen gerecht ist, und was ein jeder für sich selber als gerecht anerkennen muss. Vgl. Art. 25 und 26.(2)
Äusserlich kommt der gleiche Gedanke dann auch zum Aus­druck im Namensschutz, Art. 27 und 28, (3) wobei aber der Schutz nicht schon gegen die unberechtigte Führung des Namens durch einen andern gerichtet ist, sondern mit Recht erst da Platz greift, wo eine Verletzung vorliegt, sei es am guten Ruf, an der Ehre, oder am Vermögen.
3. Die Handlungsfähigkeit. In bezug auf den Schutz gegen Ver­gewaltigung und übermässige Einschränkung steht die Handlungs­fähigkeit unter dem gleichen Schutze wie die Rechtsfähigkeit, so dass die Art. 25 ff. (4) sich auch auf sie beziehen. In diesem Sinne
(1) Der bundesrätliche Entwurf hat diese Bestimmung nicht beibehalten. Ebenso nicht das ZGB. (2) Vgl. ZGB 27 und 28. (3) Vgl. ZGB 29 und 30. (4) ZGB 27 ff.



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umschliesst die Rechtsfähigkeit eben auch die Handlungsfähigkeit. Denn soweit jemand nicht rechtsfähig ist, kann er natürlich auch nicht die Handlungsfähigkeit haben, die sich ja nur als die Be­tätigung der Rechtsfähigkeit durch das eigene persönliche Handeln darstellt. In der Möglichkeit dieser Betätigung stellt sich die Handlungsfähigkeit nun aber als ein Gebilde dar, das einer weit eingehenderen Ordnung bedarf als die Rechtsfähigkeit.
Zunächst bei der Umschreibung der Handlungsfähigkeit soll hervortreten, um was es sich handelt: Anerkennung rechtlicher Wirkung aller persönlichen Handlungen in irgend welchem Rechts­verkehr. Diese Wirkung wird stets in der Begründung von Rechten oder Pflichten bestehen, was richtigerweise nicht nur auf den Handelnden selbst, sondern auch auf andere bezogen werden muss. Vgl. Art. 7, Abs. 2. (1)
Im weitern ist festzustellen, welchen Personen die Handlungs­fähigkeit fehlt, wobei die Gesetzgebung zwei Gesichtspunkte im Auge zu behalten hat: Einerseits die Ordnung nach äusserlichen Merkmalen, die ein für allemal deutlich erkennen lassen, wer von der Unfähigkeit betroffen sein soll, und anderseits die Rücksicht auf den natürlich gegebenen Zustand der Personen selber, der ja überhaupt erst es notwendig macht, Personen als handlungsunfähig zu bezeichnen. Man kann das erstere die formelle Unfähigkeit, das letztere die natürliche Unfähigkeit heissen. Nach den beiden Richtungen ergibt sich eine Abgrenzung auf Grund ganz ver­schiedener Merkmale, daraus dann aber die Möglichkeit, dass bei einer Person die Merkmale der Handlungsunfähigkeit nach der einen der beiden Richtungen fehlen, nach der andern vorhanden sein können. Verfolgt man dies weiter, so erkennt man, dass eine Feststellung nach drei Seiten gesetzgeberisches Bedürfnis ist:
Erstens die Ordnung, wonach formell die Handlungsfähigkeit gegeben sein soll, mit der Möglichkeit, die Wirkung der formellen Voraussetzung, wenn diese der Wirklichkeit widerspricht, zu be­seitigen: Feststellung der Mündigkeit und Entmündigung.
Zweitens die Feststellung des natürlichen Zustandes und seiner von allem Vorhandensein der formellen Erfordernisse unabhängigen Bedeutung, sei es nach der Seite des Fehlens der natürlichen Fähigkeit bei Vorhandensein der formellen Voraussetzung, oder umgekehrt.
Drittens die Stellung, in die ein formell Unfähiger bei Vor­handensein der natürlichen Fähigkeit gerät.
(1) Vgl. ZGB 12. Die Bezeichnung „für sich und andere" ist schon von der Grossen Expertenkommission gestrichen worden.



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In aller dieser Ordnung hat das Gesetz die Rechtssätze nicht vollständig zu entwickeln. Es soll nur feststellen, was notwendig geordnet werden muss. Das System braucht dabei äusserlich nicht vollständig zu sein. Es genügt, wenn die einzelne Gesetzesregel klar genug ist, um praktische Anwendung erfahren und durch die Doktrin wissenschaftlich ergänzt werden zu können.
So erklärt sich unsere Einteilung für die Ordnung der Hand­lungsfähigkeit, deren Bedeutung und Tragweite wir näher festzu­stellen haben.
a) Das Hauptinteresse hat die Rechtsordnung an der Fest­stellung des Alters, mit dem eine Person als handlungsfähig be­trachtet werden soll. Der Entwurf nennt den damit erlangten Zustand, in Anlehnung an die alte Rechtssprache, die Mündigkeit und setzt diese auf das zurückgelegte zwanzigste Altersjahr fest. Die Anpassung an das Recht unserer Nachbarstaaten würde das einundzwanzigste Jahr verlangen, und die Vernehmlassung von Genf hat die Aufnahme dieses Termins direkt als wünschenswert bezeichnet. Art. 8 (1) hat das geltende Recht beibehalten, aus Gründen, die schon bei dem Handlungsfähigkeitsgesetz von 1881 für massgebend erachtet worden sind: Übereinstimmung mit der Voraussetzung des Aktivbürgerrechts und der Wehrpflicht. Ebenso entspricht es dem geltenden Rechte, dass Heirat mündig machen soll. Wer als unmündiger die Erlaubnis zur Verheiratung von dem Inhaber der elterlichen Gewalt oder Vormund erhalten hat, soll mit dem Eheschluss mündig werden, soweit nicht Gründe zur Entmündigung vorliegen. Aus andern Gründen bevormundete Per­sonen können sich, nach dem Entwurfe, mit Zustimmung der Vor­mundschaftsorgane, verheiraten, erwerben dadurch aber nicht die Handlungsfähigkeit, weil ihre Handlungsunfähigkeit nicht auf mangelndem Alter beruht, die Heirat aber nur den Mangel des Alters zu heilen vermag.
Ausserdem kann der Mangel des Alters durch die Mündig­erklärung (Jahrgebung) geheilt werden, wobei wieder das geltende Recht beibehalten ist: Zurückgelegtes achtzehntes Altersjahr und behördliche Erklärung, die das oberste Organ auszusprechen hat, und nur aussprechen darf, wenn die Interessen des Mündels es verlangen.
Damit ist die Basis der Handlungsfähigkeit nach der formalen Seite hin gelegt. Mündigkeit und Unmündigkeit bestimmen regel­mässig über die Handlungsfähigkeit und -unfähigkeit, unabhängig davon, ob der Unmündige bereits zu grösserer Reife gekommen
(1) ZGB 14.



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sei, oder der Mündige sie in Wirklichkeit gar nicht habe. Es sind die normalen Fälle, die hiermit ihre formale Festsetzung er­ fahren.
b) Hiervon wird nun unterschieden die natürliche Fähigkeit einer Person, am Verkehr teilzunehmen. Sie kann dem Mündigen fehlen, oder beim Unmündigen schon vorhanden sein. Es muss sich fragen, wie dieses Verhältnis gesetzgeberisch zu umschreiben sei, und welche Folgen mit ihm verbunden werden sollen.
Die Formel, die das Bundesrecht bishin dafür gebraucht hat, Art. 4 des Handlungsfähigkeitsgesetzes und Art. 31 des OR, (1) lautet: „Personen, die keinen bewussten Willen haben oder des Vernunftgebrauchs beraubt sind." Gegen diese Formel wenden sich die Gerichtsärzte, die Gutachten über die Handlungsfähigkeit oder Zurechnungsfähigkeit einer Person abzugeben haben, und zwar weil sie dem heutigen Stande der psychiatrischen Wissenschaft nicht entspreche. Das Requisit des Vernunftgebrauches sei zu weit gefasst, indem Personen, die des Vernunftgebrauches beraubt seien, gegebenen Falles doch die natürliche Fähigkeit besitzen. Das Requisit des bewussten Willens aber sei zu enge, indem der Geistes­ kranke häufig noch bewussten Willen habe und dennoch als unfähig zu betrachten sei. Zudem fehle in dieser Formulierung die Rücksicht auf jene Klasse von Personen, die des Vernunftgebrauches durch­ aus fähig und bewussten Willens seien, die aber nicht imstande seien, sich der Sprache ordnungsgemäss zu bedienen, oder zu schreiben oder zu lesen, die aphasischen, alektischen, agraphischen Personen, sowie die wegen Störung der Entschlussfähigkeit bei vollem Bewusstsein und Vernunftgebrauch keinen Willen zu bilden vermögen.
Aus solchen Gründen wurde der Versuch gemacht, anstatt der allgemeinen Formulierung einfach die Haupttatbestände direkt im Gesetze aufzuzählen, bei deren Vorhandensein die Handlungs­unfähigkeit anzunehmen wäre, als Geisteskrankheit und Geistes­schwäche. Allein damit wird die Lücke nicht ausgefüllt, oder der Ausdruck Geisteskrankheit muss in einer Weise ausgelegt werden, die dem Sprachgebrauche durchaus nicht entspricht, so dass er sich auch auf die Aufhebung des Bewusstseins durch Alkoholgenuss oder auf die Schlaftrunkenheit bezöge. Überdies bietet diese Aufzählung die Unzukömmlichkeit, dass sie die Ursache, aus der jemand sich in einem Zustande der geminderten Geisteskräfte be­findet, direkt der Folge jener Minderung gleich setzt, was für die Expertise des Sachverständigen grosse Bedenken erweckt. Man
(1) OR von 1881.



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stelle sich nur vor, der Richter frage in bezug auf eine gewisse Person den Experten an, ob sie geisteskrank sei, und der Experte muss das bejahen, während er weiss, dass trotzdem mit Hinsicht auf die in Frage stehende Handlung die Handlungsfähigkeit an­genommen werden müsste. Stellt aber der Richter seine Frage speziell mit Hinsicht auf jene Handlung, so muss der Experte doch jene Unterscheidung machen, über die ihn die Aufzählung der Tatbestände hinwegheben wollte.
So wird man sich also der Aufgabe nicht entziehen können, nach einer Formel zu suchen, die gesetzgeberisch in hinreichender Weise den Boden klar legt, auf dem die Expertise im einzelnen Falle abgegeben werden kann. Eine solche Formel haben wir einer Kommission von Irrenärzten, bestehend aus den Professoren Wille (Basel), von Speyr (Bern) und Delbrück (Zürich) im August 1896 vorgelegt, und sie hat deren Zustimmung gefunden. Es ist die Formel, die sich in Art. 10 des Entwurfs findet, und die in der Folge denn auch Delbrück in seine „Gerichtliche Psychopathologie" (1897, S. 36) aufgenommen hat: „Wer sich infolge von Kindes­alter, Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunkenheit oder aus ähnlicher Ursache ausser stande befindet, die Beweggründe und die Folgen seines Verhaltens richtig zu erkennen oder einer rich­tigen Erkenntnis gemäss zu handeln, ist handlungsunfähig." (1)
Gewiss hätte es sich empfohlen, dem so umschriebenen Zustand auch einen eigenen Namen zu geben, und als solcher wurde der Ausdruck ,, Urteilsunfähigkeit" gewählt (2) und in den Entwurf von 1896 aufgenommen. Denn in der Tat, von den drei Elementen der menschlichen Geistestätigkeit, Erkenntnis, Urteil und Willen, handelt es sich bei der in Frage stehenden Unfähigkeit um einen Mangel in der Urteilskraft, sei es, dass die Urteilskraft ganz fehlt, oder dass wenigstens nicht dem richtigen Urteil gemäss gehandelt werden kann. Freilich ist dabei immer gemeint, dass die Fähig­keit zum richtigen Urteil objektiv fehle und nicht einfach ein mangelhaftes Urteil vorliege. Verkauft z. B. einer sein Haus, weil es darin spuke, so kann er sehr wohl urteilsfähig gewesen sein, wenngleich sein Urteil falsch ist, indem die Voraussetzung der Existenz solcher Spukgeister wissenschaftlich nicht zutrifft. Er würde also, wenn nichts anderes vorliegt, für handlungsfähig zu erachten sein. Leidet der Mann aber an Halluzinationen, die ihm gebieten, das Haus zu verkaufen, dann liegt die Sache anders.
(1) Die Grosse Expertenkommission hat diese Formulierung als schwer verständlich abgelehnt und durch diejenige ersetzt, die sich nun in ZGB 16 findet. (2) Vgl. oben S. 15, Anm. 1.



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Dann fehlt es an der Urteilsfähigkeit und würde Handlungsunfähig­keit anzunehmen sein. Oder ist einer „bis über die Ohren verliebt", um das Beispiel zu gebrauchen, das von einer Seite der ganzen Überlegung entgegengehalten wurde, so kann es freilich geschehen, dass er gar kein klares Urteil mehr hat. Allein ohne bestimmte weitere Anhaltspunkte wird man nicht sagen können, dass er in diesem Zustande nicht fähig gewesen wäre, richtig zu urteilen. Nicht die Fähigkeit objektiv, sondern das richtige Urteil subjektiv und trotz der Fähigkeit kann, hier den Mann im Stiche lassen, der trotz alledem objektiv handlungsfähig geblieben ist.
Die Richtigkeit des Urteils muss nach gemeiner Auffassung als gestört erscheinen in Bezug auf die Beweggründe und die Folgen des Verhaltens, sowie die Möglichkeit, der richtigen Er­kenntnis gemäss zu handeln. Im Entwurfe von 1896 wurde auch noch die Störung in Bezug auf die Erkenntnis des „sittlichen Wertes" einer Handlung eingefügt. Allein soweit dieses Moment zutrifft, ist es schon in den andern enthalten. Eine selbständige Bedeutung kommt ihm nicht zu. Man denke an den jugendlichen Wechselfälscher: Hat er über den sittlichen Wert seiner Tat noch kein richtiges Urteil, so hat er es auch nicht über die Folgen. Ist er nur in dem Sinne verdorben, dass er der Tat keine sitt­liche Wertung beimisst, so liegt darin kein Grund, ihn für hand­lungsunfähig zu halten.
Die für diesen Zustand gewählte Bezeichnung war, wie er­ wähnt, „urteilsunfähig". Nun hat es sich aber gezeigt, dass dieser Ausdruck nicht leicht verstanden wird. Er ist der bisherigen Rechtssprache fremd und hat überdies der Übersetzung grosse Schwierigkeit bereitet. Aus diesem Grunde wurde er in der Re­daktion, wie sie nun vorliegt, ausgemerzt. Die Bezeichnung, die dafür eingetreten ist, lautet: „die natürliche Handlungsfähigkeit besitzen oder nicht besitzen", eine Wendung, die zwar hie und da die Redaktion eines Artikels belastet, allein im ganzen un­mittelbarer verständlich sein mag, als der anfänglich gewählte neue Ausdruck. Es ist ja auch nicht ausgeschlossen, dass die Praxis das Gesetz in dieser Richtung später ergänzt und mit einem technischen Ausdruck kurz prägt, was hier, an und für sich klar, gesagt werden will. (1)
Und nun die Folgen der natürlichen Unfähigkeit. Sie müssen nach der Natur der Sache darin gefunden werden, dass was in einem solchen Zustande vorgenommen wird, keine Rechtswirkung hat. Ob der Handelnde bevormundet, ob er mündig oder unmündig
(1) ZGB hat den Ausdruck „urteilsfähig" aufgenommen.



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sei, fällt hier gar nicht in Betracht. Sobald jener Zustand er­ wiesen ist, kann von Rechtsfolgen einer Handlung nicht mehr die Rede sein. Dabei wird stets der Zustand für die in Frage stehende einzelne Handlung in Betracht gezogen. Wer sich darauf bezieht, hat für dessen Vorhandensein den Beweis zu erbringen (Art. 11). (1)
Dazu kommt dann noch die weitere Folge, dass ein solcher Zustand, wenn die Requisite im übrigen vorhanden sind, einen Entmündigungsgrund zu bilden vermag, also zur Bevormundung führt, womit der Zustand der formellen Handlungsunfähigkeit begründet wird. Diese aber hat dann zur Folge, dass die Person auf Grund ihrer Bevormundung im allgemeinen und ohne Nachweis der Un­fähigkeit für den einzelnen Fall als handlungsunfähig gilt. Dies führt zu dem dritten Moment, das der rechtlichen Ordnung bedarf.
c) Den Unmündigen und den entmündigten Personen ist die Handlungsfähigkeit formell auch dann vorenthalten, wenn sie die natürliche Fähigkeit besitzen. Das will die Wendung andeuten, dass (nach Art. 12) die Handlungsfähigkeit ihnen „entzogen" ist. Gleichwohl muss dann aber doch ein Unterschied gemacht werden zwischen den wirklich Unfähigen und den nur formell der Fähigkeit Beraubten, indem die letzteren gewisse Rechts­handlungen mit Gültigkeit vornehmen können, ohne vertreten zu sein, und in anderer Richtung wenigstens ein Geschäft zu schliessen vermögen, das durch die Genehmigung ihres Vertreters Gültigkeit erlangt (Art. 12, Abs. 2, und Art. 437 ff.) (2), was alles mit dem geltenden Recht in Übereinstimmung steht und keiner weitern Erklärung bedarf.
4. Anfang und Ende der Einzelperson. Anfang und Ende der Persönlichkeit unterliegen in bezug auf die Einzelpersonen der rechtlichen Regelung nur in betreff der Beurkundung des Zivil­standes und des Ersatzes für den Beweis des Todes. In ersterer Richtung hat sich der Entwurf in Art. 37 bis 69 (3) im allgemeinen dem geltenden Rechte (Bundesgesetz vom 24. Dezember 1874) an­ geschlossen. In der zweiten Beziehung dagegen musste eine neue Ordnung getroffen werden, weil das geltende Recht diese Vorschriften vollständig dem kantonalen Rechte überlassen hat.
Bei dieser Ordnung war dreierlei zu unterscheiden.
Erstens in bezug auf die sogen. Commorienten, d. h. Per­sonen, die in dem gleichen Ereignis ums Leben kommen, ohne dass der Zeitpunkt des Todes oder also das Überleben der einen
(1) Vgl. ZGB 17 u. 18. (2) Vgl. ZGB 17 u. 19, 410 ff. (3) Vgl. ZGB 39 bis 51, und VO über das Zivilstandsregister vom 25. Februar 1910.



