Vorwort.
Da nach dem Inkrafttreten des Schweizerischen Zivilgesetzbuches die Nachfrage nach den Erläuterungen zum Vorentwurf nicht aufgehört hat, der Vorrat derselben aber vollständig erschöpft ist, hat das Kidgenössische Justiz- und Polizeidepartenient eine neue Ausgabe angeordnet. Dabei ist es als wünschenswert betrachtet worden, diese neue Ausgabe mit Anmerkungen zu versehen, die auf die Stellen verweisen, wo das Gesetz vom Vorentwurf in den von den Erläuterungen besprochenen Bestimmungen abweicht, und es wurde der Unterzeichnete vom Vorsteher des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Herrn Bundesrat Dr. Eduard Müller, mit dieser Arbeit beauftragt.
An dem Texte selbst ist in dieser neuen Ausgabe nichts geändert worden, die Anmerkungen aber geben nicht alle Abweichungen des Gesetzes vom Vorentwurf wieder, sondern machen nur auf diejenigen Bestimmungen aufmerksam, deren Besprechung in den Erläuterungen mit dem Gesetzestext nicht mehr übereinstimmt. Aus den dem Vorentwurf vorangehenden Teilentwürfen. sowie aus den Vorlagen des Bundesrates an die Bundesversammlung, sind sodann einige Beilagen beigefügt worden, die für die Geschichte oder die Auslegung einzelner wichtiger Institute noch heute Bedeutung beanspruchen. Ausserdem ist der Text des Vorentwurfes, auf dem die Erläuterungen selbstverständlich überall aufgebaut sind, als Anhang mit abgedruckt. Durch diese Anfügungen ist das Buch zu einem Umfang angewachsen, der dessen Ausgabe in zwei Bänden als wünschenswert erscheinen liess. Der erste Band umfasst die Einleitung, das Personen-, Familien- und Erbrecht mit den zugehörigen Beilagen. Im zweiten Bande finden sich das Sachenrecht, mit Beilagen, und der Text des Vorentwurfes.
Über die Stellung der Erläuterungen zur Ausarbeitung des Gesetzes selbst, hat sich das Vorwort zu der ersten Gesamtausgabe vom Juli 1902 mit folgenden Worten ausgesprochen:
„Im Anschluss an die Veröffentlichung des Departementalentwurfes vom 15. November 1900 betreffend ein Schweizerisches Zivilgesetzbuch hat der Vorsteher des eidgen. Justiz- und Polizeidepartements, Herr Bundesrat Dr. Ernst Brenner, im Dezember 1900 dem Unterzeichneten den Auftrag gegeben, zuhanden der für die Durchberatung in Aussicht genommenen grösseren Kommission über den Entwurf einen erläuternden Bericht auszuarbeiten. Die vorliegenden Erläuterungen wollen diesem Auftrage nachkommen. Sie sind der Kommission in drei Heften, betreffend Einleitung, Personen- und Familienrecht im Juli 1901, betreffend das Erbrecht im Dezember 1901 und betreffend das Sachenrecht im Juli 1902 mitgeteilt worden und liegen hier in einer Gesamtausgabe vor. Über ihre Stellung zum Entwurfe spricht sich die Einleitung näher aus. Nur zwei Momente sind hier noch zu betonen :
„Die Erläuterungen konnten und wollten keine Verarbeitung der zu den Entwürfen von 1896 und 1900 erschienenen Kritiken geben, und auf das Ergebnis der Kommissionsberatungen konnte auch in den spätem Abschnitten nicht eingetreten werden. Die Erläuterungen wollen sich grundsätzlich und im ganzen auf den Entwurf beziehen, wie er der Zivilrechtskommission vorgelegt worden ist. Sie haben nicht die Aufgabe, den Entwurf gegenüber den verschiedenen Ausstellungen und Anregungen zu verteidigen oder zu verbessern. Sie verfolgen auch nicht den Zweck, das kritische Material zusammenzustellen oder zu sichten, sondern sie sind zu dem Entwurfe geschrieben, so wie er selber der Kritik unterstellt ist. Die Zusammenstellung jenes Materials zuhanden der Kommission ist mit einer besondern Arbeit ausgeführt worden.
„Des weitern durften die Erläuterungen es niemals aus dem Auge verlieren, dass sie für alle diejenigen zu schreiben waren, die zur Mitarbeit an dem Gesetzgebungswerk berufen sind. Sie mussten das Ziel verfolgen, eine auch für den Nichtjuristen brauchbare Darstellung der Gedanken und Bestrebungen zu geben, die bei der Ausarbeitung des Entwurfes und den bisherigen Beratungen vorgewaltet haben. Nicht eine Auslegung in das Einzelne, sondern eine Hervorhebung der leitenden Grundsätze musste ihnen als ihre
vornehmliche Aufgabe erscheinen. Bieten sie dabei weniger für die Auslegung der einzelnen Artikel nach dem Bedürfnis einer künftigen praktischen Anwendung, so leisten sie um so unmittelbarere Dienste für die Gesetzgebung. Sie sind dabei so gedrängt als möglich gehalten worden, und wenn sie auch, wie im ehelichen Güterrecht, Erbrecht und Grundpfandrecht, das Eingehen auf Einzelheiten nicht vermieden haben, so war hierfür weniger das Bedürfnis des Juristen, als dasjenige des mitten im Verkehrsleben stehenden Bürgers wegleitend. Man streitet sich bekanntlich darüber, ob sogenannte Motive zu einem Gesetzesentwurfe für die spätere Praxis mehr Vorteil oder Nachteil böten, indem sie ebenso häufig eine Förderung in der Auslegung der gesetzlichen Vorschriften, als ein Hemmnis in deren praktischen Verwendung bedeuten. Erläuterungen, die nicht in der Auslegung der vorgeschlagenen Bestimmungen, sondern in der Prüfung dessen, was vorgeschlagen werden soll, ihre Hauptaufgabe erblicken, dürften in diesem Bestreben nach keiner Seite unwillkommen sein."
Wenn sich die Erläuterungen zum Vorentwurf nun für die Einführung in das Gesetz und für dessen Anwendung als weiterhin brauchbar erweisen, so ist diese Erscheinung wohl wesentlich aus dem Umstände zu erklären, dass die Erläuterungen über die leitenden Grundsätze des Gesetzes, die von denen des Vorentwurfes doch nicht wesentlich abweichen, auch heute noch Aufschluss zu geben vermögen.
Bern, im Januar 1914.
Prof. Dr. Eugen Huber.