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oder andern nachgewiesen werden kann. Der Entwurf verweist für diesen Fall einfach auf die Regel, dass ohne Beweis des Über­lebens niemand aus dem Tode einer Person Rechte ableiten kann, auch nicht in Nachfolge einer andern, die gleichzeitig mit der ersten tot aufgefunden wird, mit ihr also in einem Ungewissen Zeitpunkte, aber ungefähr gleichzeitig gestorben ist. Es wurde für nötig erachtet, dies auch noch direkt in dem Satze auszu­ drücken, dass in einem solchen Falle ein gleichzeitiger Tod ver­mutet werde. (Art. 30, Abs. 2). (1)
Zweitens kann der Fall eintreten, dass zwar der Leichnam einer Person nicht gefunden wird, dass aber doch aus sicheren Anzeichen der Tod gefolgert werden muss. Verschüttung bei einem Berg­sturz, Verschwinden in einer Gletscherspalte, Vernichtung bei einer Explosion sind einige Fälle, an die hier namentlich gedacht werden muss. Auch da kann der Tod als sicher angenommen werden, so­ bald mit aller nötigen Vorsicht die Gewissheit des Todes dargelegt wird und zudem, trotz Auskündung, von keiner Seite Umstände geltend gemacht worden sind, die an der Schlussfähigkeit der Beweismittel zweifeln lassen (Art. 32 und 65). (2)
Drittens ist der Fall der Verschollenheit zu ordnen. Der zweite Teilentwurf von 1895 (Erbrecht) hatte hierfür eine blosse Regelung im Erbrecht vorgeschlagen, weil das Institut nur hier eine grössere Bedeutung besitze und ohnedies, auch wenn man es ins Personenrecht verwiese, im Erbrecht, wie auch im Eherecht, wieder erwähnt werden müsste. Allein man fand, dass es doch systematisch richtiger sei, diese Ordnung hier, bei den Vorschriften über das Ende der Persönlichkeit, festzusetzen, was in den Art. 33 bis 36, in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des zweiten Teilentwurfes, geschehen ist. Ausserdem ist die Eheschliessung im Falle der Verschollenheit durch Art. 121 und das Erbrecht am Verschollenen und dessen Erbrecht in Art. 563 bis 567 geordnet. (3)
Wir verweisen diese besondern Anordnungen in die Betrachtung der bezüglichen Abschnitte. Hier fassen wir das Verschollenheitsrecht im allgemeinen noch etwas näher ins Auge und beziehen uns dabei auf die Begründung, die wir unsern Vorschlägen bereits im zweiten Teilentwurf beigegeben haben.
In den geltenden kantonalen Rechten sehen wir (Schweiz. PR I, S. 104 ff.), dass sämtliche romanische Kantone ohne Lebensvermutung und ohne Todeserklärung auskommen. Sie begnügen
(1) Vgl. ZGB 32, Abs. 2. (2) Vgl. ZGB 34 u. 49. (3) Vgl. ZGB 35 bis 38, 102, 546 bis 550.



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sich gleich dem französischen Rechte mit einer blossen Modifikation der Beweisvorschriften, die darin besteht, dass nach einer gewissen Dauer der nachrichtlosen Abwesenheit einer Person derjenige, der aus ihrem Tode Rechte ableiten will, von dem Beweise ihres Todes entbunden ist. Es scheint uns eine ganz natürliche Folge zu sein, dass auf Grund einer dergestalt umschriebenen „Todespräsumtion" diejenigen als berechtigt betrachtet werden, die Erklärung des Verschollenheitszustandes zu verlangen, die zur Zeit der letzten Nachricht des Verschollenen, oder genauer in dem gleich darauf­folgenden Zeitpunkt, berechtigt gewesen wären. Denn die längere Dauer der nachrichtlosen Abwesenheit rechtfertigt keine Lebenspräsumtion, sondern führt natürlicherweise nur die Folge mit sich, dass, wer zu Beginn dieser Periode Rechte aus dem Tode einer Person hätte ableiten können, nunmehr von dem Beweis des Todes des Abwesenden entbunden wird. Es ist allerdings richtig, dass eine solche Anordnung etwas Willkürliches an sich trägt. Allein jede andere Ordnung mit willkürlich bestimmten Fristen für die Lebenspräsumtion und die Todeserklärung, beziehungsweise den fiktiven Todestag, zeigt diese Willkür doppelt so stark. Man hatte im frühern Recht hier wie bei den Commorienten bei der über einzelnen Umständen liegenden Ungewissheit es für nötig erachtet, durch Präsumtionen von ungefähr den wahrscheinlichen Lauf der Dinge herzustellen. Allein wie dort die Anwendung der allgemeinen Regel über die Beweislast als die ansprechendere und praktisch brauchbarere Ordnung aufgenommen worden ist, so erblicken wir auch in dem Verschollenheitsrecht ohne Lebenspräsumtion und ohne Todeserklärung, also in der Gestaltung nach dem französischen Vorbilde, die praktisch einfachere Regelung.
In betreff der technischen Ausdrücke haben wir uns dafür entschieden, als verschollen nur die Person zu bezeichnen, die gerichtlich für verschollen erklärt ist (Art. 33). (1) Des weitern kennt der Entwurf zwei Voraussetzungen der Verschollenheit, entweder Verschwundensein einer Person in Verbindung mit einer hohen Todesgefahr, in der sie zur Zeit ihres Verschwindens gestanden hat, oder Verschwundensein in Verbindung mit längerer Dauer nachrichtloser Abwesenheit. Einen dritten Fall, das hohe Alter des Verschwundenen, besonders auszuscheiden, halten wir nicht für notwendig, er kompliziert die Gesetzesregeln, ohne doch einem praktischen Bedürfnis zu entsprechen. Die beiden erwähnten Fälle unterscheiden sich voneinander durch die verschiedene Dauer der Fristen, die für sie aufgestellt werden. Auf die Höhe des Alters
(1) Vgl. ZGB 35.



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kann bei dieser Fristansetzung alle nötige Rücksicht genommen werden, wie dies denn auch in Artikel 563 betr. die Leistung von Sicherheit vorgesehen ist. (1)
Die Voraussetzungen, unter welchen die Erklärung der Ver­schollenheit anbegehrt werden kann, fixieren wir in Art. 34 (2) auf ein Jahr seit dem Zeitpunkt der Todesgefahr, oder fünf Jahre seit der letzten Nachricht des Verschwundenen, und zwar ohne zwischen den Fällen, da ein vormundschaftlicher Beistand oder ein vom Abwesenden ernannter Stellvertreter das Vermögen ver­waltet, zu unterscheiden. Für die auf das Gesuch vom Richter zu erlassende Auskündung muss ein gewisser Spielraum gelassen werden, wobei wir immerhin ein Minimum der Frist in Art. 34, Abs. 3, (3) von Gesetzes wegen aufzustellen für notwendig erachten. Die Berechtigung zur Anbringung des Gesuches ergibt sich aus dem Zweck des Institutes und ist in Art. 33, Schluss, (4) seiner Be­deutung nach im allgemeinen umschrieben worden.
In bezug auf die Wirkung der erklärten Verschollenheit genügt hier eine Verweisung auf Art. 36. (5) Da die Ansprecher ihre Rechte aus dem Tode des Verschollenen geltend machen können, ohne den Tod beweisen zu müssen, so wird namentlich der Erbgang er­öffnet (Art. 563), (6) und es werden die eingewiesenen Personen zu Erben und nicht bloss zu Besitzern, immerhin unter dem Vorbehalt einer Restitution. Insofern stimmt die Wirkung mit einer aus­drücklichen Todeserklärung überein, unterscheidet sich aber von dieser dadurch, dass die Erben sich nicht ex nunc, sondern ex tunc bestimmen. Zu dieser erbrechtlichen Wirkung der Verschollen­heit kommt ihre Bedeutung für die Ehe des Verschollenen (Art. 121). (7) Andere Folgen, wie in bezug auf die elterliche Gewalt und Vor­mundschaft, sind aus Art, 36 in Verbindung mit der besondern Regelung der betreffenden Institute unschwer abzuleiten.
Die nähere Darlegung dieser Verhältnisse, wie namentlich betreffend die Restitution des ererbten Gutes, ist in andern Zu­sammenhang zu verweisen.
5. Die Körperschaften und Anstalten. Körperschaften und An­stalten (8) sind als Personen anerkannt und haben infolgedessen eine Persönlichkeit, die derjenigen der Einzelpersonen im Rechte wesensgleich und von ihr nur im Umfange ihrer Fähigkeit ver­schieden ist. Demzufolge muss die Gesetzgebung diesen Personen Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit zuerkennen, unter Fest-
(1) Vgl. ZGB 546. (2) Vgl. ZGB 36. (3) Vgl. ZGB 36, Abs. 3. (4) Vgl. ZGB 35, Abs. 1. (5) Vgl. ZGB 38. (6) Vg1. ZGB 546. (7) Vgl. ZGB 102. (8) Im ZGB als „juristische Personen" bezeichnet.



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setzung der Grenzen, bis zu denen der Persönlichkeitsumfang hier reicht.
a) Für die Rechtsfähigkeit und damit auch für die Handlungs­fähigkeit ergibt sich die Abgrenzung nach dem Gedanken, auf den wir schon oben (S. 46) hingewiesen haben: Rechte und Pflichten, die nach der Natur der Sache die Existenz eines Menschen voraussetzen, müssen den juristischen Personen ver­schlossen sein. Im einzelnen aber kann die Abgrenzung auch bei dieser Formulierung gewichtigen Zweifeln unterliegen. Man denke z. B. an die Ehre. Hier kommt es darauf an, was man unter Ehre versteht. Begreift man darunter das Mass der Wert­schätzung im gesellschaftlichen Verkehr überhaupt, so wird man auch einer juristischen Person eine Ehre, d. h. einen guten Ruf zuerkennen können. Versteht man dagegen unter Ehre die Aner­kennung eines durch Sitte und Sittlichkeit bestimmten Wertes einer Person, so liegt die Möglichkeit dieser Anerkennung des sittlichen Wertes nicht im Wesen der juristischen Personen. Die psycho­logische Frage, die hiermit auftaucht, darf der Gesetzgeber nicht beantworten. Gewiss liegt der Kredit im Bereiche der juristischen Person, weil er eben an das ökonomische Zutrauen zu einer Person geknüpft erscheint. Dagegen sobald es sich um das Zutrauen moralischer Qualitäten handelt, wie Wahrhaftigkeit, Treue der Gesinnung, Wohlwollen, Billigkeit u. dgl., worauf doch überall die Ehre in ihrer Bedeutung als moralische Empfindung von jener Anerkennung und Wertschätzung zurückgreift, so wird man einer juristischen Person eine Ehre nicht zuschreiben können. Man darf dann eine andere Unterscheidung einfügen: Jedes einzelne Glied der juristischen Person kann als an ihrer Grundlage persön­lich beteiligt erachtet werden, und jenes Zutrauen geht, soweit es die Moral anbelangt, alsdann indirekt auf diese Beteiligten, so dass ein Angriff auf die Ehre der juristischen Person als Angriff auf deren Glieder auch unter diesem Gesichtspunkte rechtliche Bedeutung erhalten kann. Heisst es also: „die Gemeinde hat gelogen", so bedeutet das nicht einen Angriff auf die Ehre der Gemeinde als juristischer Person, sondern auf die Glieder der Gemeinde oder unter Umständen auch nur die Mitglieder der Be­hörden, von denen jedes einzelne sich in seinem Bewusstsein verletzt fühlen und demgemäss eine Sühne für das Unrecht ver­langen kann. Darnach kommt man dann zu dem Resultate, dass die juristischen Personen, wie sie ja eigentlich doch nur in bezug auf die Vermögensfähigkeit Rechtsfähigkeit besitzen, einen Angriff auf die Ehre nur verfolgen können, wo die Ehre in ihrer ökono­mischen Bedeutung für die Person in Frage steht. Aus diesem



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Grunde haben wir im Art. 71 (1) unter den Beispielen der Be­schränkung der Persönlichkeit die erst mit aufgeführte Ehre wieder gestrichen. Denn es soll nicht ausgeschlossen werden, dass ein Angriff auf den guten Ruf einer juristischen Person nach der ver­mögensrechtlichen Seite vor Gericht gebracht werden könne, wäh­rend bei Angriffen auf die Ehre in anderer Hinsicht nicht eine Verletzung der juristischen Person, sondern nur einiger Mitglieder oder Organe als Einzelpersonen in Frage stehen kann.
b) Dass die juristischen Personen auch Handlungsfähigkeit besitzen, haben wir oben bemerkt. Sie handeln durch ihre Organe, die nicht als Vertreter oder Vormünder aufgefasst werden dürfen, sondern in ihrer Organstellung den Willen der Person direkt aus­drücken und also auch Handlungen der juristischen Person selber vollziehen. Dies Auffassung hat ihre praktische Bedeutung. Fasst man die Organe nämlich nicht als solche, sondern als Vertreter auf, so ergibt sich daraus die Folge, dass unerlaubte Handlungen von den juristischen Personen niemals begangen werden können. Die Vollmacht wird in gültiger Weise niemals auf eine unerlaubte Handlung gehen. Juristische Personen mit rechtswidrigem Zwecke sind überall und von vorneherein nichtig. Würde aber von den Organen etwas Unerlaubtes beschlossen oder verübt ohne Voll­macht, so könnte dieses nur die handelnden Einzelpersonen selber angehen. Man kann sich denken, wie wenig diese Ordnung zu befriedigen vermöchte: Die juristischen Personen würden auch mit Hinsicht auf die vermögensrechtlichen Folgen aus unerlaubten Handlungen ihrer Organe jederzeit unbehelligt bleiben, und nur die Einzelpersonen hätten zu haften. Ganz anders bei der vom Entwurfe vertretenen Auffassung. Ist das Organ wirklich als solches ein Teil der Persönlichkeit, so entsteht in ihm die Hand­lung als eine solche dieser Persönlichkeit, sobald es als Organ handelt, ob innerhalb seiner Befugnis oder unter deren Über­schreitung, ist gleichgültig. Sobald eine Rechtsverletzung von dem Organe als solchem ausgeht, sei es eine Vertragsverletzung oder ein selbständiges Unrecht, eine Verzugshandlung oder eine Unter­schlagung, so kommt es nicht darauf an, ob die handelnde Person mit Vollmacht gehandelt habe oder nicht, sondern darauf, ob sie als Organ oder nicht als Organ tätig gewesen sei. Ist ersteres der Fall, so ergibt sich daraus ohne weiteres auch die Verpflichtung der Persönlichkeit. Die Art des Geschäftes oder die Art des Auf­tretens des Organs wird hierbei regelmässig darüber Aufschluss geben, wie es sich mit der Handlung als Organ verhalte. Natürlich
(1) Vgl. ZGB 53.



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kann ausserhalb der Rechtsfähigkeit der Persönlichkeit auch eine unerlaubte Handlung für die juristische Person nicht erfolgen. So z. B. nicht eine Mordtat, nicht eine unzüchtige Handlung u. dgl. Nimmt man aber z. B. an, dass der Direktor einer Korporation oder Anstalt bei Unterhandlungen betreffend die Geschäfte der Gesellschaft einen Betrug beginge oder um der Zwecke der Ge­sellschaft willen einen Brandschaden verursachte, so würde eben doch eine Handlung der juristischen Person vorliegen und eine Haftung dieser selbst und nicht einfach des schuldigen Mannes gegeben sein.
Auch geht diese Haftung niemals über die Rechtsfähigkeit der juristischen Person hinaus. Strafen, die zu ihrer Vollziehung die Existenz eines Menschen zur Voraussetzung haben, lassen sich mit Wirkung auf die juristische Person nicht denken. Es wird also auch hierin im wesentlichen bei der vermögensrechtlichen Wirkung sein Bewenden haben, wenn nicht etwa die Strafe der Entziehung des Gewerbebetriebes oder der Auflösung der Persönlichkeit hinzu­ kommt.
Endlich ist das Verhältniss auch nicht so aufzufassen, als ob die Handlung des Individuums durch die Handlung als Organ voll­ständig zugedeckt würde. Individuelle Handlung bleibt die Tat der Person, die als Organ handelt, eben doch, und darum muss neben der Haftbarkeit für die Delikte seitens der juristischen Person eine Haftbarkeit der handelnden Person bestehen, und zwar nicht nur vermögensrechtlich, sondern auch kriminell. In diesem Sinne ist Art. 75 formuliert. (1)
Mit einer solchen Ordnung der Rechts- und Handlungsfähig­keit schliesst sich der Entwurf einer Bewegung an, die auf frühere Auffassungen zurückgreift, dann aber eine geraume Zeit durch eine neuere doktrinelle Strömung zurückgedrängt worden war, bis sie bei uns und in den Nachbarländern in neuesten Erscheinungen immer mehr wieder zu Ehren gezogen worden ist. Man beachte die Stellung der neuen Gesetzgebung zu dieser Frage, Schweiz. PR I, S. 166 f., IV, S. 896 f., OR. Art. 62, 115. (2)
c) In bezug auf die Entstehung und Aufhebung der juristischen Personen genügt es, darauf hinzuweisen, dass der Entwurf nicht die Privilegierung oder Konzession durch den Staat verlangt, wie heute noch eine Anzahl kantonaler Rechte, sondern in Anlehnung an eine alte Überlieferung und das Recht der Mehrzahl der Kan­tone eine Entstehung anerkennt, sobald nur die nötigen Merkmale gegeben sind, nach denen der Wille der Konstituierung einer
(1) Vgl. ZGB 55. (2) Nunmehr OR 55, 101.



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juristischen Person unzweifelhaft dargetan ist, vgl. Schweiz. PR I, S. 157 ff. Diese Konstituierung kann nicht für alle juristischen Personen in gleicher Weise geordnet werden. Die öffentlichen Korporationen und Anstalten entstehen anders als die privaten, Vereine und Genossenschaften anders als Stiftungen, wirtschaft­liche Gebilde anders als solche mit idealen Zwecken. Was aus­geschlossen werden will, ist nur die Notwendigkeit, dass eine Konzession oder ein jedesmaliger Beschluss der Staatsbehörde, eine Übertragung der Persönlichkeit durch die öffentliche Gewalt er­forderlich sei, damit die juristische Person entstehen könne. Es soll die Erfüllung der vorgeschriebenen Form zur Herstellung der Persönlichkeit genügen. Natürlich können noch Publizitätsvor­schriften mitwirken, und für Gebilde, die dem Verkehrsleben dienen, also für alle wirtschaftlichen juristischen Personen hat es daher seinen guten Grund, wenn die Erfüllung einer Publizitätsform zur Bedingung der Entstehung der Persönlichkeit gemacht wird. Allein wo dieses Verkehrsinteresse nicht mitspricht, wie bei den Vereinen mit idealen Zwecken, da bedarf es dieser Publizität für die Ent­stehung nicht, sondern es genügt die Dokumentierung des Kon­stituierungswillens, um das Recht der Person zur Entstehung zu bringen. Vgl. Art. 70, Abs. 1, Art. 79. (1)
Ebenso verhält es sich mit der Beendigung. Auch da kann die Aufhebung in erster Linie dem Willen der juristischen Person selber überlassen werden. Allerdings kommt hier dann hinzu ein Auflösungsrecht der Behörden bei Rechtswidrigkeit. Zweifelhaft kann die Sache hierbei nach zwei Richtungen werden. Einmal wenn die Auflösung erfolgt, kann es sich fragen, was mit dem vor­handenen Vermögen angefangen werden soll. Dafür stellt Art. 76 eine nähere Anleitung auf. Vgl. OR Art. 716, Abs. 3 und 4. (2) In bezug auf Stiftungen aber, die nicht mehr ihren Zweck erfüllen können, entschliesst sich der Entwurf, der Staatsregierung, deren Aufsicht die Stiftung unterstellt ist, die Befugnis ausdrücklich zu­zuerkennen, eine Änderung des Zweckes vorzunehmen, unter mög­lichster Wahrung des alten, nicht mehr verfolgbaren Zweckes. Man denke an den Fall der Stiftung für einen Postkurs, der später durch eine Eisenbahnverbindung ersetzt wird, oder für eine Beleuchtung mit Petrol, nachdem Gas eingeführt worden ist. Tat­sächlich ist dies auf anderer Grundlage denn auch schon jetzt geübt worden, indem der Staat das bei Aufhebung der Stiftung herrenlos gewordene Gut sich zwar aneignet aber möglichst zweck­entsprechend wieder verwendet. S. Schweiz. PR I, S. 175 f.
(1) Vgl. ZGB 52, Abs. 2, u. 61. (2) Vgl. ZGB 57, entsprechend OR von 1881, 716.



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Die Einzelpersonen.
Erster Abschnitt.
Das Recht der Persönlichkeit.
A. Die Persönlichkeit im allgemeinen. Der erste Abschnitt des ersten Titels handelt vom Recht der Persönlichkeit, was im fran­zösischen Text mit dem Ausdruck „capacité civile" wiedergegeben (3) worden ist: also von der Existenz der Person im Rechtssinn, von
(1) Im ZGB „natürliche Personen" genannt. (2) Im ZGB ist dieser vierte Abschnitt zum Schluss des ersten geworden. (3) Im Gesetz „personnalité".

II. Die Ausführung in den Einzelvorschriften.
Wir bilden aus dem Personenrecht die zwei ersten Titel des Entwurfes, indem wir die allgemeinen Vorschriften über die Per­sönlichkeit für die Einzelperson (1) aufstellen und im zweiten Titel auf sie, soweit nötig, verweisen. Jeder der zwei Titel zerfällt in Abschnitte, die aber in den beiden Materien nicht nach dem glei­chen Gesichtspunkte gebildet sind. Für die Einzelperson sprechen wir zunächst von dem Rechte der Persönlichkeit, und zwar A. im allgemeinen, B. in bezug auf den zu gewährenden Schutz und C. betreffend Anfang und Ende, während im zweiten Abschnitte die Beurkundung des Personenstandes geordnet wird. Im zweiten Titel verweisen wir in einen ersten Abschnitt die allgemeinen Bestim­mungen für alle juristischen Personen. Der zweite, dritte und ganz kurze vierte Abschnitt handeln von den einzelnen Arten der juristischen Personen. (2) Wir haben nirgends schlechtweg nach einem allgemeinen Schema geordnet, sondern immer auf die Be­dürfnisse für die einzelne Materie geachtet, so dass es uns kein Bedenken gemacht hat, die Ordnung für die verschiedenen Insti­tute nach ganz verschiedenartigen Gesichtspunkten zu treffen, wenn nur der gewählte Gesichtspunkt sich gerade für die zu ordnende Materie als zutreffend erwiesen hat. Auch der verschie­dene Grad der Vollständigkeit in den einzelnen Abschnitten und Unterabschnitten darf hier wie dort nicht auffallen, insofern darin wiederum nur unser Plan zum Ausdruck kommt, den Umfang der Regelung jeweils nach dem hierfür vorhandenen praktischen Be­dürfnis abzumessen.
Erster Titel.



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(1) Ziff. III ist im Gesetz weggefallen. Ziff. II zerfällt im Gesetz in II (Handlungsfähigkeit) und III (Handlungsunfähigkeit). (2) ZGB 11. (3) Im Gesetz ist das letztgenannte weggefallen (vgl. oben S. 34, Anm. 1, sowie S. 36, Anm. 1), und die Ordnnng nach Handlungsfähigkeit und -unfähigkeit gegliedert.


der Fähigkeit, im Rechte Existenz zu haben. Diese Qualität wird unter lit. A. im allgemeinen, d. h. nach der Seite ihres Bestandes überhaupt geordnet, wobei fünf Seiten unterschieden werden: I. Die Rechtsfähigkeit — jouissance des droits civils, II . Die Handlungsfähigkeit — exercice des droits civils, III. Die Ehre — atteinte à l'honneur (die Verschiedenheit der Texte beruht auf sprachlichen Gründen), (1) IV. Verwandtschaft und Schwägerschaft — parenté et alliance, V. Heimat und Wohnsitz — droit de cité et domicile. Andere rechtlich relevante Eigen­schaften der Persönlichkeit im allgemeinen sind nicht anerkannt, waren also hier auch nicht zu ordnen.
I. Die Rechtsfähigkeit. Art. 6. (2) Die Voraussetzung der Rechts­fähigkeit ist mit Abs. 1 gegeben: Jedermann ist rechtsfähig, wo­ bei die Regelung betreffend Anfang und Ende des rechtsfähigen Zustandes in den Abschnitt C verwiesen wird. Man darf nicht sagen, dass ein Beginn des Gesetzes mit der „Geburt" logischer wäre. Denn das Gesetz ist kein Lesebuch. Wir wünschen an seinem Beginn einen Satz zu sehen, der durch seinen Inhalt Be­deutung hat, und das ist die Sanktion der allgemeinen Rechts­fähigkeit.
Der zweite Absatz umschreibt den Inhalt der Rechtsfähigkeit, wobei zwei Dinge zu beachten sind: Die Gleichheit der Rechte als Grundsatz und der Vorbehalt der Ausnahmen, die durch die Rechtsordnung aufgestellt werden. Rechtsordnung aber ist der Inhalt des objektiven Rechtes. Der Gesetzgeber darf und muss in der Behandlung der verschiedenen Personenklassen Unterschiede machen, oder auch das Gewohnheitsrecht kann solche fixieren. Dagegen sind Gericht und Verwaltung an die Rechtsordnung ge­bunden, für sie bedeutet der Satz die Gleichheit in allen Fällen, wo nicht das objektive Recht einen Unterschied macht.
II. Die Handlungsfähigkeit. Die Einteilung der Materie hat hier im Laufe der Beratungen mehrmals Modifikationen erfahren. Schliesslich erschien es uns zutreffend, nach ganz praktischen Gesichtspunkten die Momente hervorzukehren, die in der Anwen­dung besonders hervortreten: Die Mündigkeit, die natürliche Un­fähigkeit, die Unmündigkeit und Entmündigung, und die Stellung des Ausländers. (3)



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1. Die Mündigkeit. Art. 7 bis 9. (1) Der Ausdruck lehnt sich an altes Recht an, während in den geltenden Gesetzen meist von Volljährigkeit gesprochen und unter Mündigkeit gelegentlich eine niederere Altersstufe verstanden wird. Vgl. Schweiz. PR I, S. 135 f. Allein volljährig ist nicht mündig, sondern macht mündig. Der französische Text hat mangels eines passenden Ausdruckes den Sprachgebrauch beibehalten und übersetzt Mündigkeit mit majorité. Eine andere Frage war es, ob nicht der Ausdruck über­haupt entbehrt und einfach von Handlungsfähigkeit gesprochen werden könnte. Allein es erwies sich als passender, für die ver­schiedenen Fälle der Erlangung der Handlungsfähigkeit ein ge­meinsames Wort, die Mündigkeit, zu haben, wobei diese Qualität von Gesetzes wegen mit dem Alter des vollendeten zwanzigsten Lebensjahres und durch Heirat erlangt wird, mit behördlichem Akt aber durch die Mündigerklärung (Jahrgebung). Für diese ist die Erklärung einer Behörde beibehalten, weil die private Eman­zipation leicht zu Steuerunterschleifen oder Übervorteilungen miss­braucht wird. Als Behörde ist die oberste kantonale Vormundschaftsbehörde bezeichnet, Art. 450. (2)
Das Minimum von achtzehn Jahren entspricht ebenfalls dem geltenden Rechte, Handlungsfähigkeitsgesetz Art. 2. Von wem das Gesuch ausgehen müsse, ist nicht gesagt. Es schien uns hin­reichend, wenn bestimmt wird, dass die Interessen des Unmündigen die Mündigerklärung rechtfertigen, resp. darnach verlangen müssen. (3) Man darf hierin unbedenklich den Gepflogenheiten der verschiedenen Landesgegenden Spielraum gewähren. Grundsätzlich hat das Ge­such vom Unmündigen auszugehen. Allein er ist vertreten gemäss Art. 435 und 308. (4) Also wird der Vormund oder der Vater das Gesuch für ihn einreichen, nachdem er sich nötigenfalls selber mit ihm beraten hat, Art. 436. (5) Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch gegen seinen Willen eine Mündigerklärung erfolgen kann, sobald eben nach der Ansicht der Vormundschaftsbehörden die Interessen des Unmündigen sie verlangen. (6) Die Mitwirkung ver­schiedener behördlicher Instanzen wird nach der Behördenorgani­sation durch die Kantone festgesetzt, Art. 387. (7)
2. Mangel der natürlichen Fähigkeit, Art. 10 und 11. (8) Eigentlich würde die Einteilung hier verlangen, nach der Erlangung der
(1) Vgl. ZGB 12 bis 16. (2) Vgl. ZGB 422, Ziff. 6. (3) Das Gesetz nennt diese Voraussetzung nicht, sie ergibt sich, soweit nötig, aus der behördlichen Handlung und aus dem Erfordernis des Einverständnisses des Unmündigen und der Zustimmung der Eltern oder Anhörung des Vormundes. (4) Vgl. ZGB 407 u. 280. (5) Vgl. ZGB 409. (6) Das Gesetz verlangt das Einver­ständnis des Unmündigen. (7) Vgl. ZGB 361. (8) Vgl. ZGB 16, 18.



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Handlungsfähigkeit mit dem Alter etc. von deren Erlangung nach der Natur der Sache selber zu sprechen. Allein von Bedeutung ist für die Rechtsanwendung doch nur die eine Seite der Ordnung: der Zustand der Unfähigkeit nach erlangter Mündigkeit und der Zustand der vollständigen Unfähigkeit innerhalb der Unmündig­keit. In beiden Beziehungen stellt der Entwurf einzig auf den natürlichen Zustand ab. Er nimmt also namentlich in der zweiten Richtung, im Gegensatz zu vielen Rechtssystemen, aber in Über­einstimmung mit dem Obligationenrecht, Art. 31, (1) davon Umgang, eine weitere Altersstufe formal aufzustellen. Sie erweist sich sowohl hinsichtlich der vollen Unfähigkeit als der Fähigkeit inner­halb der Vormundschaft (Art. 12, 436) (2) als entbehrlich. Es haben sie im Familienrecht auch nur wenige Kantone beibehalten. (S. Schweiz. PR I, S. 135 f.) So umschreiben wir den Zustand der Unfähigkeit, in der Meinung, dass sich aus dem Gegensatz der­jenige der natürlichen Fähigkeit ohne weiteres ergeben muss. Eben deshalb aber sprechen wir doch nicht von der natürlichen Unfähig­keit, sondern vom Mangel der natürlichen Fähigkeit. Damit ist der Begriff der natürlichen Fähigkeit hinreichend hervorgehoben, so dass später in verschiedenen Beziehungen immer wieder auf diese Fähigkeit Bezug genommen werden kann.
Den Zustand des Mangels haben wir in der Formel umschrieben, die bereits oben von uns begründet worden ist (s. S. 54). Die Wirkung besteht in der Unfähigkeit zu rechtlich wirksamen per­sönlichem Handeln, mit den Ausnahmen, die von der Rechtsordnung besonders festgestellt werden. Man denke an Art. 58, 61, 62 des OR (3) u. a. Das Verhalten besagt, dass diese Wirkungslosigkeit bei positivem Tun oder bei einer Unterlassung, im Vertragsver­hältnis oder ausser Vertrag in gleicher Weise gegeben sein kann.
3. Zustand der Unmündigkeit und Entmündigung, Art. 12. (4) Was
hier festgestellt ist, hat die Äusserung der natürlichen Fähigkeit bevormundeter Personen im Auge, insoweit es sich um eine direkte Wirksamkeit ihres Verhaltens handelt. Art. 436 und 487 (5) er­gänzen die Ordnung nach der Seite der Begründung eines so­genannten hinkenden Geschäftes. Rechte erwerben und sich von Verbindlichkeiten befreien, wird bereits im OR Art. 32 (6) als der Kreis genannt, wo der Bevormundete, der die natürliche Fähigkeit besitzt, selbständig zu handeln vermag. Gemeint ist dabei auch
(1) OR von 1881. (2) Vgl. ZGB 19, 409, wo jedoch außerdem ein Alter von 16 Jahren vorausgesetzt ist, wie auch in 413. (3) Vgl. OR 54, 55, und ZGB 333. (4) Vgl. ZGB 19. (5) Vgl. ZGB 409, 410. (6) OR von 1881.



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der Genuss der Rechte, indem der Unmündige zweifellos z. B. mit Rechtswirkung eine Uhr tragen, ein Zimmer bewohnen kann, ohne der Zustimmung des Vertreters zu bedürfen. Der Entwurf fügt hinzu einerseits die Ausübung der höchstpersönlichen Rechte (1) zum Schutz der Persönlichkeit oder zur Geltendmachung von Rechten, die nicht vermögensrechtlichen Charakter haben, wie z. B. Ehescheidungsklage, und andererseits die Ersatzpflicht bei uner­laubten Handlungen, womit diese Personen ausdrücklich als zivil­ rechtlich deliktsfähig erklärt werden. Gerne hätten wir auch noch eine Bestimmung aufgenommen in dem Sinne, dass Rechtshandlungen, die eine Person vor ihrer Bevormundung im Zustand der natürlichen Unfähigkeit vorgenommen hat, auf Begehren der Vormundschafts­behörde gerichtlich für ungültig erklärt werden können, sowie dass Rechtshandlungen aus dem der Einleitung des Entmündigungsverfahrens vorangehenden Jahre, wenn die Entmündigung wegen Verschwendungssucht durch sie veranlasst worden ist oder bei ihrem Bekanntsein hätte ausgesprochen werden müssen, während eines Jahres nach der Entmündigung vom Vormund angefochten werden können. Allein die Bestimmung erschien zu gewagt. Ist die Verschwendungssucht krankhaft oder eine Folge beginnender geistiger Auflösung überhaupt, wie dies häufig zu Tage tritt, so mögen in den krassesten Fällen die Bestimmungen der Art. 10 und 11 (2) zur Begründung der Anfechtung genügen. Im übrigen soll durch das Verfahren, schnelles Eingreifen mit vorsorglichen Massregeln, Art. 400 f., 416 (3), zu deren Aufstellung die Kantone bei der Regelung des Entmündigungsverfahrens zuständig sind, die nötige Hilfe gebracht werden.
Durch die Bestimmungen über die Handlungsfähigkeit der unmündigen und entmündigten Personen werden die Vorschriften des OR, Art. 29 bis 34 (4), ersetzt. Art, 33, Abs. 3, ist in Art. 438. Abs. 2, (5) aufgenommen.
III. Die Ehre. Art. 14 und 15 (6). Der Entwurf kennt zwei Arten der Minderung der Ehre und der damit verknüpften Rechtsfolgen. Die erste ist der unehrenhafte Lebenswandel, der nicht durch die Betreibung eines Berufes, auch nicht durch die Stellung der Familie oder ähnliche Voraussetzungen des frühern Rechtes, sondern einzig durch die höchst persönliche Art des Benehmens, Lasterhaftigkeit, Betrieb eines dem Laster dienenden Gewerbes u. dgl., hergestellt
(1) ZGB 19 sagt: „Rechte, die ihnen um ihrer Persönlichkeit willen zu­ stehen." (2) Vgl. ZGB 16 n. 18. (3) Vgl. ZGB 386, 373 f. (4) OB von 1881. (5) Vgl. ZGB 411, Abs. 2. (6) Beide Artikel wurden schon von der Grossen Expertenkommission abgelehnt.



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wird. Die Folge, die mit diesem Benehmen sich nach Art. 14 verbindet, ist der Verlust des richterlichen Schutzes für die Rechte, die in der im Gesetz angegebenen Einschränkung die Ehrenhaftig­keit des Berechtigten voraussetzen. Zudem kann eine solche Person nach Art. 414 (1) nicht zum Vormund ernannt werden.
Die zweite Art der Ehrenminderung verbindet sich mit einem strafgerichtlichen Urteil und heisst Herabsetzung in der bürger­lichen Ehre, Art. 15. Sie hat im Zivilrecht den Verlust der Fähig­keit, Urkundszeuge oder Vormund zu sein, zur Folge. Alle andern Folgen sind öffentlich-rechtlich.
Einige kantonale Rechte unterscheiden zwei Arten von ge­richtlicher Herabsetzung in der Ehre. Vgl. Schweiz. PR I, S. 138 f. Allein ihre Unterscheidung berührt das Zivilrecht nicht, Wir glauben, dass die vom Entwurf aufgenommene Unterscheidung für den Bereich des Zivilrechts genüge, halten aber in diesem Umfange eine Betonung der Wichtigkeit der Ehre für das Zivilrecht für äusserst wünschenswert.
Wenn die Frauen der öffentlichen Rechte nicht teilhaftig sind, so dürfen sie gleichwohl in diesem Ausschluss nicht inbegriffen werden. Denn sie haben keine Herabsetzung im Sinne des Art. 15 erfahren und stehen betreffend die Wirkung der Ehre privatrecht­lich einfach unter dem Grundsatz der Rechtsgleichheit.
IV. Verwandtschaft und Schwägerschaft. Art. 16 und 17. (2) Zu
bemerken ist in bezug auf die Regelung der beiden Verhältnisse für die Blutsverwandtschaft nur das eine, dass der Entwurf, ob­ gleich er im Erbrecht die Parentelenordnung aufgenommen hat, die Grade der Verwandtschaft nach römischen Graden, d. h. nach Zeugungen zählt und nicht nach der Entfernung vom gemeinsamen Stammvater. Diese Ordnung empfiehlt sich der grössern Einfachheit wegen und stellt sich zur Parentelenordnung nicht in Widerspruch, weil die Grade überhaupt keine erbrechtliche Bedeutung haben. Sie werden durch die absolute Stammteilung innerhalb einer jeden Parentel entbehrlich gemacht. Wenn wir dennoch die Regel auf­ genommen haben, so geschah es wegen der Beziehung zum gelten­ den Rechte, dessen Verschiedenheit gegenüber eine einheitliche Regel am Platze zu sein schien, und um für die Berechnung der Entfernung z. B. bei gleichen Parentelen auf der väterlichen und der mütterlichen Seite einen Anhalt zu geben.
In bezug auf die Schwägerschaft verdient Beachtung, dass diese durch die Auflösung der sie begründenden Ehe nicht auf
(1) Vgl. ZGB 384, Ziff. 2. (2) Vgl. ZGB 20, 21.



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gehoben werden soll. Dies ist vielfach schon Regel des geltenden Rechtes (Schweiz. PR I, S. 178 ff.). Es hat seine Wirkung in allen den Verhältnissen, wo der Schwägerschaft rechtliche Bedeutung zukommt. So betreffend das Ehehindernis, Art. 119 (1), betreffend die Unterstützungspflicht, Art. 354 (2). Darnach bleibt die letztere für den Stiefvater bestehen, auch wenn die Mutter des Kindes gestorben ist, ebenso für den Schwiegersohn im Verhältnis zu den Schwiegereltern, auch wenn die Frau stirbt. Das Gleiche gilt bei Auflösung der Ehe durch Tod oder Scheidung wenigstens in bezug auf das Ehehindernis, wogegen für die Unterstützungspflicht gegen­über Verschwägerten in Betracht fällt, dass durch Scheidung die Ehegatten güterrechtlich, erbrechtlich und überhaupt familienrecht­lich vollständig getrennt werden, Art. 177 (3). An Stelle der Unter­stützungspflicht tritt die Entschädigung gemäss Art. 174 ff. (4). Demgemäss kann natürlich auch von den Verwandten des einen Ehegatten im Verhältnis zum andern eine Unterstützungspflicht nicht mehr bestehen. Ein geschiedener Mann hat also das Kind seiner Frau als sein Stiefkind nicht mehr zu unterstützen. Heiraten dürfte er es aber nicht, weil es eben doch sein Stiefkind geblieben ist. Zur Redaktion des Absatzes 2 von Art. 16 sei bemerkt, dass es genauer heissen sollte, in der Seitenlinie seien zwei Personen miteinander verwandt, wenn sie nicht in gerader Linie gemeinsam von einer dritten abstammen. Doch ist die Bestimmung, wie sie lautet, nicht missverständlich. (5)
V. Heimat und Wohnsitz, Art. 18 bis 24. (6) In Bezug auf das Bürgerrecht ist auf die Ordnung hinzuweisen, die den Erwerb, d. h . den Beweis des erworbenen Rechtes zu regeln unternimmt. Art. 18 wird keine Bedenken erregen. (7) Ebensowenig in betreff des mehr­fachen Bürgerrechtes die Bevorzugung desjenigen, das mit Wohnsitz sich kombiniert hat. Die Regel betreffend die Konkurrenz der Bürgerrechte ohne Wohnsitz schliesst sich an Art. 5 des Gesetzes vom 25. Juni 1891 an. In dem Bundesgesetz vom 23. Dezember 1851, über die politischen und polizeilichen Garantien zu gunsten der Eidgenossenschaft, wird in Art. 5 unter mehreren Bürgerrechten umgekehrt dem ältern der Vorzug gegeben.
Für den Wohnsitz konnte ebenfalls das zit. Gesetz benützt werden (Art. 3 und 4), Art. 20 ist gleich Art, 3, Abs. 1, Art. 21, Abs. 1 und 2, gleich Art. 3, Abs. 3 und 4, Art. 22, Abs. 1, gleich
(1) Vgl. ZGB 100. (2) Vgl. ZGB 328, der aber die Verschwägerten nicht mehr als unterstützungspflichtig bezeichnet, (3) Vgl. ZGB 154. (4) Vgl. ZGB 151 ff. (5) Vgl. nun die Fassung von ZGB 20, Abs. 2. (6) Vgl. ZGB 22 bis 26. (7) Vgl. ZGB 22, Abs. 1 u. 2.



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Art. 4, Art. 24 gleich Art. 3, Abs. 2. Die Verschiedenheiten sind hier überall nur redaktionell. In Art, 24 (1) wurde der Aufenthalt an einem Orte zum Zwecke des Besuches einer Lehranstalt (gel­tender Art. 3, Abs. 2, Schluss) weggelassen, weil blosser Aufent­halt überhaupt keinen Wohnsitz begründet und Fälle vorkommen können, wo beispielsweise mit dem Beziehen einer Universitätsstadt durch eine mündige Person auf längere Zeit eben doch die Voraus­setzungen des Domizils geschaffen werden trotz Besuchs der Lehr­anstalten. Dagegen finden sich in dem Entwurf noch zwei Zusätze: Art. 22, Abs. 2, (2) betreffend die Möglichkeit, dass die Ehefrau selbständigen Wohnsitz haben kann, der ihr nach den tatsächlichen Verhältnissen und gemäss den Vorschriften über die Trennung, Art. 171 und 193, (3) schlechterdings nicht verweigert werden darf, sowie Art. 23 betreffend die exterritorialen eidg. Beamten, (4)
Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob nicht eine beson­dere Bestimmung oder Ausnahme zu Art. 22, Abs. 1, betreffend die Fälle der Beistandschaft notwendig sei. Es erscheint jedoch ohne weiteres klar, dass die Vormundschaft des zit. Abs. 1, nur auf die Fälle der ordentlichen Vormundschaft bezogen werden darf. Denn von einer bevormundeten Person kann bei der Beistandschaft nicht gesprochen werden. Vgl. Art. 422 ff. (5)
B. Der Schutz der Persönlichkeit, Art. 25 bis 28. (6) Man darf es zum Schutz der Persönlichkeit rechnen, wenn deren Unveräusserlichkeit sanktioniert und jede übermässige Beschränkung als un­verbindlich erklärt wird. Dieser schon oben berührten prinzipiellen Anerkennung dessen, was zerstreut bereits im geltenden Rechte Aufnahme gefunden hat, schliesst sich in Art. 26 (7) das Recht auf Klage bei Verletzung der Persönlichkeit an. Als Objekt der Ver­letzung erscheint die Persönlichkeit, was in Art. 55 des OR (8) gemeint, aber nicht gesagt ist. Die Bestimmung ist hier also all­gemeiner gefasst und objektiv begründet. Der Schutz geht auf Beseitigung der Störung, auf Schadenerzatz und unter Umständen, d. h. nach richterlichem Ermessen, auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, mit welcher Formel der Entwurf hier und in mehrfach wiederkehrenden Fällen den Anspruch umschrieben hat, der neben allem ziffernmässig festzustellenden oder nach richter­lichem Ermessen abschätzbaren Vermögenschaden vom Kläger soll geltend gemacht werden können.
(1) Vgl. ZGB 26, der die alte Fassung wieder hergestellt bat. (2) Vgl. ZGB 25, Abs. 2. (3) Vgl. ZGB 147 u. 170. (4) Im ZGB weggelassen. (5) Vgl. ZGB 392 ff. (6) Vgl. ZGB 27 bis 30. (7) Vgl. ZGB 28. (8) OR von 1881, vgl. nun OR 49.



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Über den Namen stellt der Entwurf zwei Vorschriften auf, betreffend Namenschutz, Art. 27, (1) und Namensänderung, Art. 28. (2)
Der Namenschutz kann in zwei Richtungen zu Klagen Anlass geben. Einmal kann es bestritten werden, ob überhaupt jemand zur Führung eines Namens, natürlich als eines ihm zustehenden, berechtigt sei. Das soll jeder Berechtigte, ohne dass er eine Schädigung nachzuweisen braucht, feststellen lassen können. Aus solchem Grunde ist diese Seite des Namenschutzes in einem ersten Absatz des Art. 27 hervorgehoben worden.
Ein zweiter Fall dagegen liegt vor, wenn jemand durch die Führung seines Namens seitens eines andern sich in seinem Rechte gekränkt glaubt. Da soll die Klage nicht ohne weiteres gegeben sein. Nicht jede Führung des Namens des A durch den B ist als Grund zur Klage zu betrachten, sondern nur dann rechtfertigt sich ein gerichtliches Einschreiten, wenn eine doppelte Voraussetzung sich verwirklicht: Unbefugte Führung des Namens, d. h. also Anmassung des Namens, wie die vorliegende Redaktion sich aus­ gesprochen hat, und Verletzung des Berechtigten durch diese Führung. Verletzung „in seinen Rechten", sagte der Entwurf ursprünglich. Die jetzige Redaktion hat den Beisatz als selbst­verständlich weggelassen, denn natürlich kann nur die Verletzung eingeklagt werden, die ein Recht des Verletzten betrifft. Das kann sein: Kredit, guter Ruf, Kundschaft, Familienleben, Anspruch auf Stellung irgend welcher Art. In solchem Sinne muss die Verletzung vorliegen, wenn in diesem zweiten Falle überhaupt eine Klage gegeben sein soll. Von einer Schädigung wurde absicht­lich nicht gesprochen. Denn es sollen in dieser Verletzung nicht blos die Fälle des Vermögensschadens, sondern auch die der mora­lischen Unbill mit inbegriffen sein.
Der Schutz ist der gleiche, wie bei dem Angriff auf die Per­sönlichkeit überhaupt: Klage auf Unterlassung der Störung, Schadenersatz und Leistung einer Geldsumme als Genugtuung.
Nun kann es sich aber fragen, ob für den ersten Fall, der richterlichen Feststellung des Rechts zur Namensführung, diese Klage genüge, oder ob nicht auch für diesen Fall die gleiche Be­rechtigung gegeben sein sollte, wie beim zweiten. Es dürfte dies im Sinne der Ergänzung des Klagerechtes sehr wohl aufgenommen werden, erscheint aber nicht notwendig, da ja der Berechtigte selbstverständlich auch im ersten Falle aus der Verletzung klagen darf, sei es gemäss den Bestimmungen des OR oder auf Grund
(1) Vgl. ZGB 29. (2) Vgl. ZGB 30.



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von Art. 26. (1) Was in Art. 27, Abs. 1, (2) festgestellt werden will, und was in der Tat der Feststellung bedarf, ist nur die Zulassung­ einer Feststellungsklage ohne Nachweis einer Verletzung. Dies aber wird besser hervorgehoben, wenn man in diesem Zusammen­hange nur von der Feststellungsklage spricht.
Das Bedürfnis nach der Zulassung administrativer Namens­änderungen lässt sich nicht bestreiten. Würde sie im Entwurf nicht genannt, so könnten Zweifel entstehen, ob sie unter dem einheitlichen Rechte zulässig sein soll. Daher die Bestimmung des Art. 28, (3) bei der nicht schlechtweg auf die zuständige Behörde, sondern auf den Regierungsrat des Heimatkantons verwiesen wird, der nach seinem Ermessen über das Gesuch entscheidet. Deutlich muss ausgesprochen sein, dass es sich nicht um eine Änderung des Personenstandes handelt. Vgl. Abs. 2 von Art. 28, wo eine Eintragung im Register als Randbemerkung, wie im Falle von Art. 58, gemeint ist. (4)
C. Anfang und Ende der Persönlichkeit. 1. Geburt und Tod. Art. 29. (5)
Der Beginn der Persönlichkeit mit der Geburt vermag insofern Schwierigkeiten zu bereiten, als der Akt der Geburt eine längere Zeit dauern kann und man über den Tatbestand der vollendeten Geburt, in betreff der Nachgeburt oder auch bei verkehrter Lage des Kindes, verschiedener Ansicht sein kann. Es ist daher angeregt worden, im Gesetze genau zu bestimmen, dass der völlige Austritt des Kindes aus dem Mutterleibe für den Beginn der Persönlichkeit erforderlich sei, ein teilweiser Austritt des Kindes mithin nicht genüge, aber auch eine Lösung der Nachgeburt hierfür nicht ver­langt werde. Allein eine nähere Überlegung führte doch dazu, jede solche Umschreibung bleiben zu lassen, wie denn auch das geltende Recht diese näheren Angaben nicht enthält. Was recht­lich gefordert werden kann, ist denn auch nur das eigene Leiten des Kindes ausserhalb des Mutterschosses. Mit welchem Momente dieses vorhanden sei, ist in Zweifelsfällen durch Sachverständige zu beantworten, wobei ja auch die medizinischen Anschauungen im Laufe der Zeit gewechselt haben und wieder wechseln können. Eine gesetzliche Fixierung läuft diesfalls Gefahr, schon nach kurzer Zeit als wissenschaftlich überholt gelten zu müssen. Überdies hat die Rücksicht auf die französische Übersetzung noch dringen­der dazu geraten, einfach an dem Begriffe der Geburt (6) festzuhalten
(1) Vgl. ZGB 28, Abs. 1. (2) Vgl. ZGB 29, Abs. 1. (3) Vgl. ZGB 30. (4) Vgl. ZGB 30, Abs. 2, und 47. (5) Vgl. ZGB 31. (6) ZGB 31 sagt nun „Leben nach der vollendeten Geburt.''



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und dessen nähere Bestimmung nach seinem medizinischen Inhalte der Wissenschaft zu überlassen.
Der allgemeine Satz, dass das Kind im Mutterleib unter dem Vorbehalte rechtsfähig sei, dass es lebendig geboren werde, hat zwar regelmässig nur für das Erbrecht und das eheliche Güterrecht Bedeutung. Allein es erschien passend, ihn hier aufzuführen, denn er kann doch auch für andere Fälle, Vertragsinterpretationen u. a., gelegentlich Bedeutung erhalten. Vgl. Schweiz. PR I, S. 100. Totgeborene Kinder erhalten keine Persönlichkeit. Die Anwartschaft darauf, die ihnen gegeben war, ist durch den Mangel der leben­digen Geburt aufgehoben. Erwirbt das Kind die Persönlichkeit, so kann es sein Recht in Anspruch nehmen, wie wenn es sie schon im Mutterleibe gehabt hätte. So namentlich in betreff der Erbschaft. Ob auch die Pflichten von ihm zu tragen sind, ist eine andere Frage. Man denke z. B. an die verwandtschaftliche Unterstützungspflicht für die Zeit vor der Geburt: Das einzige Kind eines Erblassers würde mit der Geburt den Nachlass erwerben, der bei dessen Totgeburt an eine ganz andere Linie fällt. Der Anfall trifft es aber noch im Mutterschosse, und die mütterliche Gross­mutter erhebt den Unterstützungsanspruch für die Zeit vor der Geburt. Man wird die Konsequenz nicht wohl ablehnen können, dass auch die Last mit dem Erwerb begründet ist. Es soll also für den Fall der späteren Lebendgeburt die Sache allseitig so gehalten werden, als wäre das Kind bereits zur Zeit des Anfalles lebend gewesen. Die gewählte Redaktion dürfte für solche seltenen Fälle der Rechtsanwendung eine hinreichend klare Grundlage bieten.
II. Beweisregeln, Art. 30 bis 32. (1) Die Verweisung der Ansprecher auf den Beweis nach gewöhnlichen Regeln hat ihre besondere Bedeutung für den Fall, dass nicht bewiesen werden kann, ob von zwei verstorbenen Personen die eine die andere überlebt habe. Der Entwurf will auch für diesen Fall es bei der allgemeinen Regel bewenden lassen, kommt aber dabei zum Schluss, dass gleichzeitiger Tod vermutet werde, falls eben kein Ansprecher ein Überleben beweisen kann. Diese Regel auf den Fall des Todes in einer gemeinsamen Todesgefahr zu beschränken, wie dies bei den Präsumptionen für Kommorienten gewöhnlich geschieht (vgl. Schweiz. PR I, S. 101 f.), hat keinen Grund. Die Regel passt für alle Fälle, nicht nur für den Tod bei demselben Ereignis.
Die Regel lehnt sowohl die Todes- als die Lebensvermutung ab. Bei allem Schutz für Abwesende soll eben doch, damit aus
(1) Vgl, ZGB 32 bis 34.



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Leben oder Tod Rechte abgeleitet werden können, diese Grund­lage erst erwiesen sein. Folge davon ist, dass man den Ab­wesenden zunächst allerdings noch als lebend behandelt und vor­mundschaftlich vertritt. Allein nur in dem Sinne, dass alsdann, wenn der Abwesende nicht mehr sein Leben erweist, nach gewisser Frist so liquidiert wird, als hätte er schon früher nicht gelebt, vgl. Art. 565. (1) Mag es sich um direkte oder indirekte Bezug­nahme auf Leben oder Tod handeln, so soll doch immer der Grundsatz der Beweislast festgehalten werden. Damit ist die Grundlage für das Verschollenheitsrecht geschaffen, das wir oben näher begründet haben.
Die Privilegierung der Beweismittel ist in der üblichen Weise angenommen, dass zunächst jedermann auf die Zivilstandsurkunden verwiesen wird. Fehlt es an solchen oder kann man deren Un­richtigkeit darlegen, so sind irgend welche andere Mittel zum Beweise erlaubt, Schweiz. PR I, S. 103.
Neu ist der Grundsatz, dass auch beim Fehlen des Nach­weises des Todes mit der Leiche doch von dem langwierigen Verschollenheitsverfahren Umgang genommen werden kann, sobalb der Tod nach den Umständen als sicher anzunehmen und auch auf Auskündung keine Anzeichen dagegen, Verdachtsmomente u. dgl., geltend gemacht werden. Man denke an die Fälle, die wir schon oben erwähnt haben, an das Verschwinden einer Person in einem Gewässer, wo deren Leiche nicht gefunden wird, während man sie doch untersinken gesehen hat u. a. Es gibt Gebirgswasser, die ihre Toten nicht mehr hergeben. In solchen Fällen, sobald auch jede Spur von Verdacht, dass etwas anderes sich dahinter verbergen möchte, mangelt, darf bei unseren kulturellen Zuständen von der umständlichen Vorsicht des Verschollenheitsverfahrens füglich Um­gang genommen und das vorgeschlagene Verfahren beobachtet werden. Vielleicht darf sogar das Verschwinden „vor" Zeugen in ein Verschwinden „nach" Zeugnis abgeschwächt werden, wenn man z. B. den Fall eines Bergsturzes ins Auge fasst, der ein Haus begräbt, in dem sich nachweisbar in jenem Zeitpunkt eine bestimmte Person befunden hat. Vgl. im übrigen Art. 65. (2) In den kantonalen Vernehmlassungen hat Neuenburg sich für eine solche Zulassung des Todesbeweises mit Indizien ausgesprochen.
III. Die Verschollenheit, Art. 33 bis 36. (3) Die hier gemachten Vor­schläge lehnen sich, wie schon oben gesagt, im wesentlichen an
(1) Vgl. ZGB 548. (2) Vgl. die Fassung in ZGB 34 u. 49. (3) Vgl. ZGB 35 bis 38.



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das französische Recht an. Von dem in der deutschen Schweiz üblichen Verfahren weichen sie namentlich darin ab, dass weder einer Lebenspräsumption noch einer Todeserklärung Raum gegeben ist. Es bleibt bei den gewöhnlichen Beweisregeln mit der einzigen Ausnahme, dass der Beweis des Todes nach der Verschollenerklä­rung nicht mehr verlangt wird.
Diese Ausnahme wird für den Zustand der längeren nach­richtlosen Abwesenheit und des Verschwindens in hoher Todesgefahr angenommen. Auf das hohe Alter ist bei der Kürze der Termine nicht mehr besonders hingewiesen. Das Gesuch kann fünf Jahre nach Beginn der nachrichtlosen Abwesenheit oder ein Jahr nach der Todesgefahr angebracht werden. Die Auskündung muss so gehalten sein, dass bis zum Ablauf der Frist mindestens zwei Jahre seit der Todesgefahr und sechs Jahre seit der letzten Nachricht, in jedem Falle aber ein Jahr seit der ersten Auskündung verstrichen ist. (1) Damit ist die allgemeine Regel für die Anwen­dung der Ausnahme hergestellt. Kommt dann auf ihrer Grund­lage ein Erbgang zustande, so muss natürlich noch für eine längere Zeit die Möglichkeit der Rückkehr des Verschollenen oder der Erbringung anderer Nachrichten ins Auge gefasst werden, und dies geschieht durch die Sicherheiten, die nach den erbrechtlichen Bestimmungen die Erben noch für fünf Jahre bei dem Ver­schwinden in hoher Todesgefahr und für fünfzehn Jahre oder bis der Verschollene hundert Jahre alt wäre im Falle der nachrichtlosen Abwesenheit zu leisten haben. Das gehört aber, wie die Ordnung des Einflusses auf die Ehe, zur Regelung der betreffenden Institute, Art. 563 ff. und 121. (2) Man wird diese jedoch sich gegenwärtig halten müssen, um die praktisch einfache und hin­reichende Ordnung der Verschollenheit im Entwurfe richtig zu würdigen. Gegenüber dem geltenden Rechte sind freilich die Fristen erheblich gekürzt, Vgl. Schweiz. PR I, S. 107 ff. Allein nach dem Vorgange von Baselstadt und Genf scheint diese Neuerung sehr wohl möglich und ist auch in mehreren kantonalen Vernehmlassungen (namentlich von Thurgau) empfohlen worden.
Die Bestimmung des Amtes, das mit diesem Verfahren zu be­trauen ist, behält der Entwurf den Kantonen vor. Verlangt wird nur, dass es ein Richter sei. Eine untere Administrativ- (Gemeinde-) Behörde würde sich in häufigen Fällen für die hier nötigen Schritte nicht recht eignen.
(1) Vgl. nun die Fassung von ZGB 36, Abs. 1 u. 2. (2) Vgl. ZGB 546 ff. und 102.



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(1) Vgl. ZGB 39 bis 51, und VO des BR über die Zivilstandsregister vom 25. Febr. 1910. (2) Das ist nun im Gesetz durchgeführt worden. (3) Vgl. ZGB 39 u. 9. (4) Vgl. ZGB 33, Abs. 2. (5) Vgl. ZGB 40. (6) Vgl. ZGB 41. (7) Ausführlicher ZGB 42 mit Verweisung auf 426 ff. (8) Vgl. ZGB 43.

Zweiter Abschnitt.
Die Beurkundung des Personenstandes. Art. 37 bis 69. (1)
Dieser ganze Abschnitt lehnt sich an das geltende Recht, Bundesgesetz betreffend die Feststellung und Beurkundung des Zivilstandes und die Ehe, vom 24. Dez. 1874, an. Hätte dieses Vor­bild nicht vorgelegen, das beizubehalten verschiedene Gründe ein­dringlich verlangten, so würde das eine oder andere abweichend geordnet worden sein. In formaler Hinsicht würden wir inhaltlich weit mehr der Verordnung überlassen haben. (2) Das Gesetz gibt Einzelheiten, die nach den Grundsätzen, die der Entwurf befolgt, eigentlich in eine Kodifikation nicht aufgenommen werden sollten, und wir würden es begrüssen, wenn noch im Laufe der kommenden Beratungen diesfalls eine Entlastung vorgenommen werden könnte. Im folgenden geben wir eine summarische Parallele des geltenden Rechtes mit dem Entwurfe, wie er vorliegt.
Art. 37 (3) entspricht dem früheren Art. 1, Abs. 1, mit der Bei­fügung des Abs. 2, der den Grundgedanken des früheren Art. 11 wiedergibt. Abs. 2 ergänzt Art. 31, Abs. 2,(4) indem hier, in Art. 37, speziell die formrichtige Herstellung der Zivilstandsurkunde als Grundlage für die Beweisführung bis zur Erbringung des Gegen­beweises hervorgehoben wird. Die umständliche und doch nicht vollständige Umschreibung des Art. 11 verhüllt das wesentliche und gibt der Praxis mit ihrer grösseren Ausführlichkeit keine wirk­lich brauchbarere Regel.
Art. 38 (5) entspricht dem bisherigen Art. 1, Abs. 2, und Art. 3. Neu ist hier die Verweisung auf die Genehmigung der kantonalen Ausführungsvorschriften durch den Bundesrat, die aber auch jetzt schon geübt wird.
Art. 39 (6) gibt den Inhalt von Art. 1, Abs. 1, Schluss, wieder mit der Vervollständigung betreffend die amtliche Tätigkeit der Beamten und den im bisherigen Art. 13 enthaltenen Vorbehalt betreffend die Vertreter der Schweiz im Ausland.
Art. 40 (7) enthält den neuen Gedanken der Haftbarkeit, der zwar in Art. 12 ebenfalls Ausführung erfahren hat, allein mehr in bezug auf die Handhabung der Aufsicht, auf die Art, 41 (8) besonders hin-



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weist. Ebenso ist die disziplinarische Befugnis des Art. 42 (1) bereits in Art. 12 enthalten, hier aber von der Aufsicht nicht unterschieden.
Art. 43 entspricht dem Art. 2, Art. 44 und 45 enthaltenen Vor­schriften, die in Art. 2 aufgenommen sind (2).
Die Art. 46 bis 48 (3) geben in kürzerer Fassung und anderer Anordnung die bisherigen Art. 4 bis 8 wieder. Neu eingefügt ist Art. 49 (4) betreffend die nähere Anweisung an den Beamten, sich von der Richtigkeit der Angabe und namentlich der Identität des Anzeigenden zu überzeugen, die im geltenden Recht in Art. 17 nur betreffend die Führung der Geburtsregister aufgestellt ist. Art. 50 entspricht dem bisherigen Art. 9, (5) Art. 51 dem Art. 10. (6) In betreff aller andern, nicht aus dem Gesetz von 1874 hinüber genommenen Vorschriften ist auf Art. 52 (7) zu verweisen, der dem Bundesrat aus­drücklich im übrigen die Verordnungsbefugnis vorbehält.
In bezug auf das Geburtsregister entsprechen die Art. 53, 54 und 55 (8) den bisherigen Art. 14 und 15, und Art. 56, 57 und 58 (9) geben im wesentlichen Art. 16, 19 und 18 wieder, wobei aber in Art. 53, Abs. 2, die Anzeige betreffend das Kind von unbekannter Abstammung besonders geordnet erscheint. (10)
Die Bestimmung des bisherigen Art. 17 ist in Art. 49 unter die allgemeinen Bestimmungen gezogen und damit auch auf die Todesregister für anwendbar erkärt. (11)
Die Todesregister sind gleichfalls nach dem bisherigen Rechte geordnet. Art. 59, 60 und 61 (12) entsprechen den Art. 20 und 23 Eingang, sowie dem Art. 14, Abs. 2, indem der Entwurf für die Todesregister die gleiche Bestimmung betreffend die offiziellen Anzeigen aufgenommen hat, wie sie das bisherige Gesetz nur für die Geburten aufstellt.
Art. 63 gibt Art. 22 wieder, Art, 64 den Art, 23. Art. 66 und 67 entsprechen den Art, 24, Abs. 1, und Art. 21. (13)
Neu dagegen ist die Vorschrift von Art, 65 (14) betr. die Ein­tragung von Todesfällen, ohne dass die Leiche gefunden worden ist. Die Vorschrift ergänzt den schon oben besprochenen Art. 32 hinsichtlich des Verfahrens vor Zivilstandsamt. Art. 68 vervoll­ständigt die Ordnung, die bereits im geltenden Recht gegeben ist. (15)
(1) Vgl. ZGB 44 u. VO § 98. (2) Vgl. VO §§ 1, 2, 14, 15. (3) Vgl. VO §§ 2, 6, 10, 20, 25, 26. (4) Vgl. VO §§ 45, 56, 65. (5) Vgl. ZGB 45. (6) Vgl. VO § 19 (7) Vgl. ZGB 39, Abs. 2. (8) Vgl. ZGB 46 u. VO §§ 53 ff. (9) Vgl. VO §§ 57 ff. (10) Vgl. ZGB 46, Abs. 2. (11) Vgl. VO S 45. (12) Vgl. ZGB 48 und VO §§ 64 ff. (13) Vgl. VO §§ 67 ff., ZGB 50. (14) Vgl. ZGB 49, 34, VO § 70. (15) Vgl. ZGB 51.



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Erster Abschnitt.
Allgemeine Bestimmungen.
A. Die Voraussetzung der Persönlichkeit, Art. 70. (3) Da der Ent­wurf dem Grundsatz huldigt, dass juristische Personen, sobald sie sich hinreichend über ihre Konstituierung ausgewiesen haben, an­zuerkennen seien, kann er sich mit der allgemeinen Angabe der Voraussetzungen begnügen, unter denen die Persönlichkeit über­haupt Existenz gewinnen soll. Es ist dies bei den Körper­ schaften die körperschaftliche Einrichtung einer Personenverbin­dung, und bei den Anstalten das einem eigenen Zwecke gewidmete und selbständige Bestehen eines Vermögens.
Hinsichtlich der Körperschaften darf man sich daran nicht stossen, wenn von einer körperschaftlichen Einrichtung gesprochen wird. Deutlich gemeint ist die äussere Gestalt der Personenverbindung. (4) Entspricht diese der Körperschaft, so liegt in diesem Umstande eine hinreichende Äusserung des Willens, mit aller Rechtsfolge Körperschaft zu sein.
Genügt diese Voraussetzung, um eine einfache Körperschaft oder Anstalt herzustellen, so ist damit natürlich nicht gesagt, dass für jede Art der juristischen Personen es bei diesen einfachen Voraussetzungen sein Bewenden haben könne. Vielmehr werden für die einzelnen Kategorien noch besondere Requisite aufgestellt werden müssen, die in den folgenden Abschnitten zu betrachten
(1) Vgl. VO §§ 91 ff., ZGB 119. (2) ZGB sagt: Die juristischen Personen. (3) Vgl. ZGB 52. (4) Das Gesetz sagt „organisiert".

Endlich sieht Art. 69 vor, dass Register der Eheversprechen und der Eheschliessungen nach den Vorschriften geführt werden sollen, die darüber im Eherecht aufgestellt werden. (1)
Über die Notwendigkeit eines besonderen Eheversprechenregisters enthält der Abschnitt keine Angaben. Es wollte die Ent­scheidung darüber eventuell der Verordnung zugewiesen werden.
Zweiter Titel.
Die Körperschaften und Anstalten. (2)



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sind. Für die allgemeinen Bestimmungen genügt die Hervorkehrung der Grundlage. (1)
Besonderer Erwähnung bedürfen noch die ausländischen Körper­schaften und Anstalten. (2) Dass diese nach ihrem ausländischen Rechte entstehen ist klar. Allein sollen sie bei uns anerkannt werden ? Die neuere Praxis bejaht die Frage, und der Entwurf schliesst sich in Abs. 2 dieser Auffassung an. Ihre Persönlichkeit soll aber jedenfalls nur diejenigen Rechte haben, die ihr nach ihren eigenen Gesetzen zukommen, und zwar nach Dauer sowohl als Um­fang, und überdies sollen den fremden juristischen Personen nicht mehr Rechte zuerkannt werden, als die einheimischen erhalten. Denn das Mass der Persönlichkeit ist absolut und richtet sich nach dem Rechte des eigenen Staates, so dass die Schranke der Aner­kennung von niemandem, auch nicht zugunsten der ausländischen Gebilde überschritten werden darf.
B. Die Rechtsfähigkeit, Art. 71 und 72. (3) Die von jeder mensch­lichen Eigenschaft losgelöste Rechtsfähigkeit vermag sich im wesent­lichen nur vermögensrechtlich zu äussern. Das will Art. 71 um­ schreiben, wobei er es der Praxis überlässt, die nähere Abgren­zung festzusetzen, namentlich in bezug auf die Ehre und das persönliche Empfinden von Schmerz oder Kränkung überhaupt. Man darf hier der Zukunft um so eher die Entscheidung über­ lassen, als es Sache der Kulturentwicklung ist, zu bestimmen, wie weit hier gegangen werden dürfe. Die Zeitströmungen werden hier, in der einen oder andern Richtung, der Praxis die Wege weisen, die ihr von der Gesetzgebung mit Unrecht verschlossen oder anbefohlen würden. Nach einer absolut sichern Vorschrift verlangt für solche seltenen Fälle das Verkehrsleben nicht.
Fraglich war es uns, ob der Gesetzgeber nicht eine Schranke in bezug auf die Dauer der Persönlichkeit aufstellen sollte, etwa mit der Bestimmung, dass Rechte, deren Dauer, wenn sie einer Einzelperson zustehen, auf die Lebensdauer des Berechtigten be­schränkt seien, den juristischen Personen höchstens auf hundert Jahre zustehen. Der Hauptanwendungsfall einer solchen Regel läge im Nutzniessungsrecht, und hier ist denn auch diese Beschrän­kung dadurch erreicht, dass der Niessbrauch auf die Dauer von hundert Jahren begrenzt wird, sobald es sich nicht um die Lebens­dauer einer physischen Person als Nutzniesser handelt, Art. 744. (4)
(1) Das Gesetz hat das Verhältnis umgekehrt: Regel ist das Erfordernis der Eintragung in das Handelsregister. Die Ausnahmen sind in Art. 52, Abs. 2, aufgeführt. (2) Im Gesetz fehlt die Bestimmung. Siehe oben S. 34, Anm. 1. (3) Vgl. ZGB 53. (4) Vgl. ZGB 749.



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Diese Regel zu generalisieren hatte seine Bedenken, und so unter­blieb jene Vorschrift, so dass also im allgemeinen die Rechte der juristischen Personen in bezug auf ihre Dauer nicht den Rechten der Einzelpersonen nachgebildet erscheinen.
Allgemeine Beschränkungen der Rechtsfähigkeit der juristi­schen Personen können sich dann im weiteren aus dem öffentlichen Rechte ergeben. Man beachte die Bedenken, die der Äufnung von Vermögen in der sogenannten toten Hand entgegenstehen. Erweist sich hier nicht eine Schranke als notwendig? Wir denken uns diese Beschränkung ganz wesentlich als eine öffentlichrechtliche Massnahme. Sie nimmt ihren Ursprung und empfängt ihre Begründung aus dem öffentlichen Charakter des Staatswesens und aus der Überzeugung von dem verderblichen Einfluss der toten Hand mit Hinsicht auf die einzelnen staatlichen und sozialen Kreise. Aus diesem Grunde hat der Entwurf sich entschlossen, diese Beschränkung (wie auch in bezug auf Familienfideikommisse und -stiftungen, Art. 362, Abs. 2) (1) den Kantonen zu überlassen. Immer­ hin mit einem Vorbehalt: Insoweit nämlich die Vereinigung von Vermögen in der toten Hand für den Verkehr keine Bedenken haben kann, weil nur ein gewöhnliches Mass von wohltätiger Zuwendung oder dergleichen vorliegt, verlangt das Privatrecht nach Freiheit, und so hat der Entwurf es angenommen in betreff von Zuwendungen von nicht über tausend Franken in beweglichem Gute. (2) Für alles übrige dagegen, also für die Liegenschaften in jedem Falle, sollen die Kantone eine jedesmalige Genehmigung der Staatsgewalt vorbehalten dürfen, die aus öffentlichen Gründen versagt werden kann. Ähnliche Schranken kennt das geltende Recht, Schweiz. PR I, S. 160, 168, II, S. 33 ff.
Die Bewilligung in diesem Umfange ist der kantonalen Staats­gewalt vorbehalten. Bei ihr steht in solchen wirtschaftspolitischen Erwägungen nach den vorliegenden Verhältnissen die Entscheidung. Auch muss natürlich nur das kantonale öffentliche Recht im Bundeszivilrecht vorbehalten werden, da der Bund ohne weiteres befugt ist, solche Schranken innerhalb seiner Hoheit durch die Gesetzgebung aufzustellen. Nur in einem Punkte haben wir ge­funden, dass schon hier einer Bundesvorschrift Raum gegeben werden sollte, nämlich in bezug auf Erwerb von Liegenschaften durch öffentlichrechtliche juristische Personen des Auslandes, namentlich durch den ausländischen Staat selber. Man denke an die Interessen der Landesverteidigung und der Verkehrspolitik,
(1) Vgl. ZGB 335, wo nun aber eine bestimmte Regel bundesrechtlich aufgestellt ist. (2) Das Gesetz enthält diese Einschränkung nicht mehr.




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die hier in Frage kommen können, und wird finden, dass eine solche Befugnis zugunsten des Bundes ohne weiteres gerechtfertigt erscheint. (1)
C.   Der Wohnsitz, Art. 73. (2) Die Vorschriften über den Wohnsitz der Einzelperson passen nicht für die juristischen Personen. Auf die Statuten, die beliebige Regeln darüber enthalten können, ist nicht unbedingt Verlass. Spezialgesetze und namentlich auch ge­werbepolizeiliche Vorschriften stellen vielfach über die Wahl des Domiziles Bestimmungen auf, namentlich für die öffentlich konze­dierten Unternehmungen. Für die andern juristischen Personen ist eine allgemeine Vorschrift kaum entbehrlich, und zwar wird man als Wohnsitz der juristischen Person den Ort bezeichnen dürfen, wo ihre Verwaltung sich befindet. Dabei sei noch darauf hinge­ wiesen, dass dieser Ort in der Regel auch entscheidet über die nationale Angehörigkeit der juristischen Person, so dass die­jenigen, die ihren Wohnsitz im Auslande haben, ohne weiteres als dem Auslande angehörig bezeichnet werden müssen. Inwieweit sie dann für ihre Anerkennung in der Schweiz im Inlande Domizil nehmen müssen oder mit Filialen zu Gebilden unserer Rechts­ordnung werden, ist eine Frage des öffentlichen Rechtes, die bei der privatrechtlichen Regelung der Körperschaften und Anstalten nicht geordnet zu werden braucht.
D.   Die Handlungsfähigkeit, Art. 74 und 75. (3) Dass der Entwurf den juristischen Personen Handlungsfähigkeit beilegt, ist schon oben begründet worden. Man kann aber nicht sagen, dass diese Qualität mit ihrer Existenz selber gegeben sei. Vielmehr erlangen die Handlungsfähigkeit, wie die physischen durch ihre geistige Reife, die juristischen Personen erst durch die Schaffung der Organe. Diese gehören zu ihrer Konstituierung, können aber auch weg­ fallen oder sonst mangeln, ohne dass die Persönlichkeit deshalb verloren geht, wenn nur die Möglichkeit vorliegt, die Organe überhaupt zu bestellen. Man denke an den Fall der Stiftung, für deren Organisation der Stifter nicht gesorgt hat, so dass die Aufsichtsbehörde die Lücke erst ausfüllen muss. Sonach ergibt sich als Voraussetzung der Handlungsfähigkeit das Vorhandensein der Organe, wie dies in Art. 74 (4) ausgesprochen wird.
Das Organ verpflichtet die juristische Person nicht als Ver­treter, sondern weil es selbst ein Teil der Persönlichkeit ist. Die
(1) Auch diese Bestimmung ist im Gesetz weggefallen. (2) Vgl. ZGB 56. (3) Vgl. ZGB 54, 55. (4) Vgl. ZGB 54.



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doppelte Existenz der Person, die Organ ist, zwingt allerdings zu einer Unterscheidung im Rahmen ihres Verhaltens. Sie kann als Organ oder als Individuum handeln. Wann das eine oder das andere vorliege, kann gegebenen Falles zweifelhaft sein, und man muss im Gesetz nach einer Formel suchen, die dem Richter für diese Unterscheidung einen Anhaltspunkt gibt. Wir haben uns darüber schon oben (S. 61) ausgesprochen. Nach unsern Erwä­gungen ist die Handlung der juristischen Person anzurechnen, so­ bald sie als Ausführung von amtlicher Tätigkeit oder bei Anlass und unter der durch die Amtsführung dargebotenen Gelegenheit stattgefunden hat. In allen diesen Fällen wird also Haftung der juristischen Person bestehen. Diesen Gedanken glauben wir mit den Worten „in Ausübung ihres Amtes" (1) mit hinreichender Deut­lichkeit wiedergegeben zu haben, wenn noch hinzugefügt wird, dass dies sowohl mit Abschluss von Rechtsgeschäften als in einem Verhalten ausser Vertrag gegeben sein kann. Selbstverständlich wollen mit diesem Zusatz nur die beiden Hauptrichtungen hervor­ gehoben werden. Einseitige Rechtshandlungen, wie Kündigungen oder unerlaubtes Verhalten im Vertrage, fallen ebenso unter die Regel, sobald sie in Ausübung des Amtes erfolgen. Zutreffender, aber abstrakter liesse sich auch sagen: sowohl durch rechtsgeschäftliches als ausserrechtsgeschäftliches Handeln.
Auf die Schuld der handelnden Person kommt es dabei nicht an. Handelt sie in Schuld, so wird nur das Weitere hinzutreten, dass die handelnde Person überdies auch persönlich verantwort­lich ist,
Dass nur diejenige Handlung des Organes, die überhaupt in dem Rahmen der Rechtsfähigkeit der juristischen Person Platz hat, als Handlung der juristischen Person gelten darf, haben wir oben dargelegt. In das Gesetz braucht dieser Gedanke nicht auf­ genommen zu werden.
Selbstverständlich betrifft diese ganze Vorschrift nur die Or­gane. Angestellte der juristischen Personen stehen unter den gewöhnlichen Vollmachts- und Verantwortlichkeitsbestimmungen.
E. Aufhebung der Persönlichkeit, Art. 76 und 77. (2) Die Aufhebungsgründe werden im Entwurfe nicht im allgemeinen angeführt. So­ weit sie einer Regelung bedürfen, ist dies Sache der Ordnung für die einzelne Art. Aus diesem Grunde ist eine anfänglich geplante allgemeine Bestimmung: Fällt die Grundlage der Körperschaft oder Anstalt, die Personenverbindung oder die Einrichtung weg,
(1) Das Gesetz enthält diese Worte nicht mehr. (2) Vgl. ZGB 57, 58.



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so hören sie von selbst auf, zu bestehen", weggelassen worden. Was im allgemeinen zu ordnen ist, betrifft das Schicksal des Ver­mögens der juristischen Person. In Anlehnung an die Bestimmung des OR betreffend die Vereine, Art. 716, (1) verfügt nun Art. 76, (2) dass in erster Linie eine besondere gesetzliche Vorschrift, dann eine Bestimmung der Statuten oder der Stiftungsurkunde Regel machen, und wenn hiernach nichts bestimmt ist, Anfall an das Gemeinwesen erfolgen soll, dem die Person nach ihrer Bestimmung angehört hat. In dem Vorbehalt der Statuten soll, was anfangs ausdrücklich in dem Artikel gesagt war, auch liegen, dass die Statuten nicht nur direkt über das Schicksal des Vermögens ver­fügen, sondern auch eine Beschlussfassung der Organe darüber vorbehalten können. (3) Mit der „Bestimmung" soll nach Zweck, Stellung und Bedeutung der juristischen Person ihr Zusammenhang mit Bund, Gemeinde oder Kanton ausgedrückt sein, wie dies bei Spitälern, Kunstanstalten u. dgl. in der Tat auch leicht sich wird feststellen lassen.
Zwangsweiser Anfall dieser Art, für den Fall, wo die juris­tische Person gerichtlich aufgelöst wird, und zwar auch wenn die Statuten etwas anderes verfügen, entspricht ebenfalls bereits dem geltenden Rechte (OR 716, Abs. 3). Ebenso stellt die Pflicht des Gemeinwesens zu einer dem bisherigen Zwecke möglichst ent­sprechenden Verwendung des angefallenen Vermögens keine neue Vorschrift dar. Vgl. Schweiz. PR I, S. 115.
Was die Ordnung der Liquidation anbelangt, so genügt es, wenn sie für eine der Arten der juristischen Personen gegeben wird, soweit dann nicht besondere Vorschriften für andere erfor­derlich erscheinen. Solche Bestimmungen finden sich nun bereits für die Genossenschaften im OR aufgestellt, und zwar in einer Weise, die auch den Bedürfnissen der Vereine und der Stiftungen entspricht. Für kantonale Genossenschaften enthält das kantonale Recht vereinzelt einige Vorschriften (Alpliquidationen, Auflösung von Allmend- und Waldkorporationen usw. Vgl. Schweiz. PR I, S. 160 ff.). Für die Aktiengesellschaften hat das Gesetz Liquidationsvorschriften aufgestellt, die sich ganz nach der Eigenart dieses Institutes richten und zur Verallgemeinerung nicht tauglich er­ scheinen. Ohne Schwierigkeit liessen sich dagegen die Vorschriften des OR für die Genossenschaften auf die allgemeinen Bestim­mungen übertragen. Da sie eigentlich praktisch aber doch nur in jenem Zusammenhang sind, erscheint es richtiger, sie dort zu
(1) OR von 1881. (2) Vgl. ZGB 57. (3) Das Gesetz hebt dies ausdrück­lich hervor, Art. 57. Abs. 1.



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A. Die Gründung, Art. 78 bis 81. (1) Der Verein entsteht ohne jede Publizität. Zu seiner Gründung bedarf es nur insofern der Schrift­lichkeit, als der Gründungswille in einem schriftlichen Vereins­statut Ausdruck erhalten haben muss, das über Zweck und Organi­sation hinreichend Aufschluss gibt und von der Personenverbindung angenommen ist. Diese Formlosigkeit der Entstehung gilt aber nur für Vereine in engerm, eigentlichem Sinne, nicht also für Genossenschaften des kantonalen Rechtes oder des OR. Deshalb ist eine genaue Abgrenzung des Vereines von diesen notwendig. Sie kann positiv oder negativ erfolgen, und der Entwurf hat beide Umschreibungen vereinigt: Positiv muss der Verein einen politi­schen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen Zweck verfolgen — das Gesetz nennt diese hauptsäch­lichen Beispiele. Art. 716 des OR (2) fügt die Worte „oder andere ideale Zwecke" an, die, weil im deutschen Texte zweideutig und im französischen keiner direkten Wiedergabe fähig, weggelassen wor­den sind. Negativ darf der Verein nicht einen unmittelbar wirt­schaftlichen Zweck verfolgen. (3) Denn in diesem Falle gehört er unter die wirtschaftlichen Vereine des OR (Genossenschaften, Aktiengesellschaften) oder des kantonalen Rechtes. Gesprochen wird von einem unmittelbar wirtschaftlichen Zweck, weil es sehr wohl Vereine im Rahmen der positiv aufgestellten Umschreibung geben kann, die ihrem Zweck durch das Mittel eines wirtschaft­lichen Betriebes zu dienen suchen, wie z. B. Hilfsvereine mit Speiseanstalten. In der frühern Redaktion des Entwurfes wurde die Negative in den Worten „nicht dem Erwerb oder Gewerbe un­mittelbar dienenden wirtschaftlichen Zweck" umschrieben. Schliesslich haben wir gefunden, die kürzere Fassung genüge: Der Zweck darf nicht unmittelbar ein wirtschaftlicher sein. Die unmittelbare Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke gehört, auch wenn der Betrieb Ziele der Wohltätigkeit im Auge hat, stets unter das OR, so bei Sparvereinen, Wohnungsvereinen, Konsumvereinen, wie über­haupt allen Verbindungen, die zur wirtschaftlichen Förderung der
(1) Vgl. ZGB 60 bis 63. (2) OR v. 1881. (3) Das Gesetz sagt nicht wirtschaftliche Aufgabe".

belassen und hier darauf zu verweisen. In welchem Umfang die Vorschriften des OR zu ergänzen oder zu verändern sein werden, ist hier nicht zu untersuchen.
Zweiter Abschnitt.
Die Vereine.



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Mitglieder, sei es auch im Sinne der Unterstützung, dienen oder auf ein wirtschaftliches Ziel gerichtet sind, das erst mittelbar, durch den Erwerb, einem idealen Zweck zu dienen bestimmt ist. Sache der Würdigung des einzelnen Falles muss es sein, alsdann zu entscheiden, ob der ideale oder der wirtschaftliche Zweck un­mittelbar gegeben sei.
Eine Eintragung in ein öffentliches Register wird für solche Vereine zu ihrer Entstehung nicht verlangt. Sie dürfen sich aber, wenn sie es in ihrem Interesse erachten, eintragen lassen. Die Eintragung auf Grund von OR 716 (1) hat sich in einigen Gegenden der Schweiz sehr verbreitet, und hier wird man gerne an dieser Gepflogenheit festhalten. Was damit erreicht wird, da doch die Eintragung zur Gründung der juristischen Person nicht mehr nötig sein soll, ist, dass der Verein alsdann seine Existenz als Persön­lichkeit nicht zu beweisen braucht. Man muss ihm gegebenen Falles durch Gegenbeweis seine Persönlichkeit abstreiten. Der vor­liegende Entwurf sagt dies nicht mehr ausdrücklich, da es als selbstverständlich erschienen ist. Es liegt diese Folge in der Publizität des Registers. Gegenbeweis wäre z. B. möglich mit dem Nachweis, dass keine Statuten aufgestellt worden seien oder dass der eingetragene Verein einen widerrechtlichen oder unsitt­lichen Zweck verfolge (Art. 80). (2)
Nun kann es aber nach dem Gesagten sehr wohl Vereine mit den beschriebenen Zwecken geben, die nicht in das Register ein­getragen sind und auch nicht juristische Person werden wollen. Diese stehen unter den Regeln der einfachen Gesellschaft (Art. 81), (3) die ja zu ihrem Bestande eines wirtschaftlichen Zweckes nicht bedarf (OR 524). (4) Eine besondere Bestimmung über die Verhält­nisse, die entstehen, wenn ein Verein zwar noch nicht eingetragen ist, aber doch nicht Verein ohne Persönlichkeit bleiben will, er­scheint bei dieser Ordnung, im Gegensatz zu OR Art. 717, (5) nicht notwendig. Das Verhältnis liegt vielmehr so, dass der Verein, so lange er nicht in der beschriebenen Weise den Willen bekundet hat, Persönlichkeit zu sein, also noch keine schriftlichen Statuten angenommen hat, ohne jedes Bedenken als einfache Gesellschaft behandelt werden kann. Die Eintragung in das Register übt hierauf keinen Einfluss aus. Vorstandsmitglieder, die vor jener Annahme der Statuten handeln, erscheinen also wie einfache Gesellschafter, Beauftragte, Stellvertreter. Nachher aber sind sie Organe und stehen nicht mehr unter der persönlichen Haftung.
(1) OR von 1881. (2) Vgl. ZGB 52, Abs. 3. (3) Vgl. ZGB 62. (4) Rev. OR 530. (5) OR v. 1881.



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Endlich sei noch bemerkt, dass eigentlich nach dem Zwecke des Registers, das der Verkehrswelt zu dienen bestimmt ist, über die Notwendigkeit oder Nichtnotwendigkeit der Eintragung einer Per­sonenverbindung der Umstand entscheiden sollte, ob sie dem Verkehr angehöre oder nicht. Die getroffene Abgrenzung zwischen Verein und Genossenschaft wird auch im wesentlichen hierauf hinauslaufen, und wo sich dies nicht als richtig erweisen sollte, darf man darauf vertrauen, dass die Vereine selber und aus eigenem Interesse die Eintragung erwirken werden, sobald sie im Verkehrsleben eine Stellung einnehmen, die es ihnen als ratsam erscheinen lässt, ein­ getragen zu sein. Deshalb haben wir die Grundunterscheidung lieber nach dem Lebenselement der Personenverbindung, nach dem Vereinszwecke, und nicht nach dem Interesse des Verkehrs getroffen. (1)
B. Die Organisation, Art, 82 bis 86. (2) Der Entwurf kennt zwei ordentliche Organe der Vereine: Die Vereinsversammlung und den Vorstand. Notwendig ist in bezug auf die erstere zu bestimmen, dass die Einberufung nach den Statuten erfolgt, dass aber eine gewisse Minderheit von Gesetzes wegen die Befugnis hat, eine Be­rufung zu verlangen, und zwar ist diese Minderheit im Entwurf auf ein Zehntel der Mitglieder angesetzt (vgl. OR 706). (3) Ferner ist die Zuständigkeit der Versammlung zu bestimmen, Art. 83, (4) wobei nur ein Punkt Bedenken erregen kann, nämlich das Recht, den Vorstand abzuberufen. Diese Befugnis ist jetzt im Entwurf allgemein ausgesprochen, mit Vorbehalt der Ansprüche aus be­stehenden Verträgen. Anfangs war eine Abberufung während der statutengemässen Amtsdauer nur aus triftigen Gründen zugelassen. (5) Betreffend die Vereinsbeschlüsse ist hervorzuheben, dass der Ent­wurf die Frage entscheidet, wie sich die Versammlung zu der Möglichkeit einer Beschlussfassung auf dem Wege der Zirkulation stelle, mit der Antwort, dass die schriftliche Zustimmung aller Mitglieder auch ohne Abhaltung einer Versammlung einem Vereinsbeschluss gleich zu achten sei. Im übrigen sanktioniert der Entwurf betreffend die Herstellung der Mehrheit das übliche: Einfache Mehr­heit der anwesenden Mitglieder und Beschlussfassung nur über die angekündigten oder durch die Statuten angegebenen Traktanden.
(1) Vgl. ZGB 61, Abs. 2, schreibt die Eintragung unter diesem Gesichts­punkt den Vereinen vor, die für ihre nicht wirtschaftliche Aufgabe ein Ge­werbe nach kaufmännischer Art führen, jedoch ist die Eintragung hier nicht Entstehungsform, sondern nur obligatorische Publizitätsform. (2) Vgl. ZGB 64 bis 69. (3) In ZGB 65 ein Fünftel. (4) Vgl. ZGB 65. (5) Ähnlich nun ZGB 65, Abs. 3.



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Was den Vorstand anbelangt, so begnügt sich der Entwurf mit der Verweisung auf die Umgrenzung seiner Befugnisse durch die Statuten und auf seine Vertretungsbefugnis, Art. 86. (1)
Zu dieser Organisation ist im allgemeinen nun aber zu be­achten, dass die Statuten natürlich eine andere Ordnung jederzeit aufstellen können. (2) Die Vereinsversammlung ist das oberste Organ. Wenn aber diese Versammlung dem Vorstand statutarisch Befug­nisse überträgt, die sonst üblicherweise der Versammlung vor­ behalten werden, so soll dies zulässig sein. Man kann vom Zivil­recht nicht verlangen, dass es den Vereinen eine "demokratische" Organisation aufnötige, wenn ihre Interessen nach einer dauernden und ausschliesslichen Vertretung durch den Vorstand verlangen. Man denke an weitverzweigte Vereine, Kunstgesellschaften, Wohl­tätigkeitsvereine, wo es oft nicht leicht möglich ist, regelmässig Vereinsversammlungen einzuberufen, sondern in der Tat der Vor­stand als das berufene Organ erscheint, um alle Geschäfte des Vereins für die Regel von sich aus zu erledigen. Alle die Organi­sationsvorschriften des Entwurfes müssen daher als dispositives Recht aufgefasst werden, d. h. als Bestimmungen, die durch die Statuten abgeändert werden dürfen. (3) Jedoch mit einer Ausnahme: Aus dem Charakter des Sonderrechtes einzelner Mitglieder oder einer Minder­heit ergibt sich, dass das Gesetz mit dessen Anerkennung Rechte begründen will, die durch die Statuten wohl gemehrt, aber nicht gemindert werden dürfen. So ist dies z. B. der Fall mit dem Recht des Zehntels der Mitglieder, (4) die Abhaltung einer Vereinsversamm­lung zu verlangen, dem Gebot, dass überhaupt ein Organ zur Her­stellung von Vereinsbeschlüssen vorhanden sein müsse, usw. Für die Beschlüsse des Vorstandes hatte anfänglich der Entwurf eine gleiche Vorschrift wie für die Vereinsversammlung vorgesehen. Allein für den Vorstand besitzt die Regelung augenscheinlich nicht die gleiche Bedeutung wie für die Vereinsversammlung. Für ihn kann die Geschäftsordnung leicht das Nötige vorschreiben und es wird auch durch die Übung und die Aufsichtsorgane das Erforderliche angeordnet werden können, in Anlehnung an die für die Vereinsversammlung aufgestellten Regeln.
C. Die Mitgliedschaft Art. 87 bis 92 . (5) Drei Seiten sind es, die in betreff der Mitgliedschaft einer gesetzlichen Regelung rufen: Der Beitritt und die Stellung im Verein, der Austritt und die Aus­schliessung, die Sonderrechte.
(1) Vgl. ZGB 69. (2) Vgl. hierüber im Gesetz Art. 63. (3) Vgl. ZGB 63. (4) Im Gesetz ein Fünftel. (5) Vgl. ZGB 70 bis 75.



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In der ersten Hinsicht genügt es offenbar, den rein persönlichen Charakter jeder Mitgliedschaft hervorzuheben. Es ergibt sich daraus die Aufnahme durch Vereinsbeschluss, der freie Austritt und die Unvererblichkeit und Unveräusserlichkeit der Mitgliedschaft. Wegen des Austrittes ist eine Kautel notwendig, die den Verein vor einer schädlichen oder schikanösen Ausübung des Rechtes schützt. Sie besteht in der Befristung der Kündigung, unter Vorbehalt be­liebiger Regelung durch die Vereinsstatuten, Art. 87. (1) Ebenso kurz kann die ökonomische Leistungspflicht aus der Mitgliedschaft ge­ordnet werden. Der Zweck bestimmt im allgemeinen von selbst die Pflicht der Mitglieder betr. die Beitragsleistung. Es lässt sich also der Satz aufstellen, dass die Beitragspflicht sich nach dem Vereins­zwecke richte. Allein die Statuten können und werden in der Regel etwas genaueres darüber bestimmen, und da rechtfertigt sich der Satz, dass kein Mitglied mehr zu leisten habe, als die Statuten vorschreiben. Freilich hat es sich auch allfälligen Statutenänderungen unterworfen, die regelrecht zustande kommen. Gegen übermässige Belastung für die Zukunft schützt dabei der Austritt aus dem Verein. Austretende Mitglieder haften für die Beiträge nach Massgabe der Zeit ihrer Mitgliedschaft, Art. 90, Abs. 2. (2)
Was sodann die Ausscheidung, sei sie freiwillig oder gezwungen, anbelangt, so ist namentlich die Frage zu ordnen, wie es sich mit dem Anteil an dem Vermögen verhalte, zu dessen Bildung das Mitglied durch seine Beiträge bishin mitgewirkt hat. Es entspricht durchaus der herrschenden Auffassung, wenn der Entwurf sich diesfalls grundsätzlich auf den Boden stellt, dass die Ausscheidung keinen Anteil, keinen Anspruch an das Vereinsvermögen ver­schaffen soll. Die Angehörigkeit zu einem Verein gibt kein Mit­eigentum, sobald die juristische Persönlichheit begründet ist. Immerhin soll auch dies kein absolutes Recht sein, sondern durch die Statuten anders bestimmt werden können, wie denn z. B. Kunstvereine oder gesellige Verbindungen sehr wohl es in ihrem Interesse finden können, den ausscheidenden Mitgliedern oder den Erben der verstorbenen die Ausrichtung eines Anteils am Vereins­gute in Aussicht zu stellen.
Weiter kann die Ausschliessung einer Ordnung bedürfen, und zwar halten wir es im Interesse des Vereinslebens für angemessen, dass der Verein auch ohne statutarische Grundlage das Recht haben soll, Mitglieder aus wichtigen Gründen mit Beschluss aus dem Vereine auszuschliessen. Die Statuten können dieses Recht er-
(1) Vgl. ZGB 70, Abs. 2. (2) Vgl. ZGB 73, Abs. 2.



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weitern. Sie können verfügen, dass die Mehrheit jederzeit be­rechtigt sein soll, ein Mitglied zum Austritt zu zwingen, ohne Gründe dafür anzugeben. Wer einem Verein mit einer solchen statutären Bestimmung beitritt, darf sich nicht beklagen, wenn er später davon betroffen wird. Oder es können auch umgekehrt die Gründe genau fixiert werden, aus denen eine derartige Ausschliessung soll vorgenommen werden dürfen. Allen diesen Be­stimmungen gegenüber wurde aber eine Kautel am Platze erachtet, die das Mitglied gegen eine Vergewaltigung schützen soll, näm­lich das Recht des Ausgeschlossenen, den Ausschliessungsbeschluss anzufechten, weil er gegen Gesetz oder Statut gefasst worden sei. Die Anfechtung kann das Formelle beschlagen oder den Grund der Ausschliessung. Sie wird aber allerdings in letzterer Hinsicht in den Fällen aussichtslos sein, wo statutarisch der Verein die Be­fugnis hat, die Ausschliessung ohne Angabe eines Motives vor­zunehmen. Auch so hat die Anfechtungsbefugnis noch ihren grossen Wert. Die Umstände lassen es als zweckmässig erscheinen, sie auf einen Monat, von der Mitteilung der Ausschliessung an ge­rechnet, zu beschränken, Art. 89, Abs. 2.(1)
Das Individualrecht und Sonderrecht eines jeden Mitgliedes ver­langt darnach, dass man sich auf die Einhaltung des Vereinszweckes soll verlassen dürfen. Auch durch die Statuten kann der Vereins­zweck nicht in dem Sinne abgeändert werden, dass sich das Mit­glied die Neuerung ohne weiteres gefallen lassen müsste. Ob es sich um Änderung oder Überschreitung des Vereinszweckes handle, das Anfechtungsrecht ist gegeben, und zwar beim Richter und innert der gleichen Frist eines Monates, wie oben. Verwirkt wird diese Befugnis mit der Zustimmung des Mitgliedes zu dem fraglichen Beschlüsse. Des gleichen Schutzes bedürfen aber auch die Mitglied­schaftsrechte, seien sie auf das Gesetz oder die Statuten gegründet. Gemeint sind dabei die Rechte, die dem Mitglied als solchem zustellen, sei es gleichmässig allen, oder einzelnen in einem besondern Sinne, sei es als Einzelrecht oder als Recht einer Minder­heit, was der Entwurf als Sonderrecht bezeichnet hat, Art, 92. (2) Endlich darf selbstverständlich der gleiche Schutz auch den Rechten nicht versagt werden, die ein Mitglied als Drittperson gegen den Verein hat, z. B. als Darlehensgläubiger, als Vermieter. Allein dieser Schutz verstellt sich so sehr von selbst, dass es uns nicht nötig zu sein scheint, hiervon im Gesetz überhaupt etwas zu sagen.
(1) Im Gesetz ist diese Bestimmung mit der allgemeinen Regel des Art. 92 vereinigt, ZGB 75, „Schutz der Mitgliedschaft". (2) Vgl. ZGB 75.



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D. DieAuflösung, Art. 93 bis 96. (1) Die Auflösung ist aus drei Haupt­gründen anzuerkennen : Infolge eines Vereinsbeschlusses, der jeder­zeit stattfinden kann, wenn die Statuten es nicht anders bestimmen, sodann von Gesetzes wegen, sowie selbstverständlich mit dem Weg­fallen der Voraussetzung eines jeden Vereines, der Personenvereini­gung, oder also mit dem Ausscheiden aller Mitglieder. Man braucht dieses letzte aber gar nicht abzuwarten: Der Verein verliert bereits seine Grundlage, wenn er nicht mehr statutengemäss seinen Vor­stand bestellen kann. Zwar haben wir oben angenommen, dass eine gegründete juristische Person im allgemeinen auch ohne Organe bestehen könne, sie entbehrt dabei nur der Handlungsfähigkeit. Allein dabei haben wir doch immer vorausgesetzt, dass wenigstens die Bestellung des Vortandes oder also des Organes möglich sei. Ist das nicht mehr gegeben, so liegt es im Interesse aller noch an der Sache Beteiligten, dass der Verein als aufgelöst betrachtet werde. Allerdings gibt es ja noch immer eine Vereinsversammlung als Organ, und beispielsweise bei Aktiengesellschaften hat man mehr­faches zugelassen, dass die Persönlichkeit fortdaure, auch wenn die Zahl der Aktionäre die statutarische Bestellung der Verwaltung nicht mehr zulasse. Allein auch wenn man dies hier zugibt, beim Verein liegt die Sache doch anders. Der Verein begründet eine wesentlich persönliche Verbindung. Können die Statuten in einem so wichtigen Punkte, wie Besetzung des Vorstandes, nicht mehr befolgt werden, so gibt es nur zwei Wege, entweder Änderung der Statuten vor Feststellung dieses Ausfalles oder Hinfälligkeit des Vereins. Es ist gewissermassen ein Bankerott im Bestande des Vereins, was hier die Auflösung verlangt. Wollte man eine solche Bestimmung nicht annehmen, so müsste man zur Vermei­dung von Missbräuchen dann doch eine Minimalzahl von Mitglie­dern subsidiär gesetzlich verlangen, ohne welche der Verein zu existieren aufhören würde. Vgl. OR 679. Vorgeschlagen war auch die Auflösung für den Fall anzuordnen, wo der Vorstand wegen Mitgliedermangels nicht mehr die statutarische Vereinsver­sammlung abhalten könne. Allein es ist wohl zu sagen, dass diese Vorschrift mit ihrer Wirkung der jetzt im Entwurfe vor­ geschlagenen gleichkommen dürfte. Als weiterer gesetzlicher Grund ist der Konkurs genannt, was sich bei der juristischen Person, die ihre Rechtsfähigkeit im wesentlichen im Vermögens­rechte erschöpft, von selbst rechtfertigt. Eine Anzeigepflicht des Vorstandes bei jeder Unterbilanz mit Verantwortlichkeit der Vor­standsmitglieder als Solidarschuldner im Falle eines Unterlassens.
(1) Vgl. ZGB 76 bis 79.



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A. Die Errichtung, Art. 97 bis 99. (3) Wir bezeichnen die Stiftung als eine privatrechtliche Anstalt. Sie wird durch privaten Akt gegründet, und zwar ist hierfür wesentlich die Widmung eines Vermögens und die Bestimmung desselben zu einem eigenen, er­laubten Zweck. Zuwendung an einen schon in einer Stiftung beste­henden Zweck ist keine Stiftung, weil keine neue juristische Person dadurch entsteht. Aufstellung eines Stiftungszweckes ohne Ver­mögenszuwendung wird nicht als Stiftung anerkannt.
Das Errichtungsgeschäft muss unter Lebenden in irgendeiner Weise formell festgestellt sein, damit der Stiftungswille deutlich sich ausdrücke. Art. 97, Abs. 2, (4) schlägt hierfür die öffentliche Beurkundung vor, worunter hier und sonst im Entwurfe die Er­richtung durch einen Notar oder eine nach kantonalem Recht mit öffentlichem Glauben ausgerüstete Amtsstelle zu verstehen ist. Für die Errichtung von Todes wegen wird eine letztwillige Verfügung
(1) ZGB 78 gibt die Klage jedem „Beteiligten". (2) Vgl. ZGB 79. (3) Vgl. ZGB 80 bis 82. (4) Vgl. ZGB 81, Abs. 1.

der Anzeige würde wohl in manchen Fällen zur Abklärung der Verhältnisse wesentlich beitragen. Allein da es sich hier nicht um wirtschaftliche Gebilde handelt, sondern um solche mit idealem Zwecke, erscheint diese Vorsicht (vgl. OR, Art. 657 und 704) nicht als geboten, vielmehr kann man es bei der Festsetzung der gesetzlichen Folge des Konkurses bewenden lassen.
Als dritter Auflösungsgrund erscheint die gerichtliche Auf­hebung wegen Verfolgung eines widerrechtlichen oder unsittlichen Zweckes. Wichtig ist hier die Feststellung des Klagerechtes. Wir nehmen keinen Anstand, es jedermann zuzugestehen, der ein Inter­esse daran hat, dass diese Sachlage festgestellt werde, sei es ein Mitglied, oder ein Gläubiger, oder das Gemeinwesen selber, oder ein Konkurrent. (1) Eine Ausdehnung auf die Fälle, wo ein Verein das Gemeinwohl schädigt, war im Entwurfe angeregt, erschien aber, wenn auch in einer Richtung berechtigt, nach einer andern doch als gefährlich und, soweit gerechtfertigt, auch wohl mit der Anfechtung wegen Widerrechtlichkeit von selbst gegeben.
Die Löschung des aufgelösten Vereins im Handelsregister ist selbstverständlich. Demzufolge rechtfertigt sich die Anzeigepflicht des Vorstandes oder des Richters, Art. 96. (2)
Dritter Abschnitt.
Die Stiftungen.



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in möglichst entsprechender Form, also in öffentlichem Akte, gemäss Art. 521 ff. verlangt. (1) Betreffend das geltende Recht vgl. Schweiz. PR I, S. 172 ff.
Diese Formen dürften für die Stiftungen zu privaten Zwecken genügen. Eine Kontrolle über den Inhalt der Stiftung zu privatem Zwecke, um etwa sinnlosen Verfügungen behördlich die Rechtskraft vorzuenthalten, würde nicht nur dem geltenden Rechte widersprechen, sondern auch schwerlich von irgend erheblicher praktischer Bedeutung sein. Dagegen wird Art. 72, von dem wir oben gesprochen (2), allerdings für alle Stiftungen, auch die schon gegründeten, Anwendung finden müssen, und handelt es sich um einen öffentlichen Zweck, d. h. nicht einen öffentlich-rechtlichen Er­richtungsakt, sondern um eine Verwendung des Vermögens zu einem Zwecke, der zugleich Zweck des Gemeinwesens ist, so empfiehlt sich überhaupt eine Genehmigung durch die kompetente Behörde als Regel. (3) Man denke an Stiftungen für Schulzwecke, Militärpensionen u. dgl. Dann aber kann die Frage aufgeworfen werden, in welchem Zeitpunkt die Erklärung des Stifters für ihn selber bindend sei, und man wird kaum anders entscheiden können, als dass man bis zur Perfektion des Aktes, d. h. bis zur Genehmigung durch die Behörde, dem Stifter den Rücktrittt vor­behält, was der Entwurf in die Möglichkeit des Widerrufes ge­kleidet hat.
Eine weitere Frage betrifft das Verhältnis der Erben zum Stif­tungsakte, der ihnen ein Vermögen entzieht, das ihnen erbrecht­lich zugefallen wäre. Handelt es sich um eine Stiftung durch letztwillige Verfügung, so erfolgt die Anfechtung unter diesem Gesichtspunkte nach allgemeinen Grundsätzen, Art. 541 ff. Handelt es sich aber um einen Akt unter Lebenden, so wird man die Stiftung gleich einer Schenkung behandeln müssen, Art. 547. (4)
B. Die Organisation, Art. 100 und 101. (5) Dass die Stiftung der Organisation bedarf, ist schon oben hervorgehoben worden. Darüber wird regelmässig die Stiftungsurkunde das Notwendige sagen. Es darf die Anordnung aber auch einem besonderen Stiftungsstatut vorbehalten werden, für das wir die gleiche Form wie für die Stiftung verlangen. Es wird sich dies empfehlen, um für Be­stimmungen, die sehr häufig nach dem Tode des Verfügenden erst
(1) Das Gesetz verlangt nicht mehr die Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung, 81, Abs. 1, 498 ff. (2) Vgl. S. 80, Anm. 3, betr. Art. 53. (3) Das Gesetz überlässt auch diesen Punkt dem Öffentl. r. d. Kantone, Art. 6. Siehe oben S. 81. (4) Vgl. ZGB 82, 519 ff., 527. (5) ZGB 83, Vgl. auch 81, Abs. 2.



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praktisch werden, eine ebenso zuverlässige Ordnung zu erhalten, wie für die Stiftung selbst. Von der Beobachtung dieser Form soll aber die Gültigkeit der Stiftung nicht abhängig gemacht werden. Der Stiftungswille wird besser respektiert, wenn die Unterlassung der nötigen Anordnungen für die Organisation nur die Folge nach sich zieht, dass die Behörde diese Lücke amtlich auszufüllen hat. Wir würden hier so weit gehen, dass im Falle der Unmöglichkeit der Anordnung einer zweckdienlichen Verwaltung die Vereinigung mit einer schon bestehenden Stiftung möglichst entsprechenden Zweckes zuzulassen wäre. Doch soll der Stifter dagegen sich verwahren können, sei es so lange er lebt überhaupt, oder in der Stiftungsurkunde selbst. Man denke an die Stiftung eines Kranken­spitals mit ungenügenden Mitteln zur Herstellung einer selbständigen Verwaltung. Da mag es geraten erscheinen, die Stiftung z. B. zur Gründung von Freibetten in einem schon bestehenden Spital zu verwenden, soweit der Stifter dies nicht untersagt hat.
C.   Die Aufsicht, Art. 102 und 103. (1) Wichtig ist hier die Fest­stellung der Aufsichtsinstanz und des Inhaltes der Aufsicht. Für ersteres verweisen wir auf die bestimmungsgemässe Angehörigkeit der Stiftung zu einem Gemeinwesen, Bund, Kanton, Gemeinde, oder natürlich auch Bezirk, wonach der kantonalen Organisation den Bezirken eine selbständige Aufgabe zugewiesen ist. Diese Angehörigkeit haben wir schon in Art. 76, Abs. 1, (2) angetroffen. Die genauere Feststellung der Aufsichtsbehörde auf dieser Grundlage wird der kantonalen Regierung, oder, wo die Stiftung ihrer Bestim­mung gemäss dem Bunde angehört, dem Bundesrate zugewiesen. Als Inhalt der Aufsicht aber kann ganz allgemein bezeichnet werden die Sorge für die stiftungsgemässe Verwendung und Erhaltung des Vermögens. (3) Darin liegt auch die Möglichkeit, dass gegen ab­weichende Vermögensverwendungen bei diesem Organ Beschwerde erhoben werden kann, und zwar von jedermann, der hieran ein Interesse hat. Natürlich ist aber der gerichtliche Weg der An­fechtung wegen Missbrauchs des Stiftungsvermögens und Zwecks­verletzung ebensowohl möglich. Aus diesem Grunde erschien es als unnötig, auf diese Seite der Aufsicht im Gesetze ausdrücklich hinzuweisen.
D.   Die Stiftungsänderung, Art. 104 und 105. (4 ) Zu der Aufsicht, gehört die Befugnis zu Abänderungen von bestehenden Stiftungen,
(1) Vgl. ZGB 84. (2) Vgl. ZGB 57. (3) Im Gesetz nicht ausgesprochen. (4) Vgl. ZGB 85, 86.



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sie reicht aber über die Aufsicht hinaus und ist doch wohl zu unter­scheiden von der Aufhebung. Die Änderung kann entweder die Organisation oder den Zweck der Stiftung betreffen. Für beides wird eine möglichst sichere Ordnung verlangt werden müssen, als welche wir betrachten: Verfügung der obersten Aufsichtsstelle, Regierungsrat oder Bundesrat, auf Antrag der ordentlichen Auf­sichtsbehörde (z. B. Bezirksamt, Gemeinderat, Departement, Schul­rat) und Anhörung des obersten Stiftungsorganes selber. Voraus­setzung ist: entweder, dass die Erhaltung des Vermögens oder die Wahrung des Zweckes der Stiftung die Abänderung der Organi­sation erheischt, oder dass der ursprüngliche Zweck im Laufe der Zeit eine ganz andere Bedeutung oder Wirkung erhalten hat und damit dem Willen des Stifters offenbar entfremdet worden ist. Man denke in ersterer Hinsicht an die Bestellung der Stiftungsverwal­tung durch ein kantonales Amt, das zur Zeit der Stiftungserrich­tung für die nötige Fachkenntnis alle Bürgschaft dargeboten hat, während später diese Eigenschaften in einem anderen Amte gegeben sind, oder in letzterer Hinsicht neben den schon oben angeführten Beispielen an die Stiftung zur Bestreitung von Begräbnisausgaben in einer Gemeinde, in der die unentgeltliche Beerdigung eingeführt worden ist. Man kann sich freilich nicht verhehlen, dass mit einer solchen Befugnis der Behörden auch eine gewisse Gefahr verbunden ist. Allein wir finden es doch weit natürlicher, hier ein Ventil zu öffnen, als wenn man entweder die Stiftung zu den unsinnigsten Verwendungen weiter bestehen lässt, oder sie einfach als dahingefallen erklärt und ihr Vermögen als herrenlos dem öffentlichen Gute einverleibt.
E. Die Aufhebung, Art. 106 und 107. (1) Die Aufhebung durch die Organe der Stiftung ist nicht vorgesehen. Sie wird meist unmög­lich sein, lässt sich aber denken, falls bei der Errichtung bereits eine solche Möglichkeit vorgesehen worden ist. Die Aufhebung von Gesetzes wegen bei Unerreichbarkeit des Zweckes wird sich in der Weise vollziehen, dass die Staatsregierung, in Fällen, wo eine Abänderung des Zweckes ausgeschlossen erscheint, die Aufhebung erklärt und mit dem Vermögen nach Vorschrift des Gesetzes ver­fährt. Eine besondere Bestimmung hierüber ist nicht nötig, denn nicht die Behörde hebt auf, sondern die Auflösung ist von selbst nach Gesetzesvorschrift eingetreten, und die Regierung zieht daraus nur die gegebene Folge. Die Aufhebung durch Gerichtsurteil muss insofern besonders geregelt werden, als es sich fragen kann, wer
(1) Vgl. ZGB 88, 89.



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Der Abschnitt ist nötig, um die Aufzählung der juristischen Personen vollständig zu machen. Er besteht aber nur aus zwei Verweisungen. Für Personenverbindungen mit wirtschaftlichem Zweck, im Gegensatz zu Art. 78, (2) wird die Regelung durch das Gesellschafts- und Genossenschaftsrecht des OR oder anderer Bundesgesetze vorbehalten, und für kantonalrechtliche Genossen­schaften, — wir meinen Wald-, Weide-, Brunnen-, Alpgenossen­schaften u. dgl., es liess sich diese Aufzählung aber im französi­schen Texte nicht wiedergeben, weshalb sie dann auch für den deutschen gestrichen worden ist, — das kantonale Recht.
Öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten werden dem öffentlichen Rechte der Kantone oder des Bundes zugewiesen. Ge­meint sind solche Gebilde, die einen Teil der öffentlich-rechtlichen Organisation des Landes ausmachen. Deshalb müssen auch die kirchlichen Gebilde darunter verstanden werden, was in der letzten Redaktion besonders ausgedrückt worden ist, also die Landes­kirchen und die an sie sich anschliessenden Anstalten. Zu den privaten religiösen Vereinigungen verhalten sie sich gemäss Art. 78 (3) alsdann wie die Staatsanstalten zu den politischen Vereinen. Die Umschreibung in Art. 109 (4) dürfte genügen, da nicht das kan­tonale Recht überhaupt, sondern das öffentliche Recht der Kantone vorbehalten wird. Dadurch, dass ein Kanton über eine kirchliche Anstalt oder Körperschaft eine öffentlich-rechtliche Vorschrift auf­stellt, wird sie eben in dieser Hinsicht zu einer solchen, die dem kantonalen Rechte überwiesen ist.
In ihrer privatrechtlichen Existenz sind diese Gebilde dem Bundesgesetze unterstellt, soweit eben nicht öffentlich-rechtliche Vorschriften für sie erlassen werden. So also namentlich der Staat als Fiskus, dann die Gemeinden usw., was in betreff der Haftbar­keit u. a. nicht ohne Bedeutung ist. Es geht offenbar nicht an, für sie ein eigenes Privatrecht anzunehmen, das für die kantonalen
(1) Vgl. ZGB 59, und oben S. 64, Anm. 2. (2) Vgl. ZGB 60. (3) Vgl. ZGB 60. (4) Vgl. ZGB 59.

zur Klage berechtigt sei. Wir nehmen an, die Aufsichtsbehörde, oder dann auch, wenn diese ihre Pflicht gegenüber einer Stiftung mit widerrechtlichem oder unsittlichem Zwecke nicht erfüllt, jeder­mann, der ein Interesse hat.
Vierter Abschnitt.
Die übrigen Körperschaften und Anstalten, Art. 108 und 109. (1)



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öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten einen eigenen Inhalt hätte, während doch für die bundesrechtlichen Gebilde wiederum das Bundesprivatrecht gelten müsste. Es genügt, wenn der Bund und die Kantone, soweit sie eine dem allgemeinen Privatrecht nicht unterstellte Ordnung für diese juristischen Per­sonen anerkannt wissen wollen, hierzu die Zuständigkeit besitzen. Was sie schaffen, ist aber nicht Privatrecht, sondern öffentliches Recht. Gerade die Haftbarkeit kann zu solchen besonderen Vor­schriften Veranlassung geben, ebenso die Vermögensverwendung und Vermögensfähigkeit. In letztgenannter Hinsicht ist an Art. 72 zu erinnern, dessen Abs. 1 speziell für die hier in Frage stehenden Fälle durch kantonale Vorschriften praktische Gestalt empfangen kann. (1) Abs. 2 der dortigen Vorschrift stellt sich als eine An­wendung der Kompetenz dar, die dem Bunde im allgemeinen in Art. 109 vorbehalten wird. (2)
(1) Vgl. oben S. 96, Anm. 1 und S. 80 f. (2) Vgl. ZGB 59, Abs. 1